Essen. Thyssenkrupp will Stahlproduktion um ein Viertel drosseln. Konzernchef Lopez macht Druck. Sorgen um HKM im Duisburger Süden wachsen.

Mit großer Sorge erwarten die 27.000 Beschäftigten Entscheidungen, wie es mit der Stahlsparte von Thyssenkrupp weitergehen soll. In einer Aufsichtsratssitzung am 29. Juli soll nun Bernhard Osburg, Chef von Thyssenkrupp Steel, seinen Plan vorlegen, wie die Stahlproduktion in Duisburg um ein Viertel gedrosselt werden kann und was aus dem HKM-Stahlwerk im Süden der Stadt wird. Miguel López, dem Vorstandsvorsitzenden der Thyssenkrupp AG, gehen Osburgs Vorschläge aber nicht weit genug.

In einem Punkt sind sich alle Beteiligten einig: Weil die Stahlnachfrage eingebrochen ist, soll Thyssenkrupp in Duisburg künftig weniger Stahl produzieren. Von einer Senkung der Kapazitäten um ein Viertel oder zwei bis 2,5 Millionen Tonnen ist die Rede. Der Schrumpfungsprozess dürfte den Abbau einiger tausend Arbeitsplätze bedeuten, auch wenn sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber bereits darauf verständigt haben, dass es keine betriebsbedingten Kündigungen geben soll.

Thyssenkrupp-Chef López contra Stahlchef Osburg

Der neue Businessplan für die Stahlsparte ist aber längst nicht in trockenen Tüchern. Im Umfeld von Thyssenkrupp vergleicht man die laufenden konzerninternen Gespräche mit Tarifverhandlungen, in die beide Seiten zunächst mit maximalen Forderungen hineingehen. Allerdings sitzen sich bei Thyssenkrupp nicht Gewerkschafter und Geschäftsführung gegenüber, sondern Stahlchef Osburg und sein Vorgesetzter von der Muttergesellschaft, Lopez.

Das „Handelsblatt“ berichtet unter Berufung auf Insider, Lopez habe Osburgs Pläne als „unambitioniert“ zurückgewiesen habe. Zwischen beiden soll es demnach Differenzen über Prognosen für den Stahlpreis und die Absatzmengen geben. Es geht um viel Geld. Weil Steel zuletzt rote Zahlen geschrieben hat und der Investitionsbedarf im Unternehmen immens sei, müsste Thyssenkrupp in die neu aufgestellte Stahltochter laut „Handelsblatt“ eine Mitgift von drei bis vier Milliarden Euro mitbringen.

Aufsichtsratssitzung bei Thyssenkrupp Steel am 29. Juli geplant

Aus dem Konzernumfeld verlautet, dass diese hohe Zahl durchaus realistisch sei. Die Summe wolle López um eine bis 1,5 Milliarden Euro drücken. Sollte es dem Stahlchef Osburg nicht gelingen, mit seinem Businessplan-Entwurf diese Ziele zu erreichen, drohe López mit einem Investitionsstopp für Thyssenkrupp Steel, berichtet die Zeitung. Bund und Land stellen zwei Milliarden Euro staatliche Zuschüsse bereit, damit in Duisburg der erste grüne Stahl hergestellt werden kann.

Bernhard Osburg ist Vorstandsvorsitzender der Thyssenkrupp Steel AG in Duisburg.
Bernhard Osburg ist Vorstandsvorsitzender der Thyssenkrupp Steel AG in Duisburg. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Die Unstimmigkeiten führten dazu, dass die außerplanmäßige Aufsichtsratssitzung bei Steel, in der über den neuen Businessplan beraten werden soll, bereits zweimal verschoben wurde. Nun soll sie nach Informationen unserer Redaktion am 29. Juli stattfinden. Die Einladungen müssen spätestens am Dienstag, 23. Juli, verschickt werden. Ob dann schon der „Tag der Wahrheit“ sein wird, gilt angesichts des großen Abstimmungsbedarfs und der komplexen Materie als offen.

Es sollen dem Vernehmen nach nur Eckpunkte und keine Details des Stahlkonzepts präsentiert werden. Offiziell heißt es bei Thyssenkrupp deshalb vorsichtig: „Derzeit sind verschiedene Arbeitsgespräche angesetzt mit dem Ziel, den Business-Plan im Aufsichtsrat der Thyssenkrupp Steel AG vorzustellen. Dies ist noch im Laufe des Sommers geplant.“

Große Sorge um HKM im Duisburger Süden

Allerdings drängt die Zeit. Im April läuft der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag aus, weil inzwischen das Unternehmen EPCG des tschechischen Milliardärs Daniel Kretinsky mit einem Anteil von 20 Prozent bei Thyssenkrupp Steel eingestiegen ist. Die Stahlsparte werde „vorerst weiterhin durch den Thyssenkrupp-Konzern finanziert. Die Stahlsparte bleibt weiterhin eine vollkonsolidierte Gesellschaft, die in den Finanzierungsverbund des thyssenkrupp Konzerns eingebunden ist“, erklärte das Unternehmen dazu.

Die geplante Drosselung der Stahlproduktion wird auch Auswirkungen auf die Hüttenwerke Krupp-Mannesmann (HKM) und ihre 3000 Beschäftigten im Duisburger Süden haben. Thyssenkrupp gehören die Hochöfen und die Kokerei zur Hälfte. Miteigentümer sind Salzgitter und der französische Röhrenhersteller Vallourec. Einem Bericht der „Rheinischen Post“ zufolge sollen sich López und Osburg einig sein, dass der „Kahlschlag“ bei HKM stattfinden solle. Für das Werk liegt inzwischen ein Übernahmeangebot von CE Capital Partners aus Hamburg vor.

Bas (SPD): Bei HKM-Schließung ist das ganze Ruhrgebiet auf den Beinen

Sollte der Verkauf scheitern, gilt auch eine Schließung von HKM als möglich. Genau vor diesem Szenario warnte vor einigen Tagen die Duisburger SPD-Abgeordnete und Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, die im Aufsichtsrat von HKM sitzt, in einem Interview mit der „Rheinischen Post“. Sie sagte: „Thyssenkrupp darf sich nicht auf Kosten von HKM sanieren. Wenn HKM schließt oder Thyssenkrupp den Stahl abwickelt, wäre das ganze Ruhrgebiet auf den Beinen.“ Auch die IG Metall hat deutlich gemacht, dass eine Schließung von HKM mit ihr nicht zu machen sein. Für kommende Woche plant die Gewerkschaft eine Kundgebung im Duisburger Süden.

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