Düsseldorf. Auf bis zu 15 Millionen Haushalte kommen im Sommer 2024 gravierende Änderungen bei ihrem Kabelfernsehen-Anschluss zu. Warum Kabel teurer wird.
Mitten in die Fußball-Europameisterschaft 2024 fällt für Millionen Haushalte in Deutschland ein Stichtag, an dem sich etwas an ihrem Kabelfernsehanschluss ändern wird. Denn ab dem 1. Juli dürfen Vermieter die TV-Gebühren nicht mehr über die Nebenkosten einziehen. Spätestens bis zum Sommer des nächsten Jahres müssen sich die betroffenen Mieterinnen und Mieter, immerhin sind es fast ein Drittel, Gedanken machen, ob und wie sie künftig Kabelfernsehen empfangen oder sich eine Alternative suchen wollen. Fest steht schon jetzt: Es dürfte teurer werden.
Nach langen politischen Auseinandersetzungen hatte der Bundestag am 1. Dezember 2021 das sogenannte „Nebenkostenprivileg“ abgeschafft. Durch die Novelle des Telekommunikationsgesetzes werden Mieterinnen und Mieter zum 30. Juni 2024 von der Pflicht befreit, den Kabelfernsehen-Anbieter zu bezahlen, mit dem ihr Vermieter ein Rahmenabkommen geschlossen hat. Der neuen Wahlfreiheit steht aber auf der anderen Seite gegenüber, dass sie von den teils sehr günstigen Tarifen profitieren können, die die Vermieter ausgehandelt haben.
Vermieter können günstige Kabelgebühren nicht mehr umlegen
Kabelfernsehen dürfte also teurer werden. „Bei Einzelverträgen werden die Kosten leicht steigen“, sagt Vodafone-Geschäftsführer Marcel de Groot. Der Düsseldorfer Telekommunikationskonzern ist mit Abstand der größte Kabelfernsehen-Anbieter in Deutschland. Haushalte, die über günstige Sammelverträge bislang im Schnitt monatlich sieben bis neun Euro für das Kabel bezahlen, müssen sich nach Einschätzung von Vodafone ab Mitte 2024 auf Kosten zwischen acht und zehn Euro einstellen.
Aber nur dann, wenn das Wohnungsunternehmen einen neuen Sammelvertrag mit einem Kabelanbieter abschließt. Der Unterschied zur bisherigen Regelung: Mieterinnen und Mieter müssen den Monatsbeitrag direkt an die Kabelanbieter überweisen, weil eine Abrechnung über die Nebenkosten für die Wohnung ab 30. Juni 2024 untersagt sein wird.
Vodafone: „Unter dem Strich werden wir Kunden verlieren
„Wir bieten weiter Sammelverträge an und verhandeln gerade mit Wohnungsunternehmen sogenannte Versorgungsvereinbarungen. Die Wohnungswirtschaft zeigt großes Interesse daran“, erklärt Vodafone-Manager de Groot. Für Haushalte, deren Vermieter keine solche Vereinbarung abschließen, will der Düsseldorfer Konzern einen individuellen Basisvertrag mit 100 TV-Sendern anbieten, der mit 12,99 Euro immer noch günstiger sei als der Standard-Einzeltarif von 19,99 Euro monatlich.
Obwohl sich Vodafone frühzeitig auf die neue Lage vorbereitet, rechnet der Konzern damit, dass er Marktanteile verlieren wird. „Wir bei Vodafone sind relativ entspannt, denn wir sind gut vorbereitet. Natürlich befürchten wir, dass wir unter dem Strich Kunden verlieren werden“, sagt de Groot. Insbesondere junge Leute verzichten häufig ganz auf vertikales Fernsehen. Andere schauen per Satellit oder DVB-T2.
Die meisten Haushalte schauen Fernsehen via Kabel
Dass die Kabelfernseh-Technologie veraltet sei, wie seinerzeit Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) argumentiert hatte, weist man bei Vodafone allerdings zurück. „Kabel ist eine Technologie, die bleiben wird. Der große Vorteil ist, dass Fernseher in jedem Zimmer der Wohnung angeschlossen werden können und keine zusätzlichen Geräte wie Receiver nötig sind. Es gibt noch Haushalte, die nur einen Fernseher haben“, erklärt de Groot.
Viele Mieterinnen und Mieter werden sich also zu Beginn des neuen Jahres Gedanken machen müssen, wie sie künftig fernsehen wollen. „Wir gehen davon aus, dass zwölf bis 15 Millionen Mieterinnen und Mieter von der Umstellung betroffen sind. Die meisten Haushalte in Deutschland empfangen Fernsehen über das Kabelnetz. Das Gros schaut Fernsehen über das Kabelnetz von Vodafone“, sagt der Geschäftsführer und beruhigt im gleichen Atemzug: „Es wird kein zentrales Abschaltdatum geben. Kunden müssen nicht befürchten, dass sie zum 1. Juli 2024 vom Fernsehempfang abgeklemmt werden.“
Ein Drittel der Mieter ist noch unentschlossen
Aus einer Umfrage weiß man bei Vodafone aber, dass die Reform der Kabelwelt längst nicht im Bewusstsein aller Mieterinnen und Mietern angekommen ist. Aus einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Civey im Auftrag von Vodafone geht hervor, dass mehr als die Hälfte der Mieter weiter über Kabel fernsehen wollen. Rund ein Drittel ist aber noch unentschlossen. 14 Prozent wollen künftig auf Kabel-TV verzichten.
So reagieren die Wohnungskonzerne:
Vivawest versorgt seine knapp 120.000 Wohnungen über das Tochterunternehmen Marienfeld Multimedia GmbH. Die Mieterinnen und Mieter sollen nach Angaben eines Sprechers künftig wählen können, ob sie weiterhin Kabelfernsehen von Marienfeld beziehen wollen. Um die neuen gesetzlichen Bestimmungen einzuhalten, will Vivawest die TV-Kosten zum Bestandteil der Miete erklären. Wer das Fernsehangebot von Marienfeld nicht weiter nutzen will, müsse der „Ausgliederung der Kosten der Fernsehversorgung aus den Betriebskosten widersprechen“, teilt das Unternehmen mit.
Die bisherigen Sammelverträge bei der TV-Versorgung nutzen bei Vonovia aktuell mehr als 90 Prozent der Mieterinnen und Mieter, teilt das Unternehmen mit. Ein Projektteam arbeite gerade daran, die Informationen über die anstehenden Änderungen vorzubereiten. Ziel sei es, die Umstellung „möglichst reibungslos“ zu realisieren, sagte ein Sprecher. „Um unseren Mieterinnen und Mietern einen ähnlichen Service wieder anzubieten, nämlich zukünftig Verträge auf Einzelvertragsbasis abschließen zu können, laufen aktuell Gespräche mit den Versorgung-/Vertragspartnern“, heißt es bei Vonovia.
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Die LEG steckt nach eigenen Angaben noch in den Vorbereitungen.