Essen. Faule Gen Z? Von wegen: Viele wollen gründen, aber nicht alle schaffen es. In einer Ruhrgebietsstadt gibt es besonders viele Start-ups
Viele junge Menschen der sogenannten Generation Z können sich vorstellen, ihr eigenes Unternehmen zu gründen. Das geht aus einer Studie hervor, die die Bertelsmann-Stiftung am Donnerstag, 11. Juli, veröffentlicht hat. Fast jeder zweite 14- bis 25-Jährige hätte demnach Lust auf ein Start-up. Besonders gründungsfreudig sind jüngere Männer, die in Großstädten leben.
Tobias Bürger, Experte der Bertelsmann Stiftung für Jugend und Wirtschaft, nannte die hohe Zahl der potenziellen Unternehmerinnen und Unternehmer eine gute Nachricht. „Allerdings gehen viel weniger von ihnen diesen Schritt und gründen auch tatsächlich“, so Bürger. Laut Global Entrepreneurship Monitor 2023 gründet in Deutschland nur knapp jeder und jede Sechste zwischen 18 und 24 Jahren ein Unternehmen. „Das Potenzial für junges Unternehmertum in Deutschland wird noch zu selten gehoben.“ Schon in der Schulzeit müsse unternehmerisches Denken stärker gefordert werden, Erfolgsmodelle müssten sichtbarer werden und bürokratische Verwaltungsprozesse abgebaut werden, um das zu ändern.
Laut Umfrage planen elf Prozent der Befragten eine Gründung fest ein, weitere 29 Prozent sind sich noch nicht ganz sicher. Ein weiteres Drittel kann sich ein eigenes Start-up momentan eher nicht vorstellen, schließt die Möglichkeit aber auch nicht aus. Wer sich das nicht vorstellen kann, traut es sich oft nur nicht zu oder bezweifelt, über das nötige Wissen zu verfügen.
15 Prozent mehr Gründungen
In Deutschland werden nach einer längeren Flaute wieder mehr Start-ups gegründet. Der Trend macht sich auch in Nordrhein-Westfalen bemerkbar. Der Start-up-Verband spricht von einer „Trendwende“.
Im ersten Halbjahr 2024 stieg die Zahl der Neugründungen gegenüber dem zweiten Halbjahr 2023 um 15 Prozent. Das teilte der Start-up-Verband am Mittwoch, 10. Juli, mit. Mit 1384 Gründungen von Januar bis Juni nehme die Dynamik wieder klar zu. Nach dem starken Rückgang Mitte 2022 deute sich nun ein positiver Trend an, so der Verband. Bei den Gründungen liegen seit jeher die Länder Berlin, Bayern und Nordrhein-Westfalen vorn. Mit einem Plus von 25 Prozent war der Aufwärtstrend in NRW besonders spürbar. Der Hotspot Berlin legte aber sogar um 28 Prozent zu.
In NRW ist Düsseldorf führend bei Start-ups
Die Unterschiede sind immer noch gewaltig: Berlin kommt auf 7,1 Start-ups pro 100.000 Einwohner, die im ersten Halbjahr gegründet wurden. In Hamburg sind es 4,1, in Bremen 2,3. NRW kommt auf gerade einmal 1,4. Besonders schwach sei das Gründerklima in ländlichen Regionen, teilt der Verband mit. Mit 7,8 Start-ups pro 100.000 Einwohner führt Düsseldorf die Hitliste der nordrhein-westfälischen Kreise und Städte an.
Als einzige Ruhrgebietsstadt schafft es Dortmund mit dem Wert 3,0 auf Platz 10 des Oberhauses. In der Stadt der Technischen Universität Dortmund gab es von Januar bis Juni sieben neu gegründete Start-ups. Essen und Bochum kamen jeweils auf fünf, Gelsenkirchen auf vier und Duisburg auf drei. Zum Vergleich: In der Millionenstadt Köln wurden 39 Start-ups gegründet, Düsseldorf kam auf 24 und der Kreis Mettmann auf 16.
Dortmund und Essen büßen bei neuen Start-ups ein
Verglichen mit dem ersten Halbjahr 2023 büßten Dortmund und Essen jeweils vier Gründungen ein. Im Ruhrgebiet konnte allein Gelsenkirchen mit vier neuen Start-ups signifikant zulegen. Helmut Schönenberger, stellvertretender Vorsitzender des Start-up-Verbands, zeigt sich dennoch zufrieden. „Der deutliche Anstieg der Neugründungen zeigt, dass der Unternehmergeist in Deutschland stark ist. Die positive Entwicklung quer durch alle Regionen ist ein gutes Zeichen.“ Besonders erfreulich sei der Boom im Software-Sektor, „der wichtige Impulse für die Digitalisierung liefert. Dieser Dynamik sollte die Bundesregierung weiter Rückenwind geben – die Fachkräfteeinwanderung muss beschleunigt und das Kapital privater institutioneller Investoren für Wagniskapital mobilisiert werden”, fordert Schönenberger.
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