Berlin. Am Mittwoch wollen Firmen und Wirtschaftsverbände gegen die Standortpolitik demonstrieren. Klare Worte findet der Gesamtmetall-Präsident.

Es dürfte ein ungewöhnliches Bild werden: Am Mittwoch werden zahlreiche Firmenchefs und Vertreter von Wirtschaftsverbänden auf die Straße gehen. Auf dem sogenannten „Wirtschaftswarntag“ wollen die Wirtschaftslenker den Unmut über die derzeitige Standortpolitik kundtun. Geplant sind Kundgebungen in Berlin, Hamburg, München, Stuttgart und Lingen.

Besonders wirksam dürfte die Veranstaltung in der Hauptstadt werden: Vor dem Brandenburger Tor soll die größte Demonstration stattfinden – während keine zwei Kilometer entfernt zur selben Zeit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) den Jahreswirtschaftsbericht vorstellen und dabei aller Voraussicht nach die nächsten Hiobsbotschaften verkünden wird. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) prognostizierte am Dienstag bereits, dass die Wirtschaft in diesem Jahr erneut um 0,1 Prozent schrumpfen dürfte – es wäre das dritte Rezessionsjahr in Folge. Zuletzt war die Bundesregierung für 2025 noch von einem Wachstum von 1,1 Prozent ausgegangen.

So wollen die Parteien für mehr Wachstum in Deutschland sorgen

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    Großdemo vor dem Brandenburger Tor: Gesamtmetall-Präsident Wolf mahnt eindringlich

    „Die Standortbedingungen für die Unternehmen in Deutschland sind katastrophal: Sozialabgaben, Bürokratie, Energiekosten und Steuern belasten massiv. Wir brauchen die Wirtschaftswende sofort, wenn wir unseren Standort retten wollen“, sagte Gesamtmetall-Präsident Stefan Wolf dieser Redaktion. Gesamtmetall ist der Spitzenverband der Metall- und Elektroindustrie und vertritt als solcher rund 26.000 Betriebe und 3,9 Millionen Beschäftigte. Er ist damit einer der größten Verbände, die am Mittwoch auftreten werden.

    Insgesamt besteht das Aktionsbündnis aus knapp 100 Unternehmen und Verbänden, die vom Außenhandelsverband über das Baugewerbe und die Luftverkehrswirtschaft bis hin zur Fleischwirtschaft reichen. Organisiert wird der Aktionstag von der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), die bereits seit Wochen großflächig in mehreren deutschen Städten mit ihrer Kampagne „SOS – die deutsche Wirtschaft ist in Gefahr“ plakatiert und medial wirbt. Die INSM wird von den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektroindustrie finanziert.

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    Umfrage: 93 Prozent der Unternehmen berichten von verschlechterten Standortbedingungen

    Gesamtmetall-Chef Wolf mahnte, dass die Wirtschaft das wichtigste Thema für die politischen Parteien sein müsse – vor und nach der Bundestagswahl. Gesamtmetall hatte unter seinen Mitgliedsunternehmen eine bundesweite Umfrage zu den derzeitigen Standortbedingungen durchgeführt. 93 Prozent der befragten Unternehmer gaben an, dass sich die Standortbedingungen in den vergangenen zehn Jahren verschlechtert hätten, berichtete der Spitzenverband am Dienstag in Berlin. Mehr als jedes zweite Unternehmen schätze die eigene Lage derzeit als schlecht ein, gerade einmal sechs Prozent erwarten eine Normalisierung im laufenden Jahr.

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    Die Stiftung Familienunternehmen war unlängst zu dem Ergebnis gekommen, dass Deutschland im Standortranking unter 21 Ländern nur auf Platz 17 landet – hinter Ländern wie der Slowakei und Polen. Nun wollen auch die Familienunternehmen sich der Demonstration anschließen. „Es muss viel passieren, dass Unternehmen und Wirtschaftsorganisationen auf die Straße gehen. Die Familienunternehmen verlieren die Geduld“, sagte David Deißner, Geschäftsführer der Stiftung Familienunternehmen und Politik, dieser Redaktion. Der Standort Deutschland stehe für Bürokratie, hohe Steuern, hohe Energiepreise, hohe Arbeitskosten und abnehmende Produktivität. „Wir brauchen schnell Lösungen, wie Deutschland wieder wettbewerbsfähig wird“, forderte Deißner.