Duisburg/Essen. Thyssenkrupp Steel-Aufsichtsräte Sigmar Gabriel und Detlef Wetzel verkünden Einigung mit Investor Daniel Kretinsky.
Die anstehenden Einschnitte bei Deutschlands größtem Stahlkonzern Thyssenkrupp Steel sollen ohne betriebsbedingte Kündigungen erfolgen. Das stellten der Aufsichtsratschef des Unternehmens, der frühere Vizekanzler Sigmar Gabriel, und sein Stellvertreter Detlef Wetzel im Gespräch mit unserer Redaktion klar. „Bevor wir mit unserem Restrukturierungsflugzeug abheben, müssen alle Beteiligten wissen, wo die Landebahn ist“, sagte Gabriel. „Deshalb war es so wichtig, die Vereinbarung zum Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen zu schließen. Immerhin reden wir hier über das Schicksal von 27.000 Beschäftigten und ihren Familien.“
Der frühere IG Metall-Chef Detlef Wetzel, der nun Vize-Aufsichtsratschef von Thyssenkrupp Steel ist, äußerte sich ähnlich. „Dass wir betriebsbedingte Kündigungen bei Thyssenkrupp Steel im Zuge der Restrukturierung ausschließen können, ist ein wichtiger Schritt“, sagte Wetzel. „Absehbar ist aber auch: Es wird noch vielen Menschen im Unternehmen viel abverlangt werden.“
Der Vorstand von Thyssenkrupp Steel hatte angekündigt, das Unternehmen solle für eine deutlich geringere Produktion neu zugeschnitten werden. Bislang seien die Anlagen auf eine Jahresproduktion von rund 11,5 Millionen Tonnen ausgelegt. Künftig sollen es lediglich neun bis 9,5 Millionen Tonnen sein. Damit fällt fast ein Viertel der Produktion weg. Es werde einen „noch nicht bezifferbaren Abbau von Arbeitsplätzen“ geben, hatte das Management verkündet, ohne Jobzahlen zu nennen.
Massiver Stellenabbau bei Thyssenkrupp Steel erwartet
Als eine Faustformel in der Stahlindustrie gilt: „Eine Million Tonnen gleich 1000 Arbeitsplätze.“ Große Werke von Thyssenkrupp Steel befinden sich in Duisburg, Bochum, Dortmund und in Südwestfalen. Gegen den Willen der Arbeitnehmervertreter hat der Thyssenkrupp-Konzernaufsichtsrat zudem beschlossen, dass der tschechische Geschäftsmann Daniel Kretinsky bei der Stahlsparte einsteigen kann.
Der Aufsichtsrat von Thyssenkrupp Steel hatte Sigmar Gabriel und Detlef Wetzel damit beauftragt, Grundsätze der Zusammenarbeit zwischen der Thyssenkrupp AG, der Thyssenkrupp-Stahlsparte und der Kretinsky-Firma EPCG zu vereinbaren. Ein dreiseitiges Schriftstück dazu liegt unserer Redaktion vor. Das Papier haben unter anderem Thyssenkrupp-Vorstandschef Miguel López und Stahlchef Bernhard Osburg sowie Daniel Kretinsky unterzeichnet, außerdem die Personalverantwortlichen Oliver Burkhard und Markus Grolms. Mehrfach sei er zu Gesprächen mit Kretinsky nach Prag gereist, berichtete Sigmar Gabriel.
Ein entscheidender Punkt in dem Konzern-Papier lautet: „Sicherstellung einer mehrjährigen Beschäftigungssicherung und Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen.“ Ein weiterer: „Übertragung der derzeitigen Mitbestimmungsregelungen der Thyssenkrupp AG auf die neue Obergesellschaft.“
Unverzüglich solle zudem eine „Begleitkommission“ aktiviert werden, um eine „umfassende Beteiligung“ der Arbeitnehmervertreter und einen „geregelten Austausch“ zwischen der Stahlsparte und den beiden künftigen Eigentümern Thyssenkrupp und EPCG zu gewährleisten. Die Kommission soll „für die gesamte Dauer der Vorbereitung und Realisierung der geplanten Restrukturierung bestehen bleiben“, wird in dem Konzern-Papier betont.
Kommission soll Gespräche bei Thyssenkrupp Steel begleiten
Die Begleitkommission soll sich unter anderem damit befassen, wie das industrielle Konzept von EPCG bei Thyssenkrupp Steel aussieht. Auch eine „angemessene Finanzausstattung“ gehört zu den Fragestellungen. Zudem geht es darum, ob sichergestellt sei, dass der Sitz einer etwaigen gemeinsamen Obergesellschaft von Thyssenkrupp AG und EPCG in Deutschland liegen werde.
Mit Blick auf den Umbau von Thyssenkrupp Steel sagte Aufsichtsratschef Sigmar Gabriel im Gespräch mit unserer Redaktion, es sei „wichtig, dass wir, bevor wir in die Debatte der einzelnen Maßnahmen einsteigen, einige Grundsätze mit allen Beteiligten vereinbaren, die vor allem für die Beschäftigten Sicherheit bringen sollen“. Gabriel fügte hinzu: „Dass sich nicht nur die Thyssenkrupp AG, sondern auch Daniel Kretinsky auf dieses Signal verständigt haben, ist ein wirklich gutes Zeichen und schafft viel Vertrauen. Damit haben wir die Grundlage geschaffen, um die anstehenden Herausforderungen mit allen Beteiligten in einem geordneten Verfahren zu diskutieren.“
Der Aufsichtsrat von Thyssenkrupp Steel „macht seinen Job“, sagte Wetzel unserer Redaktion. „Aber es sind noch einige Fragen zu klären, insbesondere zur Finanzierung des Stahls. Hier stehen die Eigentümer in der Verantwortung.“ Seit geraumer Zeit wird darum gerungen, wie Thyssenkrupp Steel bei einer Herauslösung auf dem Konzern finanziell ausgestattet werden soll, damit das Unternehmen Investitionen tätigen und Pensionszusagen erfüllen kann sowie für Krisen gewappnet ist. „Wir haben einen Lösungszug in Gang gesetzt“, so Wetzel. „Er rollt jetzt, darf aber auch nicht gleich wieder in Essen aus der Kurve fliegen.“
Weitere Texte aus dem Ressort Wirtschaft finden Sie hier:
- Thyssenkrupp: Sorgen um historisches Großprojekt in Duisburg
- Billigmode: KiK-Chef Zahn: „Eine Riesensauerei, was da gerade passiert“
- Standort Ruhrgebiet: Verlässt Evonik Essen? Konzern erwägt Umzug
- HKM: Investor greift nach Thyssenkrupp-Tochter HKM: Was er vorhat
- Vonovia: Toter lag über zwei Jahre unbemerkt in seiner Wohnung in NRW