Rom. Auch in Italiens Autoindustrie herrscht Krisenstimmung. Bei E-Autos wählen die Italiener eine andere Strategie als die Deutschen.
Der Niedergang der italienischen Autoindustrie hat sich drastisch verschärft. 2024 wird als schwarzes Jahr in Italiens Motorengeschichte in Erinnerung bleiben: Die Autoproduktion brach um 46 Prozent ein und war so niedrig wie seit 1956 nicht mehr. Die Opel- und Fiat-Mutter Stellantis baute im vergangenen Jahr nur noch 475.900 Fahrzeuge in Italien, noch im Jahr davor waren es rund 300.000 mehr. Abwärts geht es auch bei Nutzfahrzeugen. In diesem Bereich kam es zu einem Produktionsrückgang von 16 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Lediglich 192.000 Nutzfahrzeuge wurden 2024 im Motorenland Italien hergestellt.
Diese Zahl lässt sich sicherlich durch die Schwierigkeiten auf dem italienischen und europäischen Markt erklären. Im Jahr 2024 gingen die Zulassungen in Italien jedoch nur um 0,5 Prozent zurück, während sich die Aktivität der Stellantis-Werke fast halbierte, was zu Entlassungen und vorzeitigen Schließungen der Werke über die Feiertage von etwa 20.000 Beschäftigten führte. Der Produktionsrückgang ist also auch auf andere Faktoren zurückzuführen, darunter das Fehlen von Low-Cost-Modellen. Die Verlangsamung des Übergangs zur Elektromobilität führte außerdem zu einem Rückgang der Produktion des Modells Elektro-500 um zwei Drittel und brachte die Arbeit im Turiner Mirafiori-Werk von Stellantis weitgehend zum Erliegen.
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Stellantis ist der mit Abstand wichtigste Autobauer in Italien und betreibt dort fünf Werke, in denen unter anderem Fahrzeuge der Marken Fiat, Maserati, Alfa Romeo oder Lancia vom Band laufen. Besonders schlecht lief es nach Gewerkschaftsangaben im vergangenen Jahr im Hauptwerk in Mirafiori in Turin, wo die Produktion um 70 Prozent schrumpfte. Nur das Maserati-Werk in Modena verzeichnete mit minus 79 Prozent einen noch stärkeren Einbruch.
Strategie von zurückgetretenem Stellanti-Chef ging auf lange Sicht nicht auf
Der Rückgang lässt sich unter anderem durch die Entscheidungen des zurückgetretenen Stellantis-Chefs, Carlos Tavares, erklären, der die Produktionsmengen auf ein Minimum reduzierte und jeden Anstieg der Nachfrage für Preiserhöhungen nutzte. Diese Strategie funktionierte jahrelang und verhalf dem Unternehmen zu Rekordgewinnspannen und Rekorddividenden für die Aktionäre. Auf lange Sicht machten jedoch das Fehlen eines wettbewerbsfähigen Sortiments und übermäßige Preiserhöhungen, insbesondere in den USA, dem Konzern zu schaffen und veranlassten die Aktionäre des Unternehmens, Tavares vor Ablauf seiner Amtszeit als CEO im Jahr 2026 zum Rücktritt zu zwingen.
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Die Führung Stellantis‘ liegt nun in den Händen des Interimspräsidenten John Elkann, der versucht, die durch Tavares‘ Stil und Entscheidungen zerrütteten Beziehungen zur Regierung in Rom und zu den Gewerkschaften zu verbessern. Stellantis hat für 2025 einen 2-Milliarden-Euro-Investitionsplan in Italien angekündigt, mit dem Ziel, die Produktion im Land auf eine Million Fahrzeuge zu erhöhen, sofern der Markt dies rechtfertigt. In der Zwischenzeit rechnet Europa-Chef Jean-Philippe Imparato jedoch mit einem weiteren schwarzen Jahr für die Werke, nach dem aber 2026 dank der neuen Modelle eine Besserung eintreten dürfte.
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Anders sieht die Lage im Luxussegment aus, das keine Krise kennt. Ferrari hat das dritte Quartal mit einem Umsatzwachstum von 6,5 Prozent auf 1,6 Milliarden Euro abgeschlossen. Der Nettogewinn stieg um 13 Prozent auf 375 Millionen Euro. Der Autobauer aus Maranello bestätigte zudem die Prognose für das Gesamtjahr 2024 mit einem Nettoumsatz von über 6,4 Milliarden Euro. 2023 waren es noch 6 Milliarden Euro gewesen. Die positiven Resultate sind unter anderem der ständigen Innovation der Fahrzeuge, sowie dem kürzlich vorgestellten Sportwagen F80 zu verdanken, betonte CEO Benedetto Vigna.
Umsatzwachstum im Luxussegment: Keine Krise spürbar bei Ferrari und Lamborghini
Der Hauptkonkurrent Ferraris, der Autobauer Lamborghini, kann sich ebenfalls nicht über das Jahr 2024 beschweren. In den ersten drei Quartalen 2024 verzeichnete der zur Volkswagen-Gruppe gehörende Konzern das beste Ergebnis aller Zeiten in Bezug auf Produktion, Umsatz und Betriebsergebnis. Insgesamt wurden 8.411 Fahrzeuge abgesetzt (+8,6 Prozent im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2023), die dem Konzern einen Umsatz von 2.434 Millionen Euro (+20,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr) und ein Betriebsergebnis von 678 Millionen Euro (+9,8 Prozent im Vergleich zu 2023) bescherten.
Auch Lamborghini hat jedoch mit der ungewissen Zukunft des Automarkts zu kämpfen. So verschiebt das Unternehmen den Marktstart seines ersten Elektro-Modells auf 2029. Lamborghini-Chef Stephan Winkelmann sagte, der Konzern habe es nicht eilig, die Elektrifizierung voranzutreiben.
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Italiens Autoindustrie teilt mit Deutschland viele Herausforderungen, doch die Unterschiede in der Wirtschaftsstruktur und politischen Unterstützung führen zu verschiedenen Strategien im Umgang mit der Krise. Deutschland hat durch seine Exportorientierung einen Vorteil, während Italien durch seine Spezialisierung auf Nischenmärkte, vor allem in der Luxusbranche, möglicherweise flexibler agieren kann. In beiden Ländern steht ein erheblicher Teil der Arbeitsplätze in der Autoindustrie und bei Zulieferern auf dem Spiel.
Deutschland treibt die Elektrifizierung aggressiver voran, während Italien stärker auf Hybride setzt, da diese kurzfristig weniger disruptiv für den Markt sind. Beide Länder importieren einen Großteil ihrer Rohstoffe, jedoch ist Deutschland in der Zulieferindustrie besser diversifiziert.
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