Berlin. Ein neues Betriebsrentengesetz soll die betriebliche Altersvorsorge stärken. Nahezu unbemerkt hat die Ampel ein Detail geändert – mit Folgen.
Die Bundesregierung hat am Mittwoch den Entwurf zum Betriebsrentenstärkungsgesetz beschlossen und gleichzeitig die Möglichkeit, freiwillige Einzahlungen in die gesetzliche Rentenkasse zu leisten, eingeschränkt. So zumindest ist die Lesart der Gewerkschaft IG Metall, die nun wegen der Änderungen eines Details an einem Satz im Sozialgesetzbuch verärgert ist.
„Unter dem Deckmantel einer angeblichen ‚Klarstellung‘ werden für unter 50-Jährige die Möglichkeiten geschlossen, durch zusätzliche Einzahlungen in die Rentenversicherung drohende Abschläge bei der Rente zu kompensieren. Das ist absurd! Die Politik ruft den Menschen zu, ihre Versorgungslücken zu schließen und schließt dann ihrerseits vorhandene Wege der Zusatzvorsorge“, sagte Hans-Jürgen Urban, für Sozialpolitik verantwortliches Vorstandsmitglied der IG Metall, dieser Redaktion.
Rentenpunkte kaufen: So viele Unter-50-Jährige nutzten Möglichkeit zuletzt
Die Möglichkeit, freiwillige Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen – gemeinhin auch als der Kauf von Rentenpunkten bekannt – besteht grundsätzlich, um Abschläge bei einer möglicherweise vorgezogenen Rente auszugleichen. Diese Möglichkeit, Rentenpunkte zu kaufen, nutzten laut Deutscher Rentenversicherung (DRV) 2022 gut 68.000 Versicherte. Sie zahlten rund 1,1 Milliarden Euro zusätzlich ein, im vergangenen Jahr waren es 0,9 Milliarden Euro.
Vor allem Versicherte ab dem 50. Lebensjahr können diese Option, mögliche Abschläge bei einer früheren Verrentung auszugleichen, nutzen. Ausnahmen waren bislang aber nicht ausgeschlossen. Bei Nachweis eines berechtigten Interesses konnte bislang hiervon abgewichen werden, so die DRV. Laut eines Sprechers von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) machten 2022 aber keine unter 50-Jährigen davon Gebrauch. Aber: „In den Vorjahren lag die Anzahl zwischen 59 und 63 Personen“, so der Sprecher.
Rentenpunkte: Für die IG Metall hat der neue Beschluss eine bittere Komponente
Der am Mittwoch beschlossene Gesetzentwurf schließt für Jüngere den Kauf von Rentenpunkten, um Abschläge auszugleichen, künftig aus. „Die Formulierungsänderung im Gesetz schafft an dieser Stelle Rechtssicherheit und erleichtert in der Praxis eine einheitliche Rechtsauslegung durch die Rentenversicherungsträger. Mit der Regelung wird klargestellt, dass eine Ausgleichszahlung für Rentenabschläge bei vorzeitigem Rentenbeginn erst ab dem Alter 50 möglich ist. Dies entspricht der Intention der Regelung“, so Heils Sprecher gegenüber dieser Redaktion.
Für die IG Metall hat die neue Auslegung noch eine andere bittere Komponente. Eigentlich hatte sich die Gewerkschaft dem Thema Sondereinzahlungen in die gesetzliche Rentenkasse verschrieben. Der Vorstand erarbeitete dafür das Konzept der sogenannten Soli-Rente-Plus.
Soli-Rente-Plus: IG Metall begreift Gesetzentwurf als Rückschritt
Als großen Wurf stellt man sich dabei vor, dass Sonderzahlungen in die Rentenkasse auch von Jüngeren geleistet werden können – und zwar in Höhe von maximal vier Prozent der Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung. Einzahlen könnte dem Konzept zufolge der Beschäftigte selbst oder eben auch der Arbeitgeber im Rahmen einer betrieblichen Altersvorsorge. Dafür müssten entsprechende Formulierungen im Sozialgesetzbuch (SGB) geändert werden.
Die nun präzisierte Passage begreift die Gewerkschaft stattdessen als Rückschritt. Laut IG Metall seien mit einzelnen Arbeitgeberverbänden, zum Beispiel dem der Schrott-Recycling-Wirtschaft, auch schon Tarifvertrage geschlossen worden, die freiwillige Einzahlungen in die gesetzliche Rente durch Unternehmen für Beschäftigte ab dem 50. Lebensjahr vorsehen. Genau das wollte man aber auch für Jüngere erreichen, sagte ein IG-Metall-Sprecher. Das neue Gesetz macht das zunächst unmöglich.
Experten sehen den Kauf von Rentenpunkten durchaus kritisch
Die IG Metall ist verstimmt: „Durch diese in letzter Minute und ohne öffentliche Debatte in den Gesetzentwurf eingeführte Vorschrift werden vielversprechende Vorsorgemöglichkeiten für Beschäftigte in Unternehmen ohne Betriebsrenten massiv eingeschränkt. Zusätzliche Arbeitgeberzahlungen in die Rentenkasse über Tarifverträge werden damit nicht unmöglich, müssen aber auf einen deutlich kürzeren Zeitraum verteilt werden“, kritisierte Vorstandsmitglied Urban. Das sei alles andere als eine langfristig organisierte Zusatzvorsorge für das Alter.
Experten sehen den Kauf von Rentenpunkten auch kritisch. Denn: Höheren Einnahmen heute stehen höhere Rentenausgaben in der Zukunft gegenüber und das genau zu der Zeit, in der die Rentenfinanzierung Jahr um Jahr immer schwieriger wird.
Grundsätzlich beschloss die Bundesregierung am Mittwoch auch, die Einkommensgrenze für die Förderung von Betriebsrenten auf 2718 Euro monatlich anzuheben. Derzeit sind es 2575 Euro. Zugleich soll der Grenzwert dynamisiert werden, damit Beschäftigte nicht durch Lohnerhöhungen den Förderanspruch verlieren. Für kleine und mittlere Unternehmen soll es einfacher werden, eine Betriebsrente einzuführen.
- Altersvorsorge: Ruhestand mit 30, 40 oder 50? So viel Geld brauchen Sie dafür
- Arbeit & Ausbildung: 5000 Euro für Azubis – Deutschlands bestbezahlte Berufe
- Arbeitsplatz: Abfindung im Job kassieren? Diese Tipps sind bares Geld wert
- Ruhestand: Drei Banker verraten, was sie für ihre Altersvorsorge tun
- Wohnen und Mieten: Reich werden mit Airbnb – Zwei Brüder verraten, wie es geht
- Geldanlage: Goldpreis auf Rekordhoch: Lohnt sich der Einstieg noch?