München. Gegen den Trend entstehen im Revier neue Büro- und Logistik-Immobilien. Ruhrgebiet hat größten Stand auf der Expo Real. So läuft die Messe.
Die Stimmung in der Immobilienwirtschaft war zuletzt alles andere als euphorisch. Die Krise in der Branche hat das Ruhrgebiet weniger hart getroffen. Bei der weltgrößten Immobilien-Messe Expo Real hat die Metropole Ruhr in dieser Woche nicht nur den größten Ausstellungsstand. Oberbürgermeister und Wirtschaftsförderer sind durchaus mit Optimismus nach München gereist. Sie berichten von zahlreichen Gesprächen mit Investoren, die Interesse an Immobilien-Projekten im Ruhrgebiet zeigen.
Schon seit Jahren berichten Wirtschaftsförderer zwischen Duisburg und Dortmund, dass sich mehr Unternehmen in ihren Städten niederlassen wollen als Gewerbeflächen verfügbar sind. Das Dilemma kennt auch Hernes Oberbürgermeister Frank Dudda. In München stellte er deshalb klar: „Wir haben keinen Flächenengpass, aber wir haben einen Engpass an marktgängigen Flächen. Die Flächen, die wir haben, sind nun mal industriell vorgeprägt und müssen aufbereitetet werden. Das Knowhow dafür haben wir, aber es fehlt oftmals das Geld.“
Viele Besucher am Revierstand auf der Expo Real
Die Mittel für die Sanierung der Brachen erhoffen sich die Revierstädte von Land und Bund, aber auch von Investoren. Sie tummeln sich offenbar an diesen Tagen am Messestand des Ruhrgebiets. „Die Konferenztische auf dem Stand waren durchgängig besetzt, es wurden viele Gespräche geführt. Dafür sind wir in dieser Phase auf der Messe: Vertrauen und Kontakte aufbauen“, berichtet Jörg Kemna, Geschäftsführer der Business Metropole Ruhr, die den Messeauftritt für das Ruhrgebiet organisiert.
Bahnbrechende Vertragsabschlüsse hatten die Revierstädte bis Dienstag noch nicht zu verkünden. „Für Optimismus ist es noch zu früh, aber ein neuer Realismus ist zu spüren“, sagt Kemna. „Die Herausforderungen der Immobilienbranche sind noch nicht weniger geworden, aber ihre Beurteilung ist klarer. Konjunktur und Baukosten sind eingepreist, die Insolvenzen haben Wartezeiten beendet.“
Die abflauende Immobilienkrise sei auch im Revier zu spüren. „Wir haben gute Argumente für Investoren. Das Ruhrgebiet ist ein lohnenswerter Markt“, meint der Geschäftsführer der Business Metropole Ruhr und damit oberster Wirtschaftsförderer der Region. Seine Zuversicht leitet er auch aus frischen Zahlen des Gewerbeimmobilienmarkt-Berichts ab, der vergangene Woche in Duisburg vorgestellt wurde.
Wirtschaftsförderer Kemna: „Die Stabilität ist unsere Stärke“
Daraus ist abzulesen, dass vor allem das Geschäft mit Büro- und Logistikimmobilien im Ruhrgebiet gut laufe – im Gegensatz zu manch anderer Wirtschaftsmetropole. „Die Stabilität ist unsere Stärke. Im Ruhrgebiet wurde trotz aller Krisen und steigender Kosten an großen Projekten weitergearbeitet. Auch hier zeigt sich, dass in der Region ein breiter und zugkräftiger Mittelstand gewachsen ist, der Eigennutzungen auch stemmen kann“, so Kemna.
143.000 Quadratmeter Bürofläche fertiggestellt zu haben – „das ist für ein Halbjahr schon eine Nummer“, erklärt der BMR-Chef. Der Löwenanteil davon – 122.000 Quadratmeter – entfielen freilich auf die „Kernruhrgebietsstädte“ Duisburg, Essen, Bochum und Dortmund. Das größte Gebäude, das zwischen Januar und Juni fertiggestellt wurde, war mit 64.000 Quadratmetern die neue Zentrale des IT-Dienstleisters Materna auf Phoenix-West in Dortmund. Auf der Liste der Immobilien von Bedeutung stehen aber auch VW Infotainment in Bochum, das Gesundheitszentrum Duisburg, die Sparkasse Recklinghausen oder die Fernuni in Hagen.
Allerdings räumt der Wirtschaftsförderer auch ein, dass es aktuell nicht mehr ganz so glänzend laufe. „Die Pipeline für Bürogebäude, die im zweiten Halbjahr fertiggestellt werden, ist relativ leer. Wir beobachten aber, dass wieder ganz neue Projekte angestoßen werden. Man läuft sich wieder warm.“ Ausnahme ist Dortmund. Dort wird erwartet, dass bis Ende Dezember noch einmal Bürogebäude mit 130.000 Quadratmetern Fläche vollendet sein werden.
Das positive Investitionsklima ist in zweifacher Hinsicht bemerkenswert: In Köln und München ist der Neubau von Büros regelrecht eingebrochen, in Berlin stagniert er. Und: Trotz des erheblichen Flächen-Zuwachses bleibt die Leerstandsquote im Ruhrgebiet konstant bei 5,1 Prozent. „Darin ist abzulesen, dass der Bedarf wirklich da ist“, meint Kemna.
Bedarf an Büroflächen steigt
Der BMR-Geschäftsführer erklärt sich die wieder angezogene Nachfrage auch mit dem Trend weg vom Homeoffice. „Die Return-to-office-Quote steigt wieder. Auch dadurch dürfte der Bedarf an Büroflächen grundsätzlich steigen“, meint Kemna, wenngleich er betont, „dass viele Unternehmen in der Nach-Corona-Zeit Büroflächen gar nicht abgebaut, sondern in Kommunikationsflächen umgewandelt“ hätten.
Investoren aus aller Welt, die nächste Woche zur Expo Real reisen, dürfte vor allem auch interessieren, dass die erzielbaren Spitzenmieten für Büroimmobilien im Kernruhrgebiet steigen. Im ersten Halbjahr betrug das Plus 5,3 Prozent auf 17 bis 22,50 Euro pro Quadratmeter. In Berlin, Hamburg und Köln waren die Zuwächse deutlich geringer. In Düsseldorf dagegen betrug der Aufschlag 14,3 Prozent. Mit maximal 22,50 Euro bleiben die Büromieten im Revier ohnehin moderat. In Berlin sind es 44,50 Euro und in Düsseldorf 40 Euro.
Logistikimmobilien: Höchste Nachfrage in Duisburg
Als „erfolgreich“ bezeichnen die Wirtschaftsförderer auch das Geschäft mit Logistikimmobilien. Im ersten Halbjahr kamen im Ruhrgebiet noch einmal 156.150 Quadratmeter hinzu. Das entspricht einem Plus von fast 35 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die höchste Nachfrage nach Logistikimmobilien verzeichnete einmal mehr Duisburg. Treiber seien revierweit Handels- und E-Commerce-Unternehmen, die sich in den Jahren zuvor mit Investitionen zurückgehalten hätten.
In den Innenstädten und Vorortzentren macht sich dieser Aufschwung allerdings nicht bemerkbar. Der Einzelhandel bleibt das Sorgenkind der Region. Im Kernruhrgebiet sanken die Spitzenmieten im ersten Halbjahr um 4,2 Prozent auf 45 bis 160 Euro. Bergab ging es allerdings in allen Metropolen. Mit einer Ausnahme: Düsseldorf konnte die Spitzenmieten mit 270 Euro konstant halten. Ein teureres Pflaster ist nur noch München mit 295 Euro.
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