Essen. Seit dem Ausstieg der Städte läuft es, sagt Steag-Chef Reichel. Warum er trotzdem Jobs abbaut und wo er neue Kraftwerke plant.
Es ist ruhiger geworden um die Steag, seit die sechs beteiligten Ruhrgebietsstädte den Essener Energiekonzern an den spanischen Investor Asterion verkauft haben. Steag-Chef Andreas Reichel ist das spürbar recht nach den vielen Krisenjahren, die vom Dauerstreit unter den Kommunen geprägt waren. Die aktuell gute Entwicklung wäre mit den alten Eigentümern nicht möglich gewesen, sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Dennoch kündigte er einen Stellenabbau an, um die Verwaltung zu verschlanken. Mittelfristig wolle man „neue, grüne Arbeitsplätze schaffen“, hatte Asterion beim Kauf versprochen. Was sich geändert hat unter den Spaniern, wo er neue Gaskraftwerke bauen will und warum er hofft, dass das Kraftwerkssicherheitsgesetz noch unter dem Kanzler Olaf Scholz (SPD) verabschiedet wird, sagt Reichel im Interview.
Die Stadtwerke sind ausgestiegen, seit Anfang des Jahres gehört die Steag dem spanischen Finanzinvestor Asterion. Was hat sich dadurch bei der Steag verändert?
Andreas Reichel: Wir sind jetzt ein anderes Unternehmen. Die neue Realität ist: Ständige Veränderungen sehen wir als Selbstverständlichkeit. Unser neuer Eigentümer ist fordernd – und das treibt uns an. Gemeinsam haben wir viel vor.
War das unter ihren früheren Eigentümern – sechs Stadtwerke aus dem Ruhrgebiet – anders?
Reichel: Lassen Sie es mich so formulieren: Wir haben jetzt einen Eigentümer und müssen uns nicht mit unterschiedlichen Interessen einzelner Anteilseigner beschäftigen. Das bedeutet auch: Die Schlagzahl, mit der wir unsere Unternehmensziele verfolgen können, ist rasant gestiegen. Unser Eigentümer treibt europaweit die strategische Entwicklung des in der Iqony gebündelten grünen Bereichs voran.
Manche Stadtwerke-Manager haben selbst eingeräumt, schlechte Eigentümer für die Steag gewesen zu sein. Läuft es jetzt besser?
Reichel: Definitiv ja. Die Notwendigkeit, sich ständig zu verbessern und zu wachsen, war und ist da. Asterion unterstützt uns dabei, das erforderliche Geld für unsere Wachstumsprojekte aufzubringen. Aber natürlich müssen sich diese Investitionen rechnen. Mit den alten Eigentümern wäre das nicht vorstellbar gewesen. Ihr Interesse war vor allem eine sichere Rendite, Asterion legt dagegen großen Wert darauf, dass wir uns weiterentwickeln und unseren Unternehmenswert steigern.
Ist mit dem Einstieg von Asterion auch ein Umbau des Konzerns verbunden?
Reichel: Wir haben drei Bereiche identifiziert, in denen wir wachsen wollen: Erneuerbare Energien, Fernwärme und Geschäfte mit Industriekundenlösungen. Damit meinen wir beispielsweise individuelle Konzepte für Auftraggeber, die Energie einsparen oder nachhaltiger wirtschaften wollen. Hinzu kommen große Energieanlagen, beispielsweise wasserstofffähige Gaskraftwerke oder Batterie- und Wärmespeicher, an unseren bestehenden Standorten. Klar ist: Wir konzentrieren uns auf Europa. Bis zum Jahr 2040 wollen wir klimaneutral sein. Darauf richten wir unsere Geschäfte konsequent aus.
Vor der Übernahme ist die Steag aufgeteilt worden in zwei Unternehmen: Steag Power mit dem Kraftwerksgeschäft und Iqony insbesondere mit den erneuerbaren Energien. Bleibt das so?
Reichel: Die Zweiteilung des Unternehmens war der richtige Schritt, um unsere Zukunftsfähigkeit zu sichern. Beide Teilkonzerne bleiben zwar, aber wir haben eine gemeinsame Dachgesellschaft mit der Marke „Steag Iqony Group“. Dass wir nun das Unternehmen unter einem gemeinsamen Dach weiterentwickeln können, ermöglicht organisatorische Verbesserungen. Ein Beispiel: Zuletzt hatten für Steag Power und Iqony getrennte Steuerungs- und Unterstützungsfunktionen, etwa den Personalbereich. Hier bündeln wir die Bereiche und Aufgaben. Das sorgt auch für eine Vereinfachung.
Heißt übersetzt: Sie bauen Stellen ab?
Reichel: Es wird unvermeidbar sein, unsere Verwaltung in Essen zu verkleinern. Hierzu gehen wir in Gespräche mit unseren Arbeitnehmervertretern. Unser Ziel ist eine einvernehmliche Lösung. Klar ist: Essen wird ein starker Verwaltungsstandort bleiben.
Derzeit haben Sie insgesamt rund 5.500 Arbeitsplätze, davon etwa 3.000 in Deutschland und rund 900 in Essen. Wie viele fallen weg?
Reichel: Das können wir jetzt noch nicht im Detail beziffern. Den Gesprächen mit den Arbeitnehmervertretern möchte ich nicht vorgreifen.
Steigt der Druck auch, weil die Großhandelsstrompreise nach dem Höhepunkt der Energiekrise gefallen sind? Wie laufen die Geschäfte der Steag?
Reichel: Unsere Geschäftszahlen sind in Summe gut, aber die Ausnahmejahre sind vorbei. 2022 und 2023 haben wir aufgrund einer Ausnahmesituation glänzende Ergebnisse erzielt, die allerdings nicht in unserem Unternehmen verblieben sind, da sie Teil des Kaufpreises an die alten Eigentümer waren. Jetzt sind wir wieder im Normal-Modus, auch in hartem Wettbewerb. Wir arbeiten intensiv daran, unsere anspruchsvollen Ziele zu erreichen.
Welche Rolle spielen die Steag-Kohlekraftwerke, zwei an den Standorten im Ruhrgebiet (Bergkamen, Herne) und drei im Saarland (Weiher, Bexbach, Völklingen), die von der Bundesnetzagentur als „systemrelevant“ eingestuft sind, weil sie für die Energieversorgung benötigt und daher nicht stillgelegt werden dürfen?
Reichel: Systemrelevante Kohlekraftwerke bereitzustellen, ist für uns kein Geschäftsmodell, denn wir verdienen mit diesen Anlagen kein Geld. Eine Rendite ist nicht vorgesehen, lediglich eine Kostenerstattung. Das ist ein unhaltbarer Zustand, gegen den wir uns gerichtlich wehren.
Fordern Sie Schadenersatz?
Reichel: Wir fordern eine angemessene Rendite für die Aufgabe, die wir übernehmen. Dass wir vorübergehend ein Kraftwerk betreiben, ohne damit Gewinn machen zu können, wäre vielleicht noch nachvollziehbar. Aber wir reden hier nicht über kurzfristige Modelle, sondern praktisch über einen Dauerzustand. Mehrere Kraftwerke im Saarland werden nach Einschätzung der Bundesnetzagentur noch bis zum Jahr 2031 gebraucht, um jederzeit für eine sichere Energieversorgung sorgen zu können.
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Ihre Kohlekraftwerksstandorte wollen Sie zum Teil auf Gas und später auf Wasserstoff umstellen. Wie kommen Sie voran?
Reichel: An unserem Kraftwerksstandort Herne haben wir 2022 bereits bewiesen, dass uns der Umstieg von Kohle auf Gas gelingen kann. Wir wollen weitere wasserstofffähige Gaskraftwerke bauen, wenn klar ist, dass sich der Betrieb rechnet. Jetzt ist der Bundestag gefragt, entsprechende Regeln im Kraftwerkssicherheitsgesetz zu beschließen. Wir müssen abwarten, wie sich das Aus der Ampel-Koalition auf den laufenden Prozess auswirkt. Klar ist: Die Notwendigkeit zum Handeln ist dringlich. Wir brauchen sichere Kraftwerkskapazitäten, um Schwankungen aus Wind- und Sonnenenergie auszugleichen. Unsere Erwartung wäre insofern, dass auch das Kraftwerkssicherheitsgesetz zu den Vorhaben gehört, die der Bundeskanzler in den kommenden Wochen noch zum Abschluss bringen will.
Gibt es schon Pläne für weitere Gaskraftwerke im Ruhrgebiet?
Reichel: Mit unseren Planungen für den Neubau eines Gaskraftwerks in Bergkamen, das perspektivisch auf Wasserstoff umgerüstet werden kann, sind wir schon sehr weit. Es gibt freie Flächen auf dem bestehenden Kraftwerksgelände. Hier haben wir bereits losgelegt und sind auch finanziell in Vorleistung getreten. Die Planungen laufen und die Öffentlichkeit ist informiert und beteiligt.
Gibt es auch Alternativen zu einem Neubau?
Reichel: Wir erwägen, unser erst 2013 in Betrieb gegangenes hochmodernes Kohlekraftwerk in Duisburg-Walsum auf Gas umzurüsten – auch mit der späteren Option Wasserstoff. Hierfür wären nur rund 20 Prozent der Kosten eines Neubaus erforderlich und es ginge auch deutlich schneller als ein Neubau, eine solche Anlage wäre lediglich etwas weniger effizient. Doch auch für ein solches Projekt benötigen wir Rückenwind durch das geplante Kraftwerkssicherheitsgesetz.
Könnte ein Umbau in Walsum Vorbild für weitere Steag-Standorte sein?
Reichel: Ja, auch andere Standorte betrachten wir für eine mögliche Umrüstung. Hier befinden wir uns bei unseren Überlegungen aber noch am Anfang.
Bald ist 2025. Ist ein Ausstieg aus der Kohleverstromung im Jahr 2030 noch zu schaffen?
Reichel: 2030 – das ist, salopp gesagt, sehr sportlich. Es muss viel zusammenkommen und jetzt schnell gehen, um dieses Ziel noch zu erreichen. Wir haben jedenfalls keine Zeit zu verlieren. Das gilt für die Gesellschaft, aber auch für uns als Unternehmen. Auch unsere Eigentümer sind zu Recht ungeduldig.
Zu den Plänen Ihres Unternehmens gehört auch der Bau eines Elektrolyseurs zur Wasserstoff-Produktion am Stahlstandort Duisburg in Nachbarschaft zu Thyssenkrupp. Das Vorhaben ist schon vor Jahren angekündigt worden, aber weit entfernt von einer Realisierung. Wo hakt es?
Reichel: Wir können ein solches Großprojekt nur umsetzen, wenn klar ist, dass es betriebswirtschaftlich tragfähig ist. Dazu gehört auch, dass wir sicher sein können, Abnehmer für den Wasserstoff zu haben. Aus technischer Sicht könnten wir sofort starten. Aber für eine konkrete Investitionsentscheidung müssen verschiedene Dinge zusammenkommen.
Der verstaatlichte Düsseldorfer Energiekonzern Uniper stellt sein Fernwärme-Geschäft für rund 160.000 Haushalte im Ruhrgebiet zum Verkauf. Erwägen Sie einen Kauf?
Reichel: Wir sind schon jetzt einer der größten Anbieter von Fernwärme in Deutschland. Ohne dass ich mich konkret zum Thema Uniper äußere: Unser erklärtes Ziel ist, unser Fernwärme-Geschäft auszubauen. Grundsätzlich beobachten wir daher den Markt und wenn sich Chancen bieten, werden wir diese nutzen. Ein Beispiel, wie wir uns bei der Fernwärme weiterentwickeln können, ist derzeit in Gelsenkirchen-Schalke zu beobachten. Dort bauen wir einen großen Wärmespeicher – eine Art riesige Thermoskanne für rund 30 Millionen Liter warmes Wasser. Ähnliche Pläne haben wir auch für einen Standort im Essener Norden.
Frage: Ihr Fernwärmenetz und das von Uniper liegen nebeneinander, in Gelsenkirchen teilen sich Steag und Uniper die Stadt. Da liegt es doch sehr nahe, dass Sie übernehmen, was Uniper verkaufen muss, oder?
Reichel: Wie gesagt: Zu laufenden Verfahren wie diesem möchte ich mich grundsätzlich nicht äußern.
Ist die Steag jetzt eigentlich ein spanisches Unternehmen? Wird auf den Fluren der Zentrale in Essen verstärkt Spanisch gesprochen?
Reichel: Unser Unternehmen hat jetzt spanische Eigentümer. Aber wir sind und bleiben ein deutsches Unternehmen mit Essen als Firmensitz. Auch unsere Firmensprache bleibt Deutsch. Wenn wir mit unseren internationalen Kollegen am Tisch sitzen, sprechen wir meist Englisch.
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