Essen. Tausende Stahlarbeiter wollen am Donnerstag vor der Essener Zentrale von Thyssenkrupp demonstrieren. Auch Konzernchef Lopez wird erwartet.
IG Metall und Thyssenkrupp-Betriebsrat lassen nicht locker: Nach der Großdemo vor vier Wochen in Duisburg rufen sie für Donnerstag die Stahlkocher dazu auf, vor die Essener Konzernzentrale zu ziehen. Dort sollen sie dem Vorstand um den Vorsitzenden Miguel Lopez ihre Meinung sagen. Das gab die IG Metall am Dienstag offiziell bekannt. Tausende wollen dem Ruf folgen und zum Essener Quartier kommen, heißt es aus Gewerkschaftskreisen. Aufgerufen sind Beschäftigte aller Stahlstandorte, allerdings dürfen aus Sicherheitsgründen nicht mehr als 5000 an der Protestkundgebung vor der Zentrale teilnehmen.
Als Redner hat sich auch der Landesarbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) angesagt. Ebenso der zweite Vorsitzende der IG Metall, Jürgen Kerner und natürlich der Konzernbetriebsratschef Tekin Nasikkol. Auch mit der Teilnahme von Konzernchef Miguel Lopez, der in Duisburg vermisst wurde, ist zu rechnen, wie unsere Redaktion aus dem Unternehmen erfuhr.
Thyssenkrupp-Aufsichtsrat soll Kretinsky-Einstieg zustimmen
Mit kämpferischen Reden und Trillerpfeifen wollen die Beschäftigten und ihre Vertreter am Donnerstag zwischen 11 und 13 Uhr die Aufsichtsräte empfangen, die nach Informationen unserer Redaktion am Mittag zusammentreten wollen. Das Kontrollgremium des Gesamtkonzerns muss noch dem von Lopez eingestielten Einstieg des tschechischen Milliardärs Daniel Kretinsky mit seinem Unternehmen EPCG zustimmen, das 20 Prozent an der Stahlsparte übernehmen will.
„Die Verkündung des Einstiegs von EPCG war bisher eine PR-Aktion, die die Aktie von Thyssenkrupp etwas hat ansteigen lassen. Mehr Substanz hatte das bis jetzt nicht“, kritisert Knut Giesler, NRW-Chef der IG Metall, im Vorfeld der Protestveranstaltung, „und für diese PR-Aktion hat Herr Lopez ein weiteres Mal die Mitbestimmung im Konzern brüskiert und die Belegschaften verunsichert.“ Diese „Wut“ werde er am Donnerstag vor der Aufsichtsratssitzung zu spüren bekommen, sagte Giesler unserer Redaktion.
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Zwischen den Beschäftigten der Stahlsparte und dem Konzernvorstand herrscht seit Wochen dicke Luft. Immer wieder Stein des Anstoßes ist laut Arbeitnehmervertretern, dass Lopez sie in wichtige Entscheidungen nicht einbeziehe beziehungsweise nur so weit einbeziehe, wie er müsse. Das sind IG Metall und Betriebsrat beim Traditionskonzern anders gewohnt.
Frühzeitige Beteiligung erst bei Mehrheitsabgabe?
Lopez lässt dagegen immer wieder betonen, die Mitbestimmung werde selbstverständlich einbezogen. Zum Einstieg Kretinskys verwies die Vorstandsetage jedoch auf eine Vereinbarung mit der IG Metall zur frühzeitigen Beteiligung, die nur für den Fall „signifikanter Veränderungen der Gesellschafterstruktur einer Unternehmenseinheit“ gelte. Gebe Thyssenkrupp die Mehrheit an einer Tochter ab, soll demnach bereits im Vorfeld eine sogenannte Best- oder Fair-Owner-Regelung mit der Arbeitnehmerseite getroffen werden. Damit sollen etwa Job- und Standortgarantien vereinbart oder der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen geregelt werden.
Das nur indirekt ausgesprochene, aber deutliche Signal aus dem Management lautet: Da Kretinsky zunächst nur ein Fünftel am Stahl übernimmt, hält der Vorstand dies bisher nicht für nötig. Allerdings ist eine Aufstockung des Tschechen und seines EPCG-Konzerns auf 50 Prozent im geschlossenen Vertrag bereits als gemeinsames Ziel festhalten.
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„Es ist eine Ungeheuerlichkeit, wie die Beschäftigten von López und Kretinsky im Dunkeln gehalten werden“, sagte unlängst der frühere IG Metall-Vorsitzende Detlef Wetzel unserer Redaktion, er ist stellvertretender Aufsichtsratschef von Thyssenkrupp Steel. In Flugblättern erklärte die IG Metall: „Herr López sollte sich nicht zu sicher fühlen. Er hat starke Gegner. Uns!“ Weil Lopez Ende April nicht auf der Stahlkundgebung erschienen war, kündigten Teilnehmer damals schon an, dann eben zu ihm nach Essen zu kommen.
Thyssenkrupp: „Herr Lopez wird sich Treffen nicht verwehren“
Wie aus der Konzernzentrale zu hören ist, will Lopez diesmal wohl ans Mikrofon treten und zu den Leuten sprechen. „Wenn Herr Lopez am Donnerstag zur Aufklärung und zum Informationsaustausch beitragen kann, dann wird er sich einem Treffen mit den Beschäftigten und den Arbeitnehmervertretern nicht verwehren“, sagte ein Konzernsprecher unserer Redaktion.
Auf der Bühne wird er dann wahrscheinlich auch auf Landesarbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) treffen. Der hatte schon Ende April vor der Duisburger Stahlzentrale zu den Beschäftigten gesprochen. Die Landesregierung stehe an ihrer Seite, versicherte er vor vier Wochen den rund 8000 Demonstrierenden. An Lopez richtete er den Appell, die Beschäftigten mitzunehmen, er trage „auch eine Verantwortung für die Beschäftigten und das gesamte Land, sagte Laumann in Duisburg. Und fügte an, in NRW gehöre „die soziale Partnerschaft zur Staatsräson“.
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Nach der Veranstaltung nehmen Nasikkol und Kerner an der anberaumten Sitzung des Konzernaufsichtsrates teil. Der soll dem 20-Prozent-Einstieg Kretinskys bei Thyssenkrupp Steel Europe absegnen. Dem Vernehmen nach soll es aber noch nicht im Detail um die Strategie des Stahlvorstands für die kommenden Jahre gehen. Den Abbau von fast einem Viertel der Stahlproduktionskapazitäten und einer nicht bezifferten Zahl von Arbeitsplätzen hatte der bereits angekündigt.
Wichtige Details zur Zukunft des Thyssenkrupp-Stahls bleiben offen
Wichtige Details zu betroffenen Standorten und der Frage, wo welche Kohlehochöfen noch durch zukunftsweisende Direktreduktionsanlagen ersetzt werden sollen, die zuerst mit Gas und später mit Wasserstoff betrieben werden können, bleiben damit auch nach diesem Donnerstag offen. Da dies Auswirkungen auf viele Thyssenkrupp-Standorte sowie auf die 50-Prozent-Tochter HKM im Duisburger Süden haben wird, müssen tausende Beschäftigte weiter um ihre Arbeitsplätze bangen.
„Wir wollen wissen, welches industrielle Konzept hinter dem Einstieg von Kretinsky steht“, dringt Gewerkschaftschef Giesler auf Antworten. „Außerdem fordern wir den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen, Standortgarantien und Investitionszusagen. Das werden wir gemeinsam mit den Beschäftigten am Donnerstag sehr deutlich machen“, kündigt Giesler an.
Chinesischer Billigstahl und schwächelnde Autoindustrie verstärken Sorgen
Die jüngsten Bilanzzahlen von Thyssenkrupp verstärken die Sorgen um Thyssenkrupp Steel: Für die erneuten Konzernverluste machte Lopez vor allem die Stahlproduktion und den Stahlhandel verantwortlich. Die gesamte europäische Stahlindustrie leidet aktuell unter einer Schwemme günstigen Stahls aus Fernost, vor allem aus China, die deutsche zudem an hohen Energiekosten und der Schwäche der deutschen Autoindustrie.
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