Berlin. Schon jetzt setzen hohe Rohstoffpreise Hersteller und Verbraucher unter Druck. Entspannung ist nicht in Sicht – mit bitteren Folgen.

Nicht nur Kaffee ist zuletzt deutlich teurer geworden, sondern auch andere Produkte, die viele Verbraucher täglich zu sich nehmen. Experten sagen, wie sich die Preise für Agrarrohstoffe entwickeln – und erklären auch, was die angespannte Preislage perspektivisch für den eigenen Geldbeutel bedeuten kann.

Warum sind die Preise für Kaffee, Kakao & Co. derart gestiegen?

Das hat vor allem damit zu tun, dass weniger Angebot auf gleiche oder sogar wachsende Nachfrage getroffen ist. In vielen Anbauregionen der betroffenen Rohstoffe gab es zuletzt wechselnde Wetter- und Klimabedingungen. Die Kaffeepflanze zum Beispiel gilt als besonders sensibel, benötigt eigentlich das ganze Jahr über Temperaturen oberhalb von 21 Grad Celsius – und viel Niederschlag. Zuletzt gab es in Gebieten, wo sich viele Kaffeeplantagen befinden, aber längere Dürreperioden.

„Wie viel geerntet werden kann, hat stark damit zu tun, wie sich Wettereinflüsse in den verschiedenen Regionen auswirken. In den meisten Anbaugebieten bemerkt man heute schon den Klimawandel. Es kommt zu langen Trockenzeiten, aber auch zu Starkregenereignissen und Fluten. All das mit Folgen für die Ernte“, erklärt Marina Eurich, Rohstoffexpertin und stellvertretende Forschungsbereichsleiterin Umwelt & Klima am Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut (HWWI).

Hinzu kommen zum Teil Kostensteigerungen für den Transport der Rohstoffe. Gerade auf dem Weg von Asien nach Europa haben zum Beispiel die Angriffe der Huthi-Rebellen im Roten Meer auf Handelsschiffe dazu geführt, dass Importeure Umwege in Kauf nehmen mussten – mit entsprechenden Folgen für die Preise, so Eurich.

Wie sehen die Preisentwicklungen bei Kaffee, Kakao, O-Saft und Ölen im Einzelnen aus?

Zum Teil dramatisch. Bei Kakao etwa sehen die Berechnungen des HWWI innerhalb von fünf Jahren Preissteigerungen von gut 200 Prozent: Zahlten Importeure für eine Tonne Kakaobohnen im Juli 2019 2417 US-Dollar, waren es in diesem Jahr 7163 US-Dollar. Etwas geringer fällt die Steigerung bei Kaffee aus. Für ein Pfund Kaffee wurden vor fünf Jahren noch 1,03 US-Dollar fällig, nun sind es 2,37 US-Dollar (+130 Prozent). Auch Tee, Kokosnuss- und Palmöl sind heute verglichen mit 2019 zum Teil doppelt so teuer. Orangensaft wurde an den Rohstoffbörsen zwischenzeitlich mit gut 150 Prozent Aufschlag gehandelt.

Geht das langfristig so weiter?

Das ist denkbar – und mit Blick auf den weiter voranschreitenden Klimawandel mit entsprechenden Folgen für viele Pflanzenarten sogar sehr wahrscheinlich. „Insbesondere rund um den Kaffee- oder Kakaogürtel, wo es heute schon warm und trocken ist, wird es noch wärmer und noch trockener. Das können die Pflanzen nicht ab. Deshalb ist es gut möglich, dass Kaffee und Kakao in 20 Jahren Luxusprodukte sein werden“, sagt Zukunftsforscher Kai Gondlach.

Er hält dann Preise rund um 30 Euro für ein Kilo Rohkaffee für denkbar. „Kaffee, den wir im Supermarkt kaufen, wird dann durch die Veredelung entsprechend noch teurer sein. Ich denke da an bis zu 60 Euro pro Kilo. Der Cappuccino im Coffee-Shop kostet dann nicht mehr 4,50 Euro, sondern 13 Euro“, erklärt der Wissenschaftler, der an der FU Berlin Zukunftsforschung studiert hat. Denkbar sei in diesem Szenario aber auch, dass die Menschen dann einfach weniger oder auch gar keinen Kaffee mehr trinken – und Anbieter wie Starbucks & Co. mit Ersatzprodukten ihr Geld verdienen.

Eine ähnliche Prognose gibt auch Boris Planer vom Zukunftsinstitut ab. Denkbar sei, dass sich Anbauflächen für Kaffee klimabedingt bis 2050 halbierten. „Dann werden wir auf jeden Fall noch dieses Jahrzehnt einen deutlichen Preisanstieg erleben“, sagt Planer, der aber damit rechnet, dass die Branche versucht, mit klimaresistenten Sorten gegenzusteuern. Der als robuster geltende Stenophylla-Kaffee sei dafür ein Kandidat. In jedem Fall täte die Kaffeebranche gut daran, sich jetzt schon verstärkt mit hitze- und klimaresistenten Bohnen auseinanderzusetzen, so Planer.

Auch Zukunftsforscher Gondlach rechnet damit, dass die Produzenten versuchen werden, gegenzusteuern. „Bis Innovationen aus der Forschung in die Fläche getragen werden, könnten aber trotzdem bis zu zehn Jahre vergehen.“ Preissteigerungen seien auch bei diesem Pfad unvermeidbar, so Gondlach.

Was bedeuten die höheren Rohstoffpreise für die Lebensmittelhersteller?

Höheren Kosten werden von den Herstellern an die Kunden weitergegeben. Tchibo hatte bereits im Frühjahr dieses Jahres angekündigt, wegen höherer Rohkaffeekosten die Preise zu erhöhen. Je nach Sorte und Herkunftsland liegen die Preise für ein Pfund Kaffee seitdem zwischen 50 Cent und 1 Euro höher. Davor hatte der deutsche Marktführer Kaffeepreise zuletzt vor über zwei Jahren angepasst.

Daily Life In Assam
Auch die Teeproduktion in Asien ist unter Druck. Zum Teil gab es in den Anbaugebieten heftige Niederschläge – mit Folgen für die Ernte. © picture alliance / NurPhoto | David Talukdar

Auch beim Tee können Hersteller nicht anders, als Preise weiterzugeben. „In den letzten Jahren sind die Kosten je nach Rohware um 10 bis 20 Prozent gestiegen. Da sich so starke Preiserhöhungen auf Dauer nicht ausgleichen lassen, waren und sind wir bei einigen Produkten gezwungen, die Preise weiter zu erhöhen“, heißt es auf Anfrage von dem Anbieter Teekanne.

Wie reagieren Lebensmitteleinzelhändler?

Aldi, Lidl, Edeka & Co. beobachten – und reagieren. „Bei Naturprodukten gibt es immer wieder Schwankungen der Erntemengen. Dies wirkt sich auf das Angebot und damit auch auf die Verfügbarkeit und die Preisgestaltung aus“, sagte eine Edeka-Sprecherin unserer Redaktion. Von Rewe hieß es, Rohstoffmärkte seien unverändert volatil. Man werde „weiterhin sehr kritisch mit der Industrie und den Partnern über etwaige Preisanhebungen diskutieren“. Speziell mögliche Preissenkungen müssten rasch an die Kunden weitergegeben werden, so eine Rewe-Sprecherin.

Wie können Verbraucher beim Einkauf noch sparen?

Verbraucherinnen und Verbraucher sollten beim Einkauf immer die Preise vergleichen und insbesondere auf die Grundpreisauszeichnung achten, heißt es vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Darüber hinaus sei die Bundesregierung in der Verantwortung, für mehr Transparenz und Fairness in der Lebensmittellieferkette zu sorgen. „Hierbei könnten die Einrichtung einer Preis- und Kostenbeobachtungsstelle für die Lebensmittellieferkette und ein Vergleichsportal von Preisen für Verbraucherinnen und Verbraucher eine gute Lösung sein“, sagte eine Sprecherin. Es müsse sichergestellt werden, dass große Lebensmittelunternehmen nicht Kasse auf Kosten der Verbraucher machten.