Berlin. Einer der größten deutschen Automobilzulieferer will Tausende Stellen streichen. Was das für den Industriestandort Deutschland bedeutet.
Die Krise bei einem der größten deutschen Automobilzulieferer spitzt sich zu – jetzt verkündet ZF aus Friedrichshafen am Bodensee einen drastischen Stellenabbau. Was genau geplant ist, welche Folgen drohen und wie Politik und Industrie reagieren. Ein Überblick.
Was genau plant ZF?
Einen Stellenabbau im großen Stil am Standort Deutschland. Konkret sollen bis Ende 2028 zwischen 11.000 und 14.000 Arbeitsplätze an den deutschen ZF-Standorten wegfallen. Derzeit sind in den inländischen Werken 54.000 Menschen für den Zulieferer tätig, weltweit hat ZF rund 169.000 Beschäftigte. Die geplante Konsolidierung betrifft aber ausdrücklich das Inland. Man richte die „Strukturen neu aus, um die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und den Veränderungen im Mobilitätssektor und insbesondere bei der Elektromobilität Rechnung zu tragen“, hieß es in einem am Freitag versendeten Unternehmensstatement.
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Warum ist ZF in der Krise?
Der Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer vom Bochumer CAR-Institut erklärt das gegenüber dieser Redaktion mit politischen Fehlern. „Die Politik hat die deutsche Autoindustrie erheblich beschädigt. Zulieferer wie ZF, aber auch die Autobauer selbst, haben enorm in Elektromobilität investiert. Doch diese Milliardenbeträge stehen nun auf dem Spiel, weil die Politik das Elektroauto fallen lässt wie eine heiße Kartoffel. Ich vermute deshalb, dass wir noch bei mehr Unternehmen Sparprogramme sehen werden“, sagte Dudenhöffer.
Nach dem abrupten Aus der Prämie für E-Fahrzeuge waren die Neuzulassungen für die Stromer im Inland gesunken. Experte Dudenhöffer sieht aber auch in den geführten Debatten einen Schaden für die Technologie. „Die EU-Kommission spricht ständig davon, möglicherweise das Verbrenner-Aus zurückzudrehen, Politiker wie Markus Söder oder Sahra Wagenknecht haben nichts anderes zu tun, als die Elektromobilität schlecht zu reden. Da muss man sich nicht wundern, wenn Kunden sich nicht für ein neues E-Auto entscheiden“, erklärte Dudenhöffer.
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Grundsätzlich setzt ZF wie die deutsche Automobilbranche auch auf Elektromobilität. ZF hat dafür einige Übernahmen getätigt – und sich hoch verschuldet. Unter anderem hatte man 2020 den amerikanisch-belgischen Bremsenhersteller Wabco und 2015 den Zulieferer TRW übernommen. Aktuell zahlt ZF für die dafür aufgenommenen Kredite Hunderte Millionen Euro an Zinsen. Um Schulden abzubauen, prüft der Zulieferer weitere Verkäufe. Zuletzt hatte 2023 der Apple-Zulieferer Foxconn aus Taiwan 50 Prozent der Achsmontage-Sparte von ZF übernommen.
Aber auch vor Standortschließungen macht ZF nicht Halt. Um Kosten zu sparen, ist bereits bekannt, dass ZF im nordrhein-westfälischen Eitorf das Werk schließt und dort Ende 2025 die Stoßdämpferproduktion einstellt. Knapp 700 Beschäftigte verlieren ihren Job. ZF ist in dem Städtchen im Rhein-Sieg-Kreis der letzte große Arbeitgeber. Bereits zum Jahresende ist in Gelsenkirchen Schluss. Davon sind 200 Mitarbeiter betroffen. Details zu Auswirkungen des am Freitag verkündeten Sparprogramms teilte ZF zunächst nicht mit. Klar ist, der Zulieferer will seine als kleinteilig geltende Standortstruktur bündeln. Weltweit hat ZF 162 Produktionsstandorte.
ZF ist nicht an der Börse notiert, sondern gehört zu großen Teilen der Zeppelin-Stiftung, die von der Stadt Friedrichshafen verwaltet wird. „Mit einem Börsengang hätte man die Verschuldung sicherlich zu größten Teilen abbauen können“, so Experte Dudenhöffer. Dagegen hat sich aber vor allem der Oberbürgermeister von Friedrichshafen, Andreas Brand, der gleichzeitig auch Vorsitzender der Stiftung ist, erfolgreich gewehrt.
Wie reagieren Belegschaftsvertreter?
Der Gesamtbetriebsrat des Autozulieferers ZF will sich wehren. „Wir werden um jeden einzelnen Arbeitsplatz kämpfen“, teilte ZF-Betriebsratschef Achim Dietrich mit. Die Ankündigung schüre Ängste, „wo wir eigentlich den vollen Einsatz für die Belieferung der Kunden, der Bewältigung der Rezession und der Transformation brauchen“. Die Pläne lenkten von einem Manager-Versagen ab, sagte Dietrich.
Haben auch andere Zulieferer Probleme?
Ja, auch bei den ZF-Wettbewerbern Bosch und Continental hängt der Haussegen schief. Bosch hat in jüngster Zeit bereits Tausende Stellen in verschiedenen Bereichen abgebaut. Weitere hält man bei dem Stuttgarter Konzern für möglich. „Dass es keinen weiteren Handlungsbedarf gibt, kann niemand mit Sicherheit sagen“, erklärte Vorstandschef Stefan Hartung erst kürzlich der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Dem Bericht zufolge stehen bereits 7000 Stellen zur Disposition, fast die Hälfte davon in der Kernsparte Automobiltechnik. Auch der – nach Bosch und ZF – drittgrößte Autozulieferer Continental hat längst ein Effizienzprogramm aufgelegt und will gut 5500 Stellen abbauen.
Was bedeutet die Entwicklung für die Autobauer in Deutschland?
Der Standort Deutschland wird schwächer, sagte Experte Dudenhöffer. Für Volkswagen, Mercedes & Co. bedeute das auch, sich umzuorientieren. „Die Konzerne agieren international, sie richten sich nicht nach Deutschland, sondern nach den Märkten aus. Jetzt fließen eben mehr Direktinvestitionen nach China und in die USA“, so Dudenhöffer. Deutschland hingegen sei auf der „Verliererstraße“. Hierzulande mache man dauernd etwas Neues, aber komme nie an. „So kann es nicht gelingen, Wettbewerbsvorteile aufzubauen“, resümierte der Branchenexperte. Vom Industrieverband BDI hieß es am Freitag erneut, Deutschland verliere an Wettbewerbsfähigkeit, der Standort falle im globalen Maßstab zurück. Es bleibe die Verantwortung der Bundesregierung, Wachstumskräfte zu stärken.
Wie sieht es die Branche selbst?
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) betonte auf Anfrage die Herausforderungen durch den Wandel der Branche hin zur Elektromobilität. Aktuell wirke sich aber der schwache Marktausblick für E-Autos negativ auf die Lage der Zulieferer aus. „Diese Entwicklung betrifft insbesondere jene Zulieferer stark, die ihr Geschäftsmodell auf die E-Mobilität ausgerichtet haben“, sagte eine VDA-Sprecherin.
Im internationalen Standortwettbewerb gerieten Deutschland und Europa zudem vermehrt ins Hintertreffen. Nötig sei nun eine Politik, die auf marktwirtschaftliche Instrumente setzt und technologieoffen Kreativität entfacht. „Andernfalls werden die für die Transformation der Automobilindustrie notwendigen Investitionen zunehmend nicht mehr in Deutschland und Europa getätigt werden, sondern woanders“, so die Sprecherin weiter.
Was sagt die Politik?
Für die CDU ist die Sache klar. „Die Ampelkoalition schadet mit ihrer Politik dem Automobilstandort Deutschland und gefährdet Hunderttausende Arbeitsplätze in dem bedeutendsten Industriezweig unseres Landes“, sagte der Unions-Verkehrspolitiker Christoph Ploß dieser Redaktion. Man werde weiter darauf drängen, dass das Verbrennerverbot rückgängig gemacht wird. „Statt grüner Ideologie müssen endlich wieder wirtschaftliche Vernunft und Technologieoffenheit Einzug halten. Sonst werden weitere Arbeitsplätze gefährdet werden“, so Ploß weiter.
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Andreas Audretsch, betonte gegenüber dieser Redaktion: „Die deutsche Autoindustrie bleibt Weltspitze, wenn wir jetzt konsequent vorangehen und investieren“. Es sei gut, dass verschiedene Autobauer angekündigt haben, schon bald deutlich günstigere E-Autos auf den Markt zu bringen. „Die Preise müssen runter, nur so ist es möglich, gegen die harte Konkurrenz aus China zu bestehen“, so Audretsch weiter.
Die Forderung, das in der EU beschlossene Aus für Verbrenner, wieder zurückzudrehen, wies er zurück. „Erfolgreich können wir nur mit Fortschritt sein, der Versuch, gerade von CSU und FDP, den Weg der Innovation in Europa zu torpedieren, ist Gift für die Autobauer und Zulieferer in Deutschland“, sagte Audretsch. Ursula von der Leyen habe versprochen, Kurs zu halten. „Bis 2035 werden wir aus dem fossilen Verbrenner aussteigen, das ist der richtige Weg, darauf können sich alle einstellen“, betonte er weiter.
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