Düsseldorf. Ein neues Gutachten nährt Zweifel, ob NRW unterschiedliche Hebesätze einführen darf. Private Eigentümer könnten die Verlierer sein.
Ist die in NRW geplante Hebesatz-Differenzierung für Wohnen und Gewerbe verfassungsfest? Ein neues Gutachten, das der Städtetag NRW bei zwei Professoren für Steuerrecht in Auftrag gegeben hat, nährt Zweifel daran.
Gutachten und Gegengutachten -- Wem ist jetzt zu glauben?
„Das Gutachten bestätigt die Kritik, die wir von vornherein an differenzierten Hebesätzen für Wohn- und Geschäftsgrundstücke hatten. Dieses Modell der Landesregierung ist für die Städte und damit auch für die Bürgerinnen und Bürger hochriskant“, teilte Bochums Oberbürgermeister und Städtetag-NRW-Chef Thomas Eiskirch (SPD) am Mittwoch mit.
Die Einschätzung durch die Professoren Steffen Lampert (Osnabrück) und Lars Hummel (Hamburg) ist praktisch ein Gegengutachten zu einem, das das NRW-Finanzministerium Anfang September veröffentlichte. Damals sagte Winfried Bernhard, Steuerexperte des Finanzministeriums, bei der Präsentation des von renommierten Staatsrechtlern verfassten Gutachtens: „Die mediale Sorge, dass das alles juristisch wackelig wäre, ist eigentlich unberechtigt.“
Das neue Gutachten kommt zu dem Schluss, dass Betroffene gute Chancen hätten, vor Gericht gegen die unterschiedlichen Hebesätze zu klagen. Den Städten drohten hohe Steuerausfälle. Das Grundsteuergesetz des Bundes sehe eine gleichmäßige Besteuerung von Gewerbe- und Wohnimmobilien vor. Von diesem Ziel könne ein Land nicht einfach mit einem eigenen Gesetz abrücken, so die Fachleute.
Sind die gesplitteten Hebesätze ein Fehler? Andere Länder gehen andere Wege
Der Städtetag sieht sich durch das Gutachten bestätigt und fordert die schwarz-grüne Landesregierung zur Kurskorrektur auf. „Das Land hätte längst problemlos dafür sorgen können, dass Wohngrundstücke durch die Grundsteuerreform nicht übermäßig belastet werden, indem es schlicht und einfach landesweit die Messzahlen anpasst.“ Sachsen, das Saarland und Berlin hätten es so gemacht, NRW müsse nachziehen. Für 2025 sei es aber nun schon „zu spät“.
Wichtige Geldquelle für die Städte
Die Grundsteuer ist eine der wichtigsten Einnahmequellen der Städte. Sie finanzieren damit zum Beispiel Kinderbetreuung, Schulen, den öffentlichen Nahverkehr, Kultur und Vereine. In NRW geht es um rund vier Milliarden Euro im Jahr. 6,5 Millionen Grundstücke müssen hier steuerlich neu berechnet werden.
Die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Grundsteuerreform, die ab 2025 erstmals zum Tragen kommt, belastet in NRW die Wohngrundstücke deutlich stärker als Geschäftsgrundstücke. Das Land NRW hat den Städten daher die Möglichkeit gegeben, die Hebesätze der Grundsteuer für Wohn- und Geschäftsgrundstücke zu differenzieren. Besitzer von Wohnimmobilien hätten davon einen Vorteil, Eigentümer von Gewerbeimmobilien wären benachteiligt. Ob das „verfassungsfest“ ist, bleibt angesichts des neuen Gutachtens umstritten.
Die Kommunalen Spitzenverbänden kritisieren, dass das Land NRW ihnen das Problem regelrecht vor die Tür gekippt habe. Die Stadträte müssen in Kürze über die Grundsteuer entscheiden. Nicht nur die Politik vor Ort ist verunsichert. Die umstrittene Grundsteuerreform beschert auch den Eigentümerinnen und Eigentümern viel Ärger.
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