Duisburg/Essen. Tiefer Einschnitt bei Thyssenkrupp Steel: Nach Treffen von Aufsichtsratsgremium äußert sich der Konzern zum geplanten Personalabbau.
Deutschlands größter Stahlkonzern Thyssenkrupp Steel plant tiefe Einschnitte an seinen nordrhein-westfälischen Standorten. Wie das Unternehmen am Donnerstagabend nach einer Sitzung eines Aufsichtsratsgremiums mitteilte, sollen die Werke für eine deutlich geringere Produktion neu zugeschnitten werden. Bislang sind die Anlagen auf eine Jahresproduktion von rund 11,5 Millionen Tonnen ausgelegt, künftig sollen es lediglich neun bis 9,5 Millionen Tonnen sein. Damit soll fast ein Viertel der Produktion wegfallen. Tausende Arbeitsplätze sind bedroht.
Thyssenkrupp Steel erklärte, es werde einen „noch nicht bezifferbaren Abbau von Arbeitsplätzen“ geben, „der auch die nachgelagerten Weiterverarbeitungsstufen sowie die Verwaltungs- und Dienstleistungsbereiche betreffen“ werde. „Es ist das erklärte Ziel, betriebsbedingte Kündigungen auch weiterhin zu vermeiden“, heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens. Die Pläne der Neuaufstellung sollen demnach „umgehend weiter konkretisiert“ und anschließend mit den Mitarbeitervertretern beraten werden.
Als eine Faustformel in der Stahlindustrie gilt: „Eine Million Tonnen gleich 1000 Arbeitsplätze.“ Derzeit beschäftigt der aus Duisburg geführte Stahlkonzern Thyssenkrupp Steel rund 27.000 Mitarbeiter.
Zum Essener Thyssenkrupp-Konzern gehören insgesamt rund 100.000 Beschäftigte, die unter anderem bei Anlagenbauern, Autozulieferern, in Werften und im Werkstoffhandel tätig sind.
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Bei Thyssenkrupp Steel gilt derzeit eine Job-Garantie bis zum März 2026. „Daran lassen wir nicht rütteln“, betonte die IG Metall unlängst in einem Flugblatt. Bei HKM gibt es einen Haustarifvertrag, der betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2025 ausschließt.
Belegschaftsversammlung im Stadion des MSV Duisburg
Am Freitag (12. April) wollen sich Arbeitnehmervertreter der Stahlsparte im Essener Thyssenkrupp-Quartier versammeln und sich zum weiteren Vorgehen abstimmen. Für den 30. April plant der Betriebsrat eine Belegschaftsversammlung im Stadion des MSV Duisburg. Es seien mehr als 10.000 Teilnehmer möglich, heißt es im Kreise der Organisatoren.
Die geplanten Einschnitte bei Thyssenkrupp Steel lösen Besorgnis in der Politik aus. „Die heute vorgestellten Einschnitte bei Thyssenkrupp sind zwar kein Kahlschlag, aber dennoch eine ganz bittere Pille für NRW und das Ruhrgebiet“, sagte Sarah Philipp, die Vorsitzende der NRW-SPD, unserer Redaktion. „Insbesondere für HKM müssen jetzt schnell tragfähige Zukunftslösungen her. Wir brauchen jetzt einen gemeinsamen Kraftakt, damit auch im Duisburger Süden möglichst schnell klimaneutraler Stahl produziert wird.“
Auch der Stahlkonzern Salzgitter mischt in Duisburg mit
Neben Thyssenkrupp Steel sind auch der niedersächsische Stahlkonzern Salzgitter und der französische Rohrhersteller Vallourec an HKM beteiligt. Arbeitnehmervertreter von HKM hoffen auf den Aufbau einer Grünstahl-Produktion auf Basis von Wasserstoff. Ob es zu einer solchen milliardenschweren Investition kommt, ist offen. Für eine erste sogenannte DRI-Anlage, die im Norden Duisburgs bei Thyssenkrupp Steel entstehen soll, haben Bund und Land NRW bereits rund zwei Milliarden Euro aus der Staatskasse zugesagt.
NRW-SPD-Chefin Sarah Philipp, die aus Duisburg stammt, fordert weitere Anstrengungen der schwarz-grünen Landesregierung von Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). „Die Landesregierung muss endlich aus ihrem Dornröschenschlaf erwachen und mit einer aktiven Industrie- und Standortpolitik die klimaneutrale Weiterentwicklung des nordrhein-westfälischen Stahlstandorts anpacken“, sagte Philipp. Jeder Einschnitt bei Thyssenkrupp belaste den nordrhein-westfälischen Industriestandort insgesamt. Es gehe um „Arbeitsplätze, Wertschöpfungsketten und unseren industriellen Wohlstand“.
Thyssenkrupp-Chef López: Neuer „Business Plan“ für Stahlsparte
Bereits Ende Februar hatte Sigmar Gabriel, der Aufsichtsratsvorsitzende von Thyssenkrupp Steel, im Gespräch mit unserer Redaktion betont, der Konzern könne „nicht so weitermachen wie bisher“ und benötige „eine grundlegende Neuaufstellung“. Bis Mitte April werde der Vorstand daher ein entsprechendes Konzept vorlegen.
Seit Monaten lotet Thyssenkrupp-Vorstandschef Miguel López die Chancen für einen Teilverkauf der Stahlsparte aus. Interesse hat der tschechische Milliardär Daniel Kretinsky signalisiert. Mitte Februar hatte López erklärt, es gebe keine zeitliche Begrenzung für die Gespräche mit Kretinsky. Derzeit werde an einem neuen „Business Plan“ für Thyssenkrupp Steel gearbeitet. Das Ziel sei, auf dieser Basis mit Kretinsky zu einem guten Abschluss zu kommen.
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