Hamburg. Diebsteich, Schanze, „Monsterbrücke“ – was die Deutsche Bahn auch plant, Prellbock Altona hält nichts davon. Die Gründe.
Michael Jung ist Rentner. Er könnte in seinem Kleingarten sitzen und Gemüse ernten. Manchmal macht er das auch. Aber die meiste Zeit nimmt seine andere Leidenschaft in Anspruch: Der 74-Jährige aus Hamburg-Altona hat es sich zur Aufgabe gemacht, „für eine bessere Deutsche Bahn zu kämpfen“, wie er sagt.
Andere würden sagen, dass der Mitbegründer und Sprecher der Bürgerinitiative und des späteren Vereins Prellbock Altona gegen die Bahn agiert. So hat der Verein etwa Klage gegen den geplanten Neubau der Sternbrücke durch die Deutsche Bahn eingereicht. Zusätzlich wollte man mit einem Eilantrag einen Baustopp und Abriss der Gebäude erwirken, was teils gelang.
Verein aus Altona führt mehrere Klagen gegen Projekte der Deutsche Bahn
Doch Prellbock Altona führt nicht nur im Namen anderer Initiativen die Klage gegen den Bau der Sternbrücke im Schanzenviertel, sondern hat auch Klage gegen den geplanten Bau der Eisenbahnbrücke über die Schanzenstraße eingereicht. Und es ist nicht die erste Klage gegen ein Bahnprojekt, bei der Jung mitmischt.
Angefangen hat es mit dem Streit um die geplante Verlegung des Fernbahnhofs von Altona nach Diebsteich. Der landete ebenfalls vor Gericht. Die Klage führte stellvertretend der Verkehrsclub Deutschland. Prellbock Altona konnte damals noch nicht selbst klagen. Das kann nur ein gemeinnütziger Verein, der mindestens drei Jahre existiert und als Umweltverband anerkannt wurde.
Prellbock Altona und Initiative Sternbrücke kämpfen gegen „Monsterbrücke“
Mit einem Eilantrag erwirkte der Verkehrsclub damals einen vorläufigen Baustopp. Später einigte man sich auf einen Vergleich. Heute baut die Bahn am Millionenprojekt. „Wir haben das als Verrat empfunden“, sagt Jung heute mit Blick auf die Entscheidung des Verkehrsclubs, die Klage fallen zu lassen. Heute verfügt der Verein Prellbock über rund 70 Mitglieder und über den nötigen Status, selbst zu klagen.
„Wir sind unabhängig“, erklärt Jung, der betont, dass sich Prellbock allein aus Spenden finanziere. Auch die Kosten für die Klagen werden durch Spenden eingeworben. Für die Klage gegen die „Monsterbrücke“ konnte die Initiative Sternbrücke bislang 46.765 Euro von 727 Unterstützern über die Plattform Betterplace einsammeln. 80.000 Euro werden demnach insgesamt benötigt.
Kritiker der Deutsche Bahn betont: „Klagen sind kein Allheilmittel“
Als kleinen Erfolg verbucht Jung, dass das Oberverwaltungsgericht in diesem Fall zumindest insoweit Druck auf die Bahn ausgeübt habe, als dass man mit dem Abriss von denkmalgeschützten Gebäuden nun bis zu einer Entscheidung über den Eilantrag warten wolle. Ansonsten macht sich Jung aber nicht so große Hoffnungen.
„Klagen sind kein Allheilmittel“, sagt er. Warum man dann so viele gegen Bahnprojekte in Hamburg führt? „Es geht darum, ein Signal auszusenden.“ Es mache Druck, um konstruktive Gespräche führen zu können. „Zudem hofft man, dass vor Gericht die Macht eines guten Arguments seine Wirkung doch noch entfaltet“, sagt Jung.
Seiner Meinung nach macht die derzeit geplante neue Sternbrücke aus vielerlei Hinsicht keinen Sinn. „Wir sind aber nicht nur dagegen, wir legen auch immer eine Alternative vor“, betont er. Das sei in diesem Fall der Entwurf des Architekturprofessors Karsten Brauer. Die Brücke würde demnach durch drei Bögen gehalten und deutlich filigraner wirken. „Wir möchten nur, dass man sich mit dieser Idee ernsthaft auseinandersetzt und sie prüft“, so Jung. Seinen Angaben nach wäre diese Brücke auch 30 Prozent billiger als der Entwurf der Deutschen Bahn.
Deutsche Bahn: Pendler und Fan wird zum Kritiker und Gegner
Jung stammt aus dem Ruhrgebiet, studierte Volkswirtschaft, Raumplanung und Geografie erst in Magdeburg und später in Hamburg. 20 Jahre lang lebte er an der Schanzenstraße mit Blick auf die besagte Brücke, bis er 1999 fünf Minuten vom Bahnhof Altona entfernt eine Wohnung kaufte, in der er bis heute mit seiner Frau lebt. Dabei wohnte er nicht nur immer nah an der Bahn, er nutzte sie auch 28 Jahre lang regelmäßig als Pendler.
Denn Jung arbeitete lange in Frankfurt, kümmerte sich um die Finanzierung von Verkehrsprojekten. Auch privat reiste er viel mit der Bahn. „Ich habe die Zeiten erlebt, als die Bahn einfach besser war“, sagt der Hamburger. „Pünktlicher, sauberer, als es noch Nachtzüge gab und mehr Service, als der Fokus noch auf dem Inlandsgeschäft lag.“
Kritiker war 30 Jahre Mitglied in der SPD und trat aus – wegen der Bahn
30 Jahre lang war der Hamburger Mitglied in der SPD. Wegen der Idee, die Deutschen Bahn zu privatisieren, die er für grundlegend falsch hielt, trat er aus. Nun engagiert er sich in Bürgerinitiativen.
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Jung will sein Know-how einbringen, um die Bahn besser zu machen und er will die Stadt „vor aus der Zeit gefallenen Projekten retten, die man mit aller Gewalt realisieren will“, erklärt er seinen Antrieb.
Deutsche Bahn: Bündnis macht auf Schwachstellen aufmerksam – auch in Hamburg
Dabei ist das ehrenamtlich organisierte Engagement gegen oder für die Deutsche Bahn professionell aufgestellt. Es gibt Grafiker, Pressesprecher, Fachvorträge und organisierte Touren über den Bahnhof Altona, um auf Schwachstellen aufmerksam zu machen. Zudem haben sich die verschiedenen Initiativen in Deutschland zusammengetan zu einem Bündnis und einer „Bürgerbahn-Denkfabrik für starke Schiene“.
Vergangene Woche ist Jung nach Berlin gereist, um dort den 160-seitigen sogenannten „alternativen Geschäftsbericht“ zur Deutschen Bahn mit vorzustellen. Gleich mehrere Beiträge darin stammen von ihm. Darunter: auch einer über Bahnprojekte am Knotenpunkt Hamburg, die man naturgemäß kritisch sieht. „Wir schicken alle unsere Veröffentlichungen und Anmerkungen auch immer an den Bahnvorstand“, berichtet Jung. „Am Ende soll keiner sagen, dass er von nichts gewusst hat.“