Essen. Haus & Grund-Präsident Kai Warnecke kritisiert Hängepartie bei Grundsteuer-Reform und Heizungsgesetz. Was er Eigentümern dringend rät.
Am 1. Januar 2025 tritt die umstrittene Grundsteuer-Reform in Kraft. Doch nur die Hälfte der rund vier Millionen privaten Vermieter in Deutschland haben nach einer Erhebung des Eigentümerverbands Haus & Grund bislang einen Grundsteuer-Bescheid erhalten. Im Interview spricht Präsident Kai Warnecke von „Staatsversagen“ und kritisiert die NRW-Landesregierung. Warnecke warnt zudem vor einer Hängepartie bei Fördergeldern für neue Heizungen.
Herr Warnecke, in wenigen Wochen soll die neue Grundsteuer in Kraft treten. Ist denn aus Eigentümer-Sicht inzwischen alles geregelt?
Kai Warnecke: Das ist das emotionalste Thema, das unsere 936.000 Mitglieder gerade umtreibt. Es ist so gut wie gar nichts geregelt. Die Hauseigentümer sollten ihre Grundsteuer-Bescheide entweder längst haben, oder zumindest sollten sie in diesen Wochen eintreffen. Es fehlen aber noch immer Daten der Finanzverwaltung und die Beschlüsse vieler Stadträte, die den Hebesatz der Grundsteuer festsetzen. Das ist ungeheuerlich und ein echtes Staatsversagen. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, die Grundsteuer zu überarbeiten, liegt schließlich fünf Jahre zurück.
Hat Haus & Grund einen Überblick, wie weit die Grundsteuer-Reform gediehen ist?
Warnecke: Wir haben eine Umfrage gemacht. Danach haben rund die Hälfte der Städte in Deutschland noch keinen neuen Hebesatz festgelegt. In 25 Prozent der Kommunen steigt der Hebesatz, in 16 Prozent sinkt er. In sieben Prozent bleibt er gleich.
Was bedeutet das für einzelne Eigentümer?
Warnecke: In Berlin müssen sie im Durchschnitt 75 Prozent mehr bezahlen. Das können unter dem Strich mehr als 1000 Euro pro Jahr sein. Die Bandbreite geht von minus 60 Prozent bis zu plus 550 Prozent. Damit kommen wir aber zu Summen, die nicht wenige Eigentümer einfach nicht mehr bezahlen können. Deshalb gibt es bundesweit auch schon drei Millionen Einsprüche gegen die Neufestsetzung der Grundsteuer. In der hohen Zahl sieht man, welche Emotionen das Thema ausgelöst hat.
„Wir schlagen vor, dass die Finanzämter die Zahlungsbescheide für die Grundsteuer direkt den Mietern zuschicken.“
Läuft es in Nordrhein-Westfalen besser?
Warnecke: Leider nein. Ich habe nie verstanden, warum die in NRW regierende CDU am Bundesmodell festhält und nicht auf ein eigenes Gesetz umgestiegen ist. Bayern und Niedersachsen etwa fahren damit sehr viel besser.
Haus & Grund selbst hat einige Klagen gegen die Grundsteuerreform eingereicht. Wann erwarten Sie die Urteile?
Warnecke: Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs erwarten wir im ersten Quartal 2025. Danach hat vermutlich das Bundesverfassungsgericht das Wort. Klarheit erwarten wir deshalb erst im Laufe des nächsten Jahres. Sollte das höchste deutsche Gericht die Grundsteuerreform kippen, wird es vermutlich keine Übergangsfrist geben. Die Länder sollten deshalb einen Plan B in der Schublade haben.
Angesichts immer weiter steigender Nebenkosten wird in der Politik der Ruf laut, die Umlage der Grundsteuer auf Mieterinnen und Mieter zu untersagen. Ist das realistisch?
Warnecke: Nein. Mit den Einnahmen aus der Grundsteuer werden Schulen, Gehwege, der Winterdienst und Büchereien finanziert. Diese Leistungen sind von allen Bürgerinnen und Bürgern zu bezahlen – egal ob sie Eigentümerinnen oder Mieter sind. Wir schlagen stattdessen vor, dass die Finanzämter die Zahlungsbescheide für die Grundsteuer direkt den Mietern zuschicken.
Nach dem Bruch der Ampel-Koalition ist unklar, wie es mit dem Heizungsgesetz weitergeht. Was raten Sie?
Warnecke: Wer Fördermittel für eine neue Heizung oder energetische Modernisierungsmaßnahmen in Anspruch nehmen will, sollte zügig den Antrag stellen. Denn es besteht das Risiko, dass ohne beschlossenen Bundeshaushalt für 2025 nicht ausreichend Fördermittel zur Verfügung stehen.
Ohnehin läuft ja noch die kommunale Wärmeplanung. Große Städte haben bis Mitte 2026 und kleinere sogar bis Mitte 2028 Zeit, Klarheit zu schaffen, wer künftig an das Fernwärmenetz angeschlossen werden kann.
Warnecke: Deshalb empfehlen wir Hauseigentümern, vorher keine großen Investitionsentscheidungen zu treffen. Es sei denn, die Heizung ist kaputt und muss sofort erneuert werden. Im übrigen ist es ungeheuerlich, dass einzelne Stadtwerke planen, in zehn Jahren ihre Erdgasnetze abzuschalten. Die Energieversorgung ist kommunale Daseinsvorsorge. Erst muss der Ersatz feststehen, dann kann man über das Abschalten reden. Alles andere wäre eine Bankrott-Erklärung des Staates. Wir werden Gas noch eine Weile zum Heizen brauchen.
Was sollte die künftige Bundesregierung aus Ihrer Sicht auf jeden Fall ändern?
Warnecke: Das Heizungsgesetz sollte ausgesetzt werden, bis die kommunalen Wärmeplanungen abgeschlossen sind und wir verbindlich wissen, in welchen Straßenzügen Fernwärme vorhanden sein wird. Und bei der energetischen Sanierung sollte der Bund im Auge behalten, dass 96 Prozent der Gebäude in Deutschland Privatleuten gehören, die sich teure Standards schlichtweg nicht leisten können. Bei den großen Konzernen wie Vonovia, LEG oder Vivawest mag das einfacher sein. Sie stehen aber nur für einen Bruchteil der Wohnungen.
Ob der geplante Gebäudetyp E, der schnelleres und kostengünstigeres Bauen ermöglicht, nach dem Aus der Ampel kommt, steht in den Sternen. Wie kann der Neubau dennoch angekurbelt werden?
Warnecke: Der Bund sollte die Kommunen verpflichten, mehr Bauland auszuweisen. Das ist die Grundvoraussetzung für neue Projekte. Und dann müssen natürlich die Baukosten runter. Das kann man erreichen, indem man unsinnige DIN-Normen überarbeitet und der Bund zinsgünstige Darlehen für Bauherren zur Verfügung stellt.
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