Essen. Trotz Rekordgewinnen ist die Aktie des Essener Stromriesen massiv eingebrochen. Warum die Anteilseigner Konzernchef Krebber die Schuld geben.
Einen Rekordgewinn nach dem andern erzielte der Essener Stromriese RWE in den vergangenen Jahren. Er profitierte nicht zuletzt auch von der Energiekrise, die im Zuge des russischen Überfalls auf die Ukraine zu enormen Preissprüngen bei Strom und Gas führte. Doch seit sich die Preise wieder normalisieren, geht es bergab mit der RWE-Aktie, sie verlor in den vergangenen Monaten ein Fünftel ihres Werts. Dass die Aktionärinnen und Aktionäre sich darüber nicht freuen, wird Konzernchef Markus Krebber auf der virtuellen Hauptversammlung nicht überrascht haben. Aber vielleicht die Klarheit, mit der viele ihn persönlich für den Kursrutsch verantwortlich machen.
Denn obwohl zu erwarten war, dass die Strompreise wieder sinken und die Zeit der Rekordgewinne damit für RWE vorbei sein würde, machen die Anteilseigner auch das Management verantwortlich für den Absturz ihrer Aktien. Dabei geht es einmal mehr um die Kohle: Krebber solle den Ausstieg oder die Ausgliederung des klimaschädlichen Geschäfts mit der Braunkohle im rheinischen Revier beschleunigen. Die Finanzmärkte bevorzugen grüne Aktien - und das ist das RWE-Papier noch längst nicht, obwohl die Kohle seit Jahren nicht mehr zum Kerngeschäft zählt.
„Strompreisverfall hat RWE-Investoren kalt erwischt“
„Der Strompreisverfall hat die Investoren kalt erwischt und Druck auf den Aktienkurs ausgeübt. Nach zwei sehr guten Jahren ist RWE nun wieder in der rauen Realität angekommen“, sagte Ingo Speich von der Sparkassen-Fondsgesellschaft Deka. Das habe mehrere Gründe, aber eine hausgemachte Ursache sieht Speich in der „Enttäuschung am Kapitalmarkt“ darüber, dass sich die Hoffnungen auf ein Abstoßen der Kohleaktivitäten in eine staatliche Stiftung nicht erfüllt haben.
Um die Vorlieben der Investoren wissend, hat sich RWE stets offen dafür gezeigt, sein Kohlegeschäft dem Staat zu überlassen. Nur ist der nicht ganz so begeistert von einer Stiftungslösung wie es die RWE-Aktionäre sind. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Landesministerin Mona Neubaur (beide Grüne) haben mit Krebber den Ausstieg 2030 verhandelt - und wollen RWE bis dahin auch nicht aus der Verantwortung lassen.
Immerhin trägt der Staat bereits jetzt die Risiken für die Zeit nach 2030: Würde die Braunkohle dann noch gebraucht, etwa weil die als Ersatz benötigten Gaskraftwerke bis dahin nicht fertig werden, müsste der Staat die Betriebskosten tragen, wie Krebber gern betont. Ebenso, dass es langsam eng wird, weil die Bundesregierung noch immer keine detaillierten Rahmenbedingungen für die gewünschten Gaskraftwerke vorgelegt hat.
Den Aktionärsvertretern reicht das nicht: Benedikt Kormeier vom aktivistischen Investor Enkraft wirft Krebber „Desinteresse“ vor, „die wichtigen strategischen Fragen des Unternehmens“ anzugehen, vor allem die schnelle Abtrennung des Braunkohlegeschäfts. „Herr Krebber scheint kein Problem damit zu haben, wichtige strategische Entscheidungen auf die lange Bank zu schieben, um politisch genehm zu sein“, wird Kormeier auch persönlich.
„Herr Krebber, finden Sie endlich eine Lösung“
„Finden Sie endlich eine Lösung für dieses – aus staatlicher Sicht vielleicht strategische, aber für RWE ungeeignete – Asset, Herr Krebber!“, ruft Henrik Pontzen von Union Investment, der Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken, dem RWE-Chef zu. Was nur politisch, aber nicht von RWE gewollt sei, sollte beim deutschen Staat landen, findet Pontzen und erinnert daran, dass der Staat beim Düsseldorfer Uniper-Konzern ja ebenfalls eingestiegen ist, um die Versorgung mit fossiler Energie zu sichern.
Konzernchef Krebber betonte die für die Wirtschaft und die Verbraucher positiven Ursachen für den Kursrutsch der Aktie: „Die Gasversorgung in Europa ist wieder stabil. Die Versorgungssicherheit gewährleistet“, sagte er, auch die Strompreise seien deshalb kräftig gesunken. Damit ist freilich auch die Zeit der Rekordgewinne für RWE und andere Stromerzeuger vorbei. Die Gewinne erzielte RWE aber auch in den vergangenen Jahren kaum mit der Braunkohle, sondern überwiegend mit Grünstrom und dem Großhandel.
RWE-Chef: Je schneller der Erneuerbaren-Ausbau, desto eher der Kohleausstieg
Krebber zeichnete eine grüne Erfolgsbilanz für 2023: „14 neue Windparks an Land, 15 Freiflächen-Solaranlagen und neun Groß-Batterien – das ist unsere stolze Bilanz bei den Inbetriebnahmen im vergangenen Jahr.“ Die CO₂-Emissionen habe der Konzern um 27 Prozent auf 60 Millionen Tonnen erneut deutlich reduziert. Und mit weiteren Grünstrom-Projekten mit einer Erzeugungskapazität von mehr als 100 Gigawatt in der Pipeline gehe RWE diesen Weg weiter. „Je schneller der Ausbau der Erneuerbaren vorangeht, desto eher werden unsere Braunkohlekraftwerke nicht mehr gebraucht“, betonte Krebber. Beides gehöre zusammen.
Auch interessant
Den Ausbau der Erneuerbaren loben viele Aktionärsvertreter beim virtuellen Treffen auch ausdrücklich. Doch Deka-Nachhaltigkeitschef Speich betonte, gleichwohl belasteten die sehr hohen CO₂-Emissionen der Braunkohlekraftwerke die Umweltbilanz und den Aktienkurs von RWE nach wie vor, sorgten für einen strukturellen Abschlag von rund 15 Prozent. „RWE muss sich schneller bewegen“, fordert Speich und warnt: „Wenn immer mehr Investoren kritischer auf CO₂-Emissionen schauen, kann sich der Bewertungsabschlag auch ausweiten.“
RWE erwartet Gewinneinbruch um mehr als die Hälfte
Der allgemeinen Klage über die gesunkenen Strompreise auf der RWE-Hauptversammlung werden sich die meisten Unternehmen sowie die privaten Verbraucherinnen und Verbraucher wohl nicht anschließen. Sie fragen sich eher, warum sie davon noch wenig spüren. Die Stromrechnungen ihrer Versorger, also für Privathaushalte nicht von RWE, sondern von Eon, den Stadtwerken und anderen Händlern, sind zuletzt im Schnitt etwas günstiger geworden, von einem Preisrutsch wie an der Strombörse kann aber keine Rede sein.
Umso mehr spürt Deutschlands größter Stromerzeuger den von den Verbrauchern ersehnten Preisrutsch bereits. In seiner Prognose für das laufende Jahr geht RWE von stark sinkenden Ergebnissen aus: Der operative Gewinn (Ebitda) werde zwischen 5,2 und 5,8 Milliarden Euro und der Nettogewinn zwischen 1,9 und 2,4 Milliarden Euro liegen, so die Prognose aus dem Herbst. Die kann RWE zwar noch halten, geht aber davon aus, jeweils an den unteren Rändern der Spanne zu landen. Beim Nettogewinn wäre das ein Einbruch um mehr als die Hälfte - 2023 blieb unterm Strich ein Nettogewinn von 4,5 Milliarden Euro übrig.
RWE: Dividende steigt weiter in 10-Cent-Schritten
Trotz der erneut aufgeflammten Kontroverse um die Braunkohle erklärten die meisten Aktionärsvertreter, in allen Punkten im Sinne der Konzernverwaltung abstimmen zu wollen. Naheliegenderweise auch dem Vorschlag des Vorstands, die Dividende für 2023 um zehn Cent auf einen Euro je Aktie zu erhöhen. Er wurde mit großer Mehrheit angenommen. Für das laufende Geschäftsjahr soll sie trotz sinkender Gewinne planmäßig weiter steigen - auf 1,10 Euro je Aktie.
Weitere Texte aus dem Ressort Wirtschaft finden Sie hier:
- Vorwerk-Chef: Meine Frau wollte auch keinen Thermomix haben
- Biermarkt: Darum verkauft Stauder schweren Herzens wieder Dosenbier
- Sorgen bei Thyssenkrupp: „Stahlindustrie kämpft um Existenz“
- Galeria-Doppelschlag gegen Essen: Warenhaus und Zentrale weg
- Menschen in Not: So reagieren Einzelhändler auf Bettler vor ihrer Ladentür