Hamburg. Nachbarn klagten öffentlich über Lärm und Müll. Anderer Anwohner will Kneipe vor „Verunglimpfung schützen“. Das sagt die Politik.

  • Anwohner der Kneipe Reh Bar in Ottensen klagen über nächtlichen Lärm, Müll und Schmutz
  • Stammgäste und Mitarbeiter finden, die Bar werde zum Sündenbock gemacht
  • Was die Politik in Hamburg-Altona zu der Außengastronomie sagt

„Die Reh Bar ist das Herz von Ottensen und der Grund, warum ich damals in das Haus gegenüber eingezogen bin“, sagt Grundschullehrer Michael Kellner. Das war vor 15 Jahren – und damit lange bevor die Eckbar an der Ottenser Hauptstraße pandemiebedingt auch vier Parkplätze zur Bewirtung ihrer Gäste nutzen durfte. Andere Nachbarn aus seinem Haus haben gerade kritisiert, dass die Sondernutzungsgenehmigung dafür verlängert wurde.

Zu denen gehöre er nicht, betont Kellner. Im Gegenteil. „Ich möchte meine Stammkneipe vor Verunglimpfung schützen“, sagt er. Sie sei „keine Partybar, sondern eher gemütlich.“ Und nach früheren Beschwerden tue Betreiber Stefan Schmitz mittlerweile alles, um den Lärm einzudämmen. „Die Reh Bar darf nicht zum Sündenbock werden“, findet der 45-Jährige.

Ottensen: Außengastro – Nachbar verteidigt Reh Bar

Natürlich komme es im Umfeld der Bar immer mal wieder zu nächtlichem Lärm, Gegröle und Flaschenklirren. Kellner: „Das sind aber nicht die Gäste der Reh Bar, sondern Jugendliche, die vom Feiern kommen. Im Bezirk Altona wohnen viele junge Leute, die nachts Party machen.“ Die von seinen Nachbarn monierten Verschmutzungen durch Urin oder Erbrochenes seien selten, stammten aber – da sei er überzeugt – nicht von Gästen der Reh Bar.

Die Anwohner Andreas Hake und Nachbar Frank vor der Reh Bar in Ottensen. Sie kritisieren Lärm und Vermüllung im Umfeld der Bar.
Die Anwohner Andreas Hake und Nachbar Frank vor der Reh Bar in Ottensen. Sie kritisieren Lärm und Vermüllung im Umfeld der Bar. © Funke Foto Services | Roland Magunia

Dort herrsche in der Regel ab 23 Uhr Ruhe, sodass man dann theoretisch sogar bei offenem Fenster schlafen könnte. Außerdem verändere sich Ottensen gerade. „Der Straßenraum wird noch mehr zu einer lebendigen Begegnungsstätte – und das ist doch schön.“ Kellner spielt auf die Umgestaltung des Stadtteils durch das Projekt „freiRaum Ottensen“ an, das nach langem Hin und Her 2025 endlich umgesetzt werden soll.

Außengastro Hamburg: Bezirk Altona großzügiger als Mitte und Nord

Vorgesehen ist unter anderem ein Umbau der Ottenser Hauptstraße, wo mehr Platz für Fußgänger und Außengastronomie geschaffen und der Autoverkehr reduziert werden soll. Um die Zeit bis dahin zu überbrücken, hat der Bezirk die Sondernutzungsgenehmigung für Außengastronomie auf Gehwegen oder Parkplätzen bis Ende 2024 verlängert – und sich damit deutlich großzügiger gezeigt als Hamburg-Nord und Hamburg-Mitte, wo die Verlängerung Ende Februar ausläuft.

„Die Verlängerung der jetzigen Situation ist ein Schritt in die Richtung, die wir mit ,freiRaum Ottensen‘ gehen wollen“, sagt Benjamin Harders, umweltpolitischer Sprecher der Grünen. Die Nutzung der Parkbuchten sei eine Übergangslösung, die sich bewährt habe. Nach dem Auslaufen der Sondergenehmigung habe man sich entscheiden müssen: „Kehren wir zurück auf den Status vor Corona und beschränken die Außengastro auf ein Minimum? Oder verlängern wir den Status quo?“

Außengastro: Wirte müssen Lärm auf Minimum begrenzen

Im ersten Fall könnten die Gastronomen nur eine Bierbank an die Hauswand stellen, damit es nicht zu eng wird auf den Gehwegen. Das wäre für die derzeit finanziell stark gebeutelten Gastronomen ein starker Einschnitt gewesen. Mit der aktuellen Entscheidung greife man ihnen unter die Arme.

Außengastronomie im Bezirk Altona: Auf ausgewiesenen Flächen ließen sich Lärmpegel und Ruhezeiten besser kontrollieren, so die Grünen.
Außengastronomie im Bezirk Altona: Auf ausgewiesenen Flächen ließen sich Lärmpegel und Ruhezeiten besser kontrollieren, so die Grünen. © Marcelo Hernandez

Natürlich müsse man die Sorgen der Anwohner ernst nehmen und darauf achten, dass jetzt keine neuen „Lärm-Hotspots“ entstünden. Auf den ausgewiesenen Außenflächen ließen sich Lärmpegel und Ruhezeiten jedoch besser kontrollieren. Dort wären die Gastronomen in der Verantwortung, Lärmbeeinträchtigungen auf ein Minimum zu begrenzen.

Altonaer Politiker nehmen Reh-Bar-Betreiber Schmitz in Schutz

Rückenwind bekommt Reh-Bar-Betreiber Stefan Schmitz auch von den anderen Fraktionen. „Wir haben der Verlängerung der Außengastronomie im Bezirk Altona nach intensiver Diskussion zugestimmt und sind der Meinung, dass die Branche in Zeiten steigender Energiekosten und steigender Inflation unterstützt werden muss“, sagt Sabine Köster, Sprecherin für Klima und Verbraucherschutz bei der SPD-Bezirksfraktion.

Sie verweist auf die Maßnahmen zum Anwohnerschutz, die Inhaber Schmitz getroffen habe, und auch, dass er immer wieder den Dialog mit den Anwohnern gesucht habe, um ein vernünftiges Miteinander sicherzustellen. Köster betont: „Wir wünschen uns, dass dieser Konflikt zwischen den Anwohnern und der Reh Bar befriedet werden kann und die beiden Parteien immer wieder ins Gespräch miteinander kommen.“

Ottensen – „Arbeitsplätze in Gefahr, Identität des Stadtteils bedroht“

Denn kleine inhabergeführte Betriebe wie die Reh Bar hätten eine lange Tradition in Ottensen und prägten das Viertel, sagt auch Katarina Blume. Sie ist Bezirksfraktionsvorsitzende der FDP in Altona, die gemeinsam mit der CDU beantragt hatte, die Sondernutzung zu verlängern.

„Damit wollen wir wirtschaftliche Härten abfedern und zur Existenzsicherung der Betriebe beitragen.“ Denn in der Branche seien nicht nur Arbeitsplätze in Gefahr, auch die Identität des Stadtteils sei bedroht.

„Wenn die Kneipe um die Ecke aufgibt, dann zieht die Systemgastronomie ein“, so Blume. Allerdings sei der Schutz von Anwohnern vor Lärm und Gerüchen gesetzlich geregelt. „Wie so oft in Deutschland haben wir hier ein Vollziehungsproblem, kein Regulierungsproblem.“ Die FDP werde sich daher in den zuständigen Ausschüssen dafür einsetzen, dass hinsichtlich der Außengastronomie ausreichende Kontrollen stattfänden und notfalls sanktioniert würden.

Ottensen: Wer dorthin ziehe, müsse sich „Grundsatzfrage“ stellen

Wer nach Ottensen zieht, müsse sich die „Grundsatzfrage“ stellen, gibt Sven Hilscher, Bezirksfraktionsvorsitzender der CDU, zu bedenken. „Will ich wirklich dort wohnen, wo Trubel ist?“ Das gelte auch für Bewohner des Schanzenviertels, wo es eine ähnliche Situation gibt. Aus seiner Sicht sei die Situation aber gerade jetzt „unproblematisch“. „Im Winter gibt es keine Partys. Und was wäre dagegen einzuwenden, wenn Menschen beim Einkaufen vor der Reh Bar einen Glühwein trinken?“

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Damit spielt er auf Sorgen von Anwohnern an, dass nach den lauten Sommermonaten jetzt ein Weihnachtsmarkt für Lärm sorgen könnte. „Unsere Unterstützung der Außengastronomie trägt zur Belebung des Viertels und zur Wirtschaftsförderung bei“, so Hielscher. Die Ottenser Hauptstraße sei eine Einkaufsstraße mit Verkehr und Huperei. „Das ist urbaner Lärm – und die Stimmen fröhlicher Menschen gehören halt dazu.“

Diese Meinung überwiegt auch in den Leserzuschriften an das Abendblatt. Sie habe bis 1989 selber in Ottensen gewohnt, „mitten in diesem schönen Stadtteil“, schreibt etwa Annette Bopp. „Damals wäre ich froh gewesen, wenn die Straßen so belebt gewesen wären wie heute.“ Außengastronomie sei seinerzeit aber „eine eher exotisch anmutende und skeptisch beäugte Ausnahme“ gewesen.