Essen. Der Chef von Thyssenkrupp Steel, Bernhard Osburg, zeigt sich offen für Gespräche mit dem tschechischen Milliardär Daniel Křetínský.
Steigt der tschechische Milliardär Daniel Křetínský bei Deutschlands größtem Stahlkonzern ein? Der Vorstandschef von Thyssenkrupp Steel, Bernhard Osburg, zeigt sich jedenfalls offen für Gespräche mit Křetínský zu diesem Thema. „Erstmal gibt es da eine Logik, die man nicht wegwischen kann“, sagte Osburg im WAZ-Podcast „Die Wirtschaftsreporter“ zu einer möglichen Zusammenarbeit mit dem Unternehmer und seiner Firmengruppe EPH.
Willkommen sei jeder Investor, der in der Lage sei, als Ankeraktionär bei Thyssenkrupp Steel „Kraft mit reinzubringen, so Unternehmenschef Osburg. Besonders gut sei es, wenn ein Investor Kompetenzen mitbringe – und zwar aus der Stahlindustrie oder, was „sicherlich der Fall beim Herrn Křetínský“ sei, aus der Energiebranche. Regenerative Energie sei „der Stoff der Zukunft der Stahlindustrie“, betont Osburg in diesem Zusammenhang.
Zur Stahlsparte von Thyssenkrupp gehören etwa 27.000 der knapp 100.000 Beschäftigten des Essener Industriekonzerns. Mit Standorten in Duisburg, Bochum, Dortmund und Südwestfalen hat die Stahlproduktion insbesondere für NRW eine große Bedeutung. Die Ende Mai ausgeschiedene Thyssenkrupp-Chefin Martina Merz hatte eine Herauslösung des Stahlgeschäfts aus dem Konzern angestrebt, aber nicht realisiert. Seit Juni führt nun der langjährige Siemens-Manager Miguel López den Essener Traditionskonzern.
Stahlsparte aus Thyssenkrupp herauslösen? „Erstmal sehr vernünftig“
Osburg präsentiert sich als Befürworter der Pläne, Thyssenkrupp Steel aus dem Gesamtkonzern herauszulösen und zu verselbstständigen. „Das ist erstmal sehr vernünftig“, sagt Osburg im Wirtschaftsreporter-Podcast. Auch alle Wettbewerber seien so aufgestellt. Da Thyssenkrupp Steel heute Teil einer Firmen-Gruppe sei, würden verständlicherweise aktuell bestimmte Entscheidungen im Konzern „nicht rein aus einer Stahl-Perspektive“ getroffen. Dies könne sich durch eine Verselbstständigung ändern. Die Aufstellung als reiner Stahlkonzern beschreibt Osburg mit dem englischen Manager-Slogan „Pure Play“: „Wir freuen uns über jeden, der in der Lage ist, unsere Position in einem Pure Play am Ende des Tages zu verstärken.“
An die Adresse von Křetínský und sein Unternehmen EPH gerichtet sagt Osburg: „Da kann natürlich ,ein strategischer Fit‘ draus werden.“ Sprich: eine Übereinstimmung der Geschäftsmodelle. Ob sich mit Křetínský etwas ergebe, würden „die weiteren Gespräche dann zeigen“.
Thyssenkrupp-Konzernbetriebsratschef Tekin Nasikkol hat Křetínský Anfang der Woche aufgefordert, „sein industrielles Konzept“ vorzustellen. „Gegen Milliardäre, die bereit sind, für den Stahl zu investieren, haben wir nichts“, sagte Nasikkol vor Journalisten in Duisburg.
Thyssenkrupp-Stahlchef: „Was wir heute tun, hat keine Zukunftsperspektive“
Im Podcast macht Thyssenkrupp-Stahlchef Osburg deutlich, wie grundlegend der Umbau sein wird, vor dem sein Unternehmen und insbesondere der Standort Duisburg steht. Es gehe um ein Werksgelände, das mit seinen zehn Quadratkilometern drei Mal so groß sei wie der Central Park in New York. Die Duisburger Hochöfen, die prägend sind für das Unternehmen, sollen verschwinden. Stattdessen will Thyssenkrupp Steel mit neuen Direktreduktionsanlagen „grünen Stahl“ erzeugen. Den konventionellen Werkstoff bezeichnet Osburg als „grauen Stahl“ – ein Produkt, das mit absehbar steigenden Kosten für den Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid massiv verteuert werde.
„Der graue Stahl wird rapide teurer werden“, sagt Osburg voraus. Denn derzeit bekomme Thyssenkrupp Steel noch etwa 80 Prozent der staatlichen CO2-Zertifikate gratis, ab dem Jahr 2032 müsse der Konzern
jedes Zertifikat bezahlen. „Das ist nicht mehr weit weg“, sagt Osburg. Thyssenkrupp Steel stößt derzeit eigenen Angaben zufolge rund 20 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) pro Jahr aus – etwa 2,5 Prozent der gesamten CO2-Emissionen in Deutschland. „Was wir heute tun, hat keine Zukunftsperspektive“, sagt Osburg ganz klar. Daher sei es unumgänglich, klimafreundliche Anlagen als Alternative für die bestehenden Hochöfen aufzubauen.
Die neue Direktreduktionsanlage soll ab Ende 2026 in Betrieb gehen – zunächst mit Erdgas, später mit Wasserstoff. Ab dem Jahr 2029 benötigt Thyssenkrupp Steel eigenen Angaben zufolge rund 143.000 Tonnen Wasserstoff pro Jahr. Das entspricht alle zwei Stunden und 365 Tage im Jahr der Füllmenge des Gasometers Oberhausen.
„Dieser Wasserstoff ist nicht da“
„Dieser Wasserstoff ist nicht da“, sagt Osburg mit Blick auf die aktuelle Lage. Deutschland sei auf Wasserstoff-Importe angewiesen – auch aus dem Mittleren Osten und Nordafrika. „Das Beste ist sicherlich eine Pipeline-Anbindung“, merkt Osburg an. Für den Transport von Wasserstoff auf einer Strecke von bis zu 5000 Kilometern sei dies „die günstigste Variante“.
Allein Thyssenkrupp Steel benötige etwa die zehnfache Menge des derzeit in ganz Europa produzierten Wasserstoffs. „Wir haben die Verantwortung, jetzt diesen Markt überhaupt aufzubauen“, betont Osburg. Auch daher bekomme sein Unternehmen rund zwei Milliarden Euro staatliche Unterstützung aus den Kassen von Bund und Land. Ende Juli hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) eine entsprechende Förderzusage in Duisburg übermittelt. Damit soll ein klimafreundlicher Ersatz für einen der vier Thyssenkrupp-Hochöfen geschaffen werden. Zwei weitere Hochöfen in Duisburg betreibt zudem noch der Stahlkonzern HKM, an dem Thyssenkrupp beteiligt ist.
„Wir haben vor, bis 2030 noch eine zweite Anlage umzustellen“, sagte Osburg im Beisein von Habeck. Die Planungen dazu laufen, wie der Thyssenkrupp-Stahlchef beim Podcast-Gespräch erklärt. Zum Konzept wolle das Management „im nächsten Jahr – voraussichtlich in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres – Klarheit schaffen“.