Berlin. Nach wie vor leisten Frauen erheblich mehr unbezahlte Pflege- und Haushaltsarbeit. Nur in einer Sache sind die Männer ihnen voraus.

Die Kinder betreuen, den Haushalt führen, einkaufen gehen und Angehörige pflegen: Für viele Frauen in Deutschland sind all diese Aufgaben – meist als Care-Arbeit zusammengefasst – Teil des Alltags. Natürlich ohne Bezahlung und häufig auch ohne ausreichend Anerkennung. Und, wie eine neue Studie zeigt, noch immer mit wenig Unterstützung der Männer.

Im Schnitt investiert eine erwachsene Frau 39,1 Stunden in die unbezahlten Haushaltsaufgaben, das geht aus einer Studie des Wirtschaftsforschungsunternehmens Prognos hervor, die dieser Redaktion exklusiv vorliegt. Während Frauen bei der Care-Arbeit also einen Vollzeitjob ausüben, nehmen diese Aufgaben bei Männern eher ein Teilzeitvolumen ein. Durchschnittlich 25,2 Stunden kümmern Männer sich um Haushalt und Familie, rechnet die Studie aus. Grundlage für die Erhebung sind die Ergebnisse der Befragungen, die für das Sozio-oekonomische Panel durchgeführt werden.

Lesen Sie auch: Kommentar – Das bisschen Haushalt macht sich nicht von alleine

Das Missverhältnis schlägt sich dabei nicht nur im Zeitaufwand nieder, der auch Einfluss auf berufliche Chancen und damit die finanzielle Absicherung nimmt. Auch die psychische Belastung durch Betreuungsarbeit sollte nicht vernachlässigt werden. Wer sich um die Kinder kümmert, muss die Termine im Blick behalten und für Fragen und Sorgen zur Verfügung stehen. Wer Angehörige pflegt, muss sich mit Krankheit, Leid oder sogar dem Tod auseinandersetzen.

Männer machen den Garten, Frauen den Rest

Insbesondere in die Kinderbetreuung, Haushaltsarbeit und Pflege investieren Frauen jeweils etwa doppelt soviel Zeit wie Männer, stellt die Studie, die sich auf Zahlen aus dem Jahr 2021 bezieht, heraus. Nur in der Kategorie Gartenarbeit und Reparaturen wenden Männer im wöchentlichen Durchschnitt mehr Zeit auf als Frauen. Dabei nahm 2021 vor allem die Kinderbetreuung in vielen Familien eine große Rolle ein. Durch die Corona-Pandemie hatten Schulen und Kindertagesstätten zumindest zeitweise geschlossen. Der Mehraufwand blieb – das legt die Studie nahe – meist bei den Frauen hängen.

Wie stark die Kinderbetreuung in die Unterschiede der Care-Arbeit einzahlt, zeigt auch eine Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Sie weist nach, dass der Unterschied in der Care-Arbeit, anders als bei ungleicher Bezahlung, mit dem Alter auch wieder nachlässt. „Ab einem Alter von 40 Jahren sinkt der Gender Care Gap, während der Gender Pay Gap konstant hoch bleibt“, so Clara Schäper, eine der Autorinnen der Studie. Grund dafür sei die ausbleibende Kinderbetreuung im hohen Alter.

Besonders in der Gesamtbetrachtung zeigt sich der enorme Zeitaufwand, der in die Care-Arbeit fließt. Im Jahr 2021 waren es 117 Milliarden Stunden, fast doppelt so viele wie die gesamten Arbeitsstunden in der Volkswirtschaft im gleichen Jahr. Auf Frauen entfällt dabei der Löwenanteil von 72 Milliarden Stunden.

117 Milliarden unbezahlte Care-Arbeitsstunden

All diese Arbeit bleibt natürlich unbezahlt, auch hier rechnet die Studie nach. Legt man den Durchschnittslohn des Jahres 2021 zugrunde, müssten allein Kinderbetreuung und Angehörigenpflege mit 1,2 Billionen Euro entlohnt werden. Das entspricht einem Drittel des deutschen Bruttoinlandsprodukts 2021. Auch hier, so die Studie, würde ein Großteil auf die Frauen entfallen, über 800 Milliarden Euro.

Diese Zahlen machen deutlich, wie wertvoll die geleistete Care-Arbeit eigentlich ist und wie sträflich sie vernachlässigt wird. Darauf soll auch der am 29. Februar stattfindende Equal-Care-Day hinweisen. Das Datum ist kein Zufall, das Schaltjahr spielt auf das ungleiche Verhältnis der geleisteten Care-Arbeit an. Demnach investieren Frauen in nur einem Jahr so viel Zeit in Care-Arbeit wie Männer in vier Jahren.

Nach wie vor sind diese Zahlen aber noch nicht bei allen angekommen. Das zeigt eine aktuell veröffentlichte Umfrage der Hans-Böckler-Stiftung. Demnach überschätzen Männer häufig ihren eigenen Anteil bei Kinderbetreuung und Haushaltsarbeiten. Tatsächlich gehen der Umfrage zufolge die meisten Väter und männlichen Beziehungspartner von einer Gleichverteilung aus, obwohl die Zahlen das klare Gegenteil beweisen.

Ungleiche Verteilung ist ein gesellschaftliches Problem

Eine weitere Untersuchung des DIW zeigt, dass in allen europäischen Ländern Frauen mehr Zeit in Care-Arbeit investieren. Deutschland liegt hier im Mittelfeld, die Untersuchung weist aber nach, dass Länder, die mehr Geld in Pflegeeinrichtungen investieren, deutlich besser da stehen. Denn: Wenn die Pflege alter und bedürftiger Menschen vom Staat abgedeckt wird, dann fällt sie weniger auf die Familien zurück, wo oft die Frauen einspringen müssen. Der Pflegenotstand schlägt sich also auch hier nieder.

Dass Frauen diese – oft undankbaren – Aufgaben übernehmen, ist tief in unserer Gesellschaft verwurzelt. Lange war das sogar gesetzlich geregelt. Noch bis 1977 stand im Bürgerlichen Gesetzbuch: „Die Frau führt den Haushalt in eigener Verantwortung. Sie ist berechtigt, erwerbstätig zu sein, so weit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist.“

Auch in der Erwerbsquote spiegelte sich die traditionelle Aufteilung wider. 1991 waren nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes nur 57 Prozent der Frauen berufstätig, im Vergleich zu 78,4 Prozent der Männer. Die Zahl der berufstätigen Frauen ist inzwischen auf 73 Prozent im Jahr 2022 gestiegen, die Männer haben nur um 2 Prozent zugelegt. Es gab also eine deutliche Annäherung in der bezahlten Arbeitstätigkeit, nicht aber in der unbezahlten Care-Arbeit.

Neuregelung der Steuerklassen könnte Folgen haben

Das Problem ist auch im politischen Berlin bekannt. Aus Regierungskreisen kommt das klare Statement: „Der Gender Care Gap ist deutlich zu groß in Deutschland.“ Auch über den Einfluss dieser Ungerechtigkeit ist man sich bewusst: „Der Gender Care Gap hat nicht nur ökonomische und gleichstellungspolitische Folgen für Frauen in Deutschland, sondern auch für die gesamte Gesellschaft.“

In einer aktuellen Broschüre skizziert das Familienministerium auch mögliche Wege, um eine Angleichung in der Care-Arbeit zu gewährleisten. Dabei geht es neben einer besseren Infrastruktur zur Kinderbetreuung auch um ein Neudenken der Arbeitswelt. Von der 35-Stunden-Woche bis zu Gutscheinen für haushaltsnahe Dienstleistungen sind viele Ideen dabei, deren Umsetzung unklar ist. Zumindest an der Abschaffung der Steuerklasse 5, die meist Frauen, die weniger als ihr Mann verdienen, benachteiligt, wird aber nach Angaben des Finanzministeriums bereits gearbeitet.

Weitere Artikel von Finanztip