Stockholm. Ermittler schließen ihre Untersuchungen an den Bruchstellen im Meer ab. Derweil hat Polens Regierungschef Donald Tusk eine kühne Idee.
Zwei wichtige Datenkabel in den Tiefen der Ostsee weisen unabhängig voneinander innerhalb kürzester Zeit massive Schäden auf. In beiden Fällen hielt sich ausgerechnet zum jeweiligen Zeitpunkt ein Frachter aus China an den Bruchstellen auf. Das 2001 gebaute Schiff hatte unmittelbar zuvor einen russischen Hafen passiert. Kann das noch Zufall sein?
Die Ermittler der Ostsee-Anrainerstaaten glauben, dass es sich um Sabotage handelt. Ihr Verdacht: Das Schiff hat seinen Anker in internationalen Gewässern mehr als einhundert Seemeilen über den Meeresbogen der Ostsee gezogen, um so die Kabel zu durchtrennen. Dies berichtete das „Wall Street Journal“ am Mittwoch.
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Immer mehr Ostsee-Anrainer vermuten Sabotage
Erstmals äußert sich nun der polnische Ministerpräsident Donald Tusk zu den mysteriösen Vorfällen und bleibt zunächst diplomatisch. „Ich bin nicht hier, um zu beurteilen, wer für diese Tat verantwortlich ist“, sagte Tusk bei einem Treffen nordisch-baltischer Regierungschefs in Schweden auf die Frage, ob Russland dafür verantwortlich sein könnte. Zurückhaltend.
Dann erlaubt er sich doch etwas mehr Offenheit: „Meine private Meinung ist – aber es ist meine private Meinung – dass wenn etwas wie Sabotage aussieht, dann ist es Sabotage.“
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Der polnische Regierungschef schließt sich also der Sichtweise anderer Ostsee-Staaten an. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte in dem Fall bereits von Sabotage gesprochen. Schweden, Finnland und Litauen richteten sogleich eine gemeinsame Ermittlungsgruppe ein.
Mutmaßungen, es könne sich um einen Sabotageakt im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine handeln, wies der Kreml als „lächerlich“ und „absurd“ zurück.
Untersuchung der Bruchstellen in der Ostsee abgeschlossen
Ob die Kabel wirklich vorsätzlich beschädigt wurden, soll nun eine Analyse des an den Bruchstellen gesammelten Materials klären. Die Tatortuntersuchungen in der Ostsee seien inzwischen abgeschlossen, wie beteiligte Behörden aus Schweden und Finnland am Mittwoch mitteilten.
Weiterhin können nicht ausgeschlossen werden, dass die Kommunikationskabel absichtlich beschädigt wurden. Daher werde der Tatbestand nach wie vor als Sabotage eingestuft, hieß es von der schwedischen Polizei. Daran könne sich jedoch weiterhin etwas ändern.
Wo die beschädigten Kabel in der Ostsee verlaufen
Die Defekte waren vor knapp anderthalb Wochen binnen 24 Stunden aufgefallen. Zunächst hatte der Betreiber Cinia einen Schaden an dem Unterseekabel C-Lion1 festgestellt, das zwischen der finnischen Hauptstadt Helsinki und Rostock verläuft. Seitdem ist die Kommunikation über die Leitung unterbrochen.
Kurz darauf wurde bekannt, dass keine 24 Stunden zuvor auch das Kabel Arelion zwischen der schwedischen Insel Gotland und Litauen beschädigt wurde. Beide Fälle ereigneten sich in der Ausschließlichen Wirtschaftszone Schwedens, die Ursache für sie ist bislang ungeklärt.
Die „Yi Peng 3“ ankert in internationalen Gewässern
Besonderes Interesse weckte die „Yi Peng 3“ im Besitz der chinesischen Firma Ningbo Yipeng Shipping. Doch auf Kooperation hoffen die Ermittler bislang vergeblich. Derzeit ankert das Schiff im Kattegat zwischen Dänemark und Schweden – also in internationalen Gewässern. Solange es an seinem derzeitigen Standort verbleibt, können die Behörden es nicht zur Fahrt in einen Hafen zwingen. Auch an einer Weiterfahrt kann die Besatzung nicht gehindert werden.
Schweden hatte daher zuletzt Kontakt mit der Besatzung aufgenommen und „dargelegt, dass wir möchten, dass sich das Schiff in schwedische Gewässer bewegt“, wie Ministerpräsident Ulf Kristersson am Dienstag in Stockholm sagte. Darin liege kein Vorwurf, sondern der Wunsch nach einer Zusammenarbeit bei der Aufklärung der Vorfälle. „Damit wir verstehen, was passiert ist“, betonte Kristersson. Reaktionen von der „Yi Peng 3“ und aus Peking blieben aus.
Nato-Schiffe überwachen verdächtigen Frachter aus China
Das Ringen um den verdächtigen Frachter spielt sich nicht nur auf diplomatischer Ebene ab, sondern auch auf dem tosenden Meer. Patrouillenschiffe mehrerer Nato-Staaten befinden sich Trackingdiensten zufolge seit Tagen in der Nähe seines Ankerplatzes und überwachen die „Yi Peng 3“ genau. Das verdächtige Schiff aus Fernost ist umzingelt.
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Ein Bild, an das Europäer sich gewöhnen müssen? Nach Meinung von Donald Tusk wäre eine gemeinsame Überwachung der Ostsee durch die Marine der westlichen Anrainerstaaten in der Zukunft sinnvoll. Für den Luftraum über der Ostsee gebe es bereits das „Baltic Air Policing“, sagte Tusk.
„Ich werde unsere Partner von der Notwendigkeit überzeugen, für die Kontrolle und Sicherung der Ostsee-Gewässer sofort eine analoge Formel zu schaffen, eine Marine-Überwachung“, so Tusk. Dies solle ein gemeinsames Unterfangen aller Staaten sein, die sich von Russland bedroht fühlten.