Essen. Mieter haben nur noch wenig Zeit für die Entscheidung, wie sie fernsehen wollen. Ab 1. Juli drohen dunkle Bildschirme. Tipps vom Mieterbund.
Der Countdown läuft. Ende Juni kann Kabelfernsehen nicht mehr über die Nebenkosten abgerechnet werden. Etliche große Vermieter verhandeln immer noch mit Anbietern über vergünstigte Konditionen. Solange hängen Mieterinnen und Mieter sozusagen in der Luft. Sollte kein neues Rahmenabkommen dabei herauskommen, müssen sie sich eigenständig darum kümmern, wie sie ab 1. Juli - also mitten in der Fußball-Europameisterschaft - Fernsehen gucken wollen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Warum gibt es denn überhaupt die Veränderungen beim Kabelfernsehen?
Bundestag und Bundesrat haben im Dezember 2021 das Telekommunikationsgesetz geändert. Nach einer Übergangszeit dürfen nun ab dem 1. Juli die Kosten für den Kabelanschluss in Wohnungen nicht mehr über die Nebenkosten abgerechnet werden. Von der Abschaffung des sogenannten Nebenkostenprivilegs betroffen sind bundesweit rund zwölf Millionen Haushalte, die bislang von vergünstigten Rahmenverträge ihrer Vermieter profitierten.
Welche Vorteile haben Mieterinnen und Mieter dadurch?
„Mieterinnen und Mieter haben nun die Freiheit, selbst zu entscheiden, ob sie einen Kabelanschluss nutzen möchten, in welcher Form und über welchen Anbieter sie das gegebenenfalls tun“, schreibt der Deutsche Mieterbund in einem Leitfaden. Denn bislang waren sie gezwungen, die Kabelgebühren zu bezahlen, sofern sie Teil der Miete oder der Nebenkosten waren.
Was müssen betroffene Mieterinnen und Mieterinnen vor dem 1. Juli tun?
„Diejenigen, die weiterhin Kabelfernsehen empfangen möchten, müssen sich nun aktiv darum kümmern“, bringt es der Mieterbund auf den Punkt. Das ist neu. Mieter können jetzt selbst einen Vertrag mit TV-Anbietern abschließen, der aber in der Regel einige Euro pro Monat teurer sein dürfte als bisher. Sie können aber auch auf alternative Techniken wie Satellit, DVBT-2 oder Fernsehen via Internet umsteigen.
Gibt es weiter die Möglichkeit, Kabelfernsehen über den Vermieter zu beziehen?
Ja, er darf die Kosten aber künftig nicht mehr über die Nebenkosten abrechnen. Es gibt aber zwei Alternativen. Der große Gelsenkirchener Wohnungskonzern Vivawest etwa hat eine Versorgungsvereinbarung für den Löwenanteil seiner 120.000 Wohnungen mit seinem Tochterunternehmen Marienfeld Multimedia geschlossen. Mieter, die weiterhin von diesem Anbieter mit Kabel-TV beliefert werden wollen, bezahlen den Anschluss künftig über die Miete, die entsprechend erhöht wird. Nach Angaben eines Sprechers habe sich eine Mehrzahl der Mieter dazu entschlossen, weiterhin Kabelfernsehen von Vivawest zu beziehen.
Der Immobilienriese Vonovia beschreitet dagegen den zweiten möglichen Weg. Die Bochumer haben jüngst mit dem Marktführer Vodafone einen Infrastrukturvertrag für 120.000 Wohnungen geschlossen. Er besagt, dass Vonovia-Mieter zum Preis von 9,99 Euro im Monat Kabelfernsehen von Vodafone beziehen können. Dazu müssen sie mit dem Anbieter aus Düsseldorf aber einen Direktvertrag schließen. Der Vorteil: Sie sparen etwas Geld. Denn ohne die Vereinbarung mit Vonovia müssten sie monatlich mindestens 12,99 Euro bezahlen.
Was sollten Mieter tun, deren Vermieter immer noch mit Kabel-Anbietern verhandeln?
Die Fälle sind auch dem Deutschen Mieterbund bekannt und ein Dilemma. „Vermieter sind natürlich nicht verpflichtet, ein Kabelangebot zu machen“, sagt Sprecherin Jutta Hartmann. Um zu verhindern, dass Mieter ab dem 1. Juli ohne Vertrag dastehen und „in die Röhre gucken“, rät die Mieterschützerin: „Man sollte sich langsam Gedanken machen, wie man künftig Fernsehen schauen will.“ Auch wenn der Vermieter ein neues Rahmenabkommen aushandele, empfiehlt Hartmann: „Mieter sollten sich in jedem Fall Vergleichsangebote einholen. Sie werden schließlich 24 Monate an den neuen Vertrag gebunden sein.“
Wird die Nebenkostenabrechnung gar nicht mehr mit Telekom-Leistungen belastet?
Doch. Die LEG etwa weist darauf hin, dass die Kosten für die Wartung von Satelliten-Anlagen und den Betriebsstrom weiterhin über die Nebenkosten abgerechnet werden können. Nach Angaben des Mieterbunds dürfen Vermieter darüber auch das sogenannte Überlassungsentgelt für neu verlegte Glasfaserleitungen umlegen. Das Entgelt dürfe aber nur maximal 60 Euro pro Jahr betragen und sei auf die Dauer von fünf Jahren beschränkt. Sollte der Vermieter die Kabelkosten auch nach dem 1. Juli über die Nebenkosten abrechnen, sind die Mieter nach Einschätzung des Mieterbunds nicht verpflichtet, den Betrag zu entrichten. Die Abrechnung für das Jahr 2024 soll deshalb sorgfältig geprüft werden, raten die Mieterschützer.
Sind bereits Ungereimtheiten bei Vermietern bekannt geworden?
Ja. Der Mieterbund hat nach eigenen Angaben Kenntnis von Fällen, in denen Vermieter suggerieren, ihre Mieter hätten keine Wahl und müssten dem ausgehandelten Rahmenabkommen für Kabel-TV beitreten. „Das ist natürlich falsch“, betont Sprecherin Hartmann. Generell sollten keine Verträge unter Druck und ohne ausreichende Prüfung abgeschlossen werden. Keine Einwände hat der Mieterbund indes dagegen, dass große Wohnungskonzerne unter Umständen an den Rahmenverträgen mitverdienen. Sie müssen die ausgehandelten Konditionen nicht 1:1 an die Mieter weitergeben. Die Mieterbund-Sprecherin: „Die Unternehmen haben dadurch ja auch einen höheren Aufwand.
Weitere Texte aus dem Ressort Wirtschaft finden Sie hier:
- Thyssenkrupp: Sorgen um historisches Großprojekt in Duisburg
- Billigmode: KiK-Chef Zahn: „Eine Riesensauerei, was da gerade passiert“
- Standort Ruhrgebiet: Verlässt Evonik Essen? Konzern erwägt Umzug
- HKM: Investor greift nach Thyssenkrupp-Tochter HKM: Was er vorhat
- Vonovia: Toter lag über zwei Jahre unbemerkt in seiner Wohnung in NRW