Dortmund. Mindestens 40.000 Kunden haben bei der Stadtenergie Dortmund zu viel für Strom und Gas bezahlt. Was Verbraucher tun können, sagt ein Anwalt.
Haben Sie auch zu viel bezahlt? Wenn Sie Kundin oder Kunde bei „Stadtenergie“, einer Tochter der Dortmunder Energieversorgung DEW21 sind, gehören Sie vielleicht zu den mindestens 40.000 Kunden, die zu viel für ihr Gas und ihren Ökostrom gezahlt haben. Wie Sie erfahren, ob Sie betroffen sind und was Sie tun können.
Wie kann ich herausfinden, ob ich betroffen bin?
„Im Grunde muss man den Preis für die verbrauchten Kilowattstunden mit dem Grundpreis mal zwölf nehmen“, sagt Rechtsanwalt Fabian Fritsch von der Kanzlei Hafencity in Hamburg. Wegen der Komplexität und vor dem Hintergrund von Preisänderungen und einseitigen Vertragsanpassungen falle es Verbrauchern allerdings schwer, komplexe Verträge richtig zu analysieren. „Ohne Hilfe sind sie dann im Dschungel des ‚Kleingedruckten‘ völlig verloren“, sagt Fritsche. Die Kanzlei fokussiert sich auf Vertragsangelegenheiten im Verbraucherrecht und erhält häufig Anfragen zu Stromrechnungen.
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Auf ihrer Webseite verspricht Stadtenergie, dass Kundinnen und Kunden nicht selbst aktiv werden müssen. Sollten Verbraucher von einer fehlerhaften Abrechnung betroffen sein, werden sie von der Stadtenergie „schnellstmöglich informiert und die Abrechnungen selbstverständlich korrigiert, sodass ihnen kein Schaden entsteht“, heißt es.
Was kann ich tun, wenn ich eine falsche Abrechnung vermute – sich jedoch niemand bei mir gemeldet hat?
Hier rät Fritsch: „Hinsetzen und rechnen – und wenn es einen Anspruch gibt, der entweder nicht anerkannt oder gar nicht besprochen wird, dann einen Anwalt hinzuziehen, der die Forderung entschieden durchsetzt oder abwehrt.“ Die Anwaltskosten müssten Verbraucherinnen und Verbraucher in einem außergerichtlichen Verfahren allerdings selbst zahlen.
Wie werde ich als Kunde entschädigt?
Sollten bei Kundinnen und Kunden fehlerhafte Abrechnungen festgestellt werden, werden diese laut Stadtenergie korrigiert. Dies könne Gutschriften oder Nachforderungen zur Folge haben.
In Fällen wie diesen könne es sich bei der Kostenübernahme eher um ein Angebot zur Beschwichtigung, als um eine konkrete und korrekte Neuberechnung handeln, sagt Fritsch. Ob Verbraucher dabei den Kürzeren ziehen, müsse jeweils einzeln geprüft werden.
So hilft die Stadtenergie-Schlichtungsstelle
Zahlreiche Kundinnen und Kunden, die sich vom Dortmunder Ökoenergie-Anbieter Stadtenergie geprellt fühlen, haben sich an die Schlichtungsstelle Energie gewandt. Das bestätigt Geschäftsführer Thomas Kunde auf Anfrage unserer Redaktion, will sich aber nicht zur Dimension der Beschwerdewelle äußern.
Der Verein Schlichtungsstelle wurde von der Verbraucherzentrale, dem Bundesverband Energie und Wasser, dem Verband Kommunaler Unternehmen und der Initiative Bildung für nachhaltige Entwicklung gegründet. Mitglieder sind große Konzerne wie Eon oder Thüga sowie zahlreiche Stadtwerke wie die in Dinslaken oder Oberhausen. Dortmund steht nicht auf der im Internet veröffentlichten Mitgliederliste.
„Wir sind ein unabhängiger Schlichter für private Verbraucher, die Streit mit ihrem Energieversorger haben“, sagt Kunde. Betroffene können sich aber erst an die Schlichtungsstelle wenden, wenn es vier Wochen nach ihrer Beschwerde beim Versorger noch keine Lösung des Problems gibt. Das scheint im Fall Stadtenergie der Fall zu sein.
Die Schlichtungsstelle unterbreitet dann einen Einigungsvorschlag. Wird der vom Unternehmen ausgeschlagen, gibt am Ende eine Ombudsperson eine Schlichtungsempfehlung ab. Der Haken: Der Versorger muss sie nicht annehmen. Thomas Kunde ist aber zuversichtlich: „80 Prozent der Fälle lösen wir einvernehmlich. Ansonsten bleibt den Verbrauchern der Klageweg.“
Betroffene melden sich in Foren zu Wort
Nach Auffliegen des Abrechnungsskandals hat Stadtenergie zugesagt, sich aktiv bei betroffenen Kunden zu melden. Fragen unserer Redaktion, wie weit die Entschädigungsverfahren gediehen sind, ließ das Mutterunternehmen DEW21 bislang unbeantwortet. Stadtenergie will im Herbst beginnen, die zu viel gezahlten Beträge „gegen Sommerende/Frühherbst“ zu erstatten. Etliche Kunden sollen dem Bericht zufolge mehrfach mit falschen Abrechnungen betrogen worden sein.
Nicht äußern will sich DEW21 auch zu der kolportierten Zahl von bundesweit mehr als 40.000 Haushalten, die von Stadtenergie geprellt worden seien. Betroffene melden sich in Foren zu Wort. Die Einträge gehen zum Teil bis zum Jahr 2022 zurück. Auf „Trustpilot“ schreibt Mike Herzog: „Es wurden trotz Fixvertrag völlig andere Preise berechnet als vereinbart. Keine Erreichbarkeit zur Problemklärung.“ Joel Seite kritisiert bereits im Dezember 2023: „Es macht bei jeder Aktion der Stadtenergie GmbH den Eindruck, dass man dort wissentlich Intransparenz schürt und keine Klärung herbeiführt. Wahrscheinlich in der Hoffnung, dass einige Kunden diese Vorgehensweisen nicht durchschauen und über sich ergehen lassen.“
Auch auf dem Portal „Reviewhero“ gibt es zahlreiche Einträge: Nutzer kritisieren, dass Stadtenergie Erleichterungen der Bundesregierung während der Energiekrise nicht weitergegeben hätte. Ein Verbraucher ohne Klarnamen klagt darüber, dass eine angemahnte Abschlussrechnung auch nach zehn Wochen noch nicht bei ihm eingetroffen sei.
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