Frankfurt am Main. Die Zahl der von Deutschland aus direkt erreichbaren Flugziele sinkt. Aus Airline-Sicht ist das nachvollziehbar, für deutsche Kunden wird es teurer.

Der Streit über hohe Kosten an deutschen Flughäfen droht vor allem für Passagiere und regionale Flughäfen teuer zu werden. Branchenkenner erwarten steigende Ticketpreise, sollten Fluggesellschaften, wie angekündigt, Verbindungen streichen. Außerdem werden sich Fluggäste nach Branchenprognosen darauf einstellen müssen, öfter umzusteigen und weitere Wege zum nächstmöglichen Abflughafen zurückzulegen.

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Mit Ryanair, Condor und Eurowings hatten innerhalb weniger Tage gleich drei namhafte Airlines angekündigt, ihre Präsenz an deutschen Flughäfen zu reduzieren. Ryanair erklärte, jeden zehnten Flug von und nach Deutschland aus dem Angebot zu nehmen. Auch die Lufthansa-Tochter Eurowings streicht Flüge – über 1000 pro Jahr allein in Hamburg. Lufthansa-Chef Carsten Spohr warnt öffentlich vor weiteren Einschnitten.

Fliegen in Deutschland: Was das Abheben mit dem Flugzeug hier so teuer macht

Stein des Anstoßes ist zunächst die je nach Reiseziel um bis zu ein Fünftel erhöhte Luftverkehrsteuer. Aber auch steigende Gebühren für Flugsicherung und Gepäckkontrolle machen das Fliegen teurer. Dazu kommen Start- und Landegebühren sowie Umweltauflagen. Neben dem bestehenden Emissionshandel schlagen etwa schärfere Beimischungsvorschriften für nachhaltig produziertes Kerosin (SAF) zu Buche. Diese Kosten seien in Deutschland deutlich höher als im Ausland, argumentieren die Branchenverbände und sehen die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Flughäfen in Gefahr.

Deutschland zu teuer: Ryanair streicht drei Flughäfen aus Flugplan

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    Jetzt lassen die Airline-Manager die Muskeln spielen. Strategisch hätten sich die Fluglinien von einzelnen Standorten längst unabhängiger gemacht, erklärt der Unternehmensberater Cord Schellenberg: „Während Fluggesellschaften bis vor einigen Jahren neue Verbindungen langfristig ankündigten und eingeführte Strecken möglichst stabil hielten, ist das Bild heute ein ganz anderes“, sagt er: „Verbindungen werden im Rahmen einer wirtschaftlichen Betrachtung eingeführt, beibehalten, aufgestockt oder fallen weg.“

    Deutschland abgehängt? Zahl der erreichbaren Ziele mit dem Flieger geht zurück

    Insbesondere die in ganz Europa aktiven Gesellschaften wie Ryanair, Easyjet oder Wizzair verglichen unter Kostengesichtspunkten Flugverbindungen auf dem gesamten Kontinent miteinander. Flugzeuge und Besatzungen würden in einem Land abgezogen und in einem anderen stationiert, sagt er.

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    Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) stellt fest, dass die Zahl der von Deutschland direkt erreichbaren Ziele sinkt. Viele Strecken werden nur noch von einem Anbieter geflogen. Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) registriert für Inlandsflüge, die nicht als Zubringer an die Drehkreuze Frankfurt oder München gehen, inzwischen nur noch ein Viertel der Sitzkapazitäten, die vor der Corona-Pandemie angeboten wurden.

    Teurer fliegen ab Deutschland: Was konkret dahintersteckt

    Doch kenne auch die neue Flexibilität Grenzen, argumentiert Branchenexperte Heinrich Großbongardt: „Die Spielräume, den wichtigen deutschen Markt zu meiden, sind relativ eng“, sagt er. Gerade die Lufthansa werde ihren Heimatmarkt nicht dauerhaft vernachlässigen.

    Bei unveränderter Kostenbelastung hält Branchenexperte Jörg Schwingeler weitere Streckenstreichungen dennoch für wahrscheinlich. Dass die Ticketpreise bei knapperem Angebot fast automatisch stiegen, habe auch mit der Buchungssteuerung der Fluggesellschaften zu tun, sagt er. Steige die Auslastungsprognose für einen Flug, kappe der Anbieter die Verfügbarkeit günstiger Tickets. So müssten Passagiere für ihren Flug am Ende mehr zahlen, obwohl das bestehende Preissystem gar nicht verändert worden sei. Ab dem Winterflugplan bereits könnten die Folgen der gestrafften Angebote für Verbraucher spürbar werden, erwartet Großbongardt.

    Flüge fallen weg – vor allem kleinere Regionalflughäfen setzt das unter Druck

    Hinter den lauten Beschwerden über hohe Flugkosten an deutschen Flughäfen vermutet er auch ein Ablenkungsmanöver. Denn die Fluglinien hätten ganz unabhängig von der Standortfrage ein Kapazitätsproblem. Es fehlen Flugzeuge. Hintergrund sind offenbar verzögerte Auslieferungen und technische Probleme. Weltweit, sagt Großbongardt, seien derzeit rund 600 Flugzeuge am Boden. In der Folge habe etwa Lufthansa die Anbindung an ihre Drehkreuze Frankfurt und München aus mehreren Regionen für Monate ausgesetzt, erklärt Jörg Schwingeler.

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    Betroffen von den angekündigten Flugstreichungen sind vor allem die finanziell ohnehin schwächer aufgestellten Regionalflughäfen wie Dortmund, Bremen oder Hamburg. Anders als die großen Drehkreuze können sie die hohen laufenden Kosten nicht auf eine steigende Zahl von Flügen umlegen.

    Ryanair und Co. melden sich ab: Das wird zum Problem

    Noch wird ihr Betrieb häufig von Ländern und Gebietskörperschaften finanziell unterstützt, doch diese Hilfe steht auf wackeligen Füßen. Die Unterstützung der öffentlichen Hand sei durch europäische Vorgaben erheblich eingeschränkt, sagt Schwingeler. „Voraussichtlich ab 2027 sollen auch die regionalen Airports nicht mehr subventioniert werden.“

    Zum Problem für die Flughäfen der zweiten Reihe wird darüber hinaus, dass Fluggesellschaften wie Ryanair, die die teuren zentralen Drehkreuze bisher eher gemieden haben, ihre Strategie ändern. Viele regionale Fluggesellschaften haben außerdem in den letzten Jahren aufgegeben.

    Experte sieht zum Ende des Jahrzehnts Chancen durch neue Technologien

    Völlig abgemeldet seien die kleineren Airports deshalb aber noch lange nicht, betont Großbongardt. Gerade für sie sieht er in der näheren Zukunft gute Chancen. Neue Hybrid- und Elektroantriebe, die bereits zum Ende des Jahrzehnts verfügbar sein sollen, ermöglichten emissionsärmeres und leises Fliegen. Die neuen Maschinen seien als Zubringer zu großen Drehkreuzen hervorragend geeignet.

    Diese Entwicklung werde den Kleinflughäfen zu einer Renaissance verhelfen, zumal sich die Bahn zunehmend aus der Fläche zurückziehe, ist Großbongardt überzeugt. „Es ergeben sich völlig neue Möglichkeiten, neue Verbindungen und neue Nutzergruppen.“