Dortmund. Menschen gehen wieder häufiger in Innenstädten einkaufen. Warum Dortmund bundesweit vorn liegt und sich Essen auf einem guten Weg wähnt.
Nach Jahren der Corona-Pandemie kommen wieder mehr Menschen in die Innenstädte. Das zeigen Erhebungen des Kölner Instituts Hystreet. Die Shoppingmeile Westenhellweg in Dortmund konnte ihre bundesweit führende Rolle im vergangenen Jahr weiter ausbauen. Das sind die Gründe.
Trotz Inflation, Konsumzurückhaltung und Kriegen in der Welt wird es in den Stadtkernen wieder voller. Mit jeweils 28,6 Millionen Passantinnen und Passanten waren im vergangenen Jahr die Münchner Standorte Neuhauser Straße und Kaufinger Straße die mit Abstand größten Magneten. Die Neuhauser Straße legte um satte zwölf Prozent zu. An dritter Stelle bleibt die Frankfurter Zeil, obwohl sie einen Passantenschwund um 2,4 Prozent auf 23,30 Millionen hinnehmen musste. Auf den Plätzen vier und fünf folgen wie im Vorjahr die Georgstraße in Hannover (plus 4,9 Prozent auf 22,23 Millionen) und die Schildergasse in Köln (plus 3,9 Prozent auf 21,74 Millionen).
München zieht fast 29 Millionen Menschen
Von so großen Besucherströmen kann man im Ruhrgebiet nur träumen. Allein der mittlere Westenhellweg in Dortmund spielt in der bundesweiten Top 10 mit und konnte im vorigen Jahr seine Position um zwei Ränge auf Platz 7 verbessern. Die festinstallierten Laserscanner des Analysehauses Hystreet, die rund um die Uhr im Einsatz sind, zählten auf dem Westenhellweg 16,05 Millionen Menschen und damit mehr als an den beliebten Handelsstandorten Hohe Straße in Köln (15,79 Millionen) und Schadowstraße in Düsseldorf (15,07 Millionen).
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Die einstige „Einkaufsstadt Essen“landet erst weiter unten auf der Hitliste. Die Kettwiger Straße zog im vergangenen Jahr 10,93 Besucher an, der Porscheplatz 8,96 Millionen und die Limbecker Straße 8,0 Millionen. Ihr auf den Fersen ist die Bahnhofstraße in Gelsenkirchen mit 7,78 Millionen Passanten. Die hohe Frequenz überrascht, weil in der Gelsenkirchener City 2023 zunächst der Kaufhof und einige Wochen später der Textildiscounter Primark ihre große Filialen geschlossen hatten. Die Bochumer Kortumstraße konnte ihr Niveau mit 7,19 Millionen Passanten stabil halten. Einen deutlichen Sprung nach vorn machte dagegen die Steinstraße in Moers: Die Frequenz schnellte von 3,34 Millionen im Jahr 2022 auf 4,79 Millionen in die Höhe.
Keine Zahlen aus Duisburg, Herne & Co.
Zahlen von weiteren Städten an Rhein und Ruhr liegen nicht vor. Der Grund ist ein einfacher: Hystreet wird nur im Auftrag tätig. In der Regel sind es die Kommunen selbst, ihre Wirtschaftsförderungs- oder Marketinggesellschaften, die entsprechende Passantenzählungen ordern. „Sie können sogar festlegen, auf welcher Bürgersteigseite wir zählen sollen“, sagt eine Hystreet-Sprecherin. Wie die Entwicklung in Duisburg, Oberhausen oder Herne aussieht, lässt sich also schwer abschätzen. Das Kölner Analysehaus hat aber errechnet, dass alle mehr als 200 untersuchten Einkaufsstraßen bundesweit ihre Besucherzahlen im Jahr 2023 im Schnitt um zwei Prozent steigern konnten.
Hystreet-Geschäftsführer Julian Aengenvoort schließt aus dem Aufwärtstrend, „dass sich das wirtschaftlich schwierige Umfeld bislang nicht wesentlich auf die Besucherzahlen in den Innenstädten durchschlägt“. Das mache deutlich, „dass die Innenstädte von den Menschen weiterhin als Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens geschätzt werden, vor allem dann, wenn sie mit Events wie Städtefesten oder verkaufsoffenen Sonntagen attraktiv ,bespielt‘ werden“, meint Co-Geschäftsführer Nico Schröder.
Dortmund: Es gibt einen Drang zum Westenhellweg
In Dortmund kann man diese Einschätzungen nur bestätigen. „In der Dortmunder Innenstadt ziehen alle Akteure an einem Strang“, erklärt Friedrich-Wilhelm Corzilius den Erfolg. Das sei nicht nur in der Weihnachtszeit so, sondern das ganze Jahr über, meint der stellv. Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Dortmund. In der City setze man längst nicht mehr nur auf Einzelhandel, sondern auch auf Wohnen, Veranstaltungen und Gastronomie. Gleichwohl, so Corzilius, gebe es auf dem Westenhellweg kaum leerstehende Ladenlokale. „Es gibt einen regelrechten Drang auf den Westenhellweg.“
In der Immobilie des ehemaligen Kaufhofs, die der insolventen Signa-Gruppe gehört, war zunächst Sinn und inzwischen „Aaachener“ eingezogen. Wenn die Textilkette C&A wie geplant zum Westenhellweg umzieht, wolle man das Haus am Ostenhellweg zu einer „modernen City-Immobilie“ umbauen. „Es gibt viel Bewegung“, sagt der Wirtschaftsförderer.
Essen: Die Menschen wollen stationär einkaufen
Offen ist freilich, was aus der großen Karstadt-Filiale wird. Zweimal hatte sich Dortmund erfolgreich gegen die geplante Schließung des Warenhauses gestemmt. Nun steckt der Galeria-Konzern zum dritten Mal in der Insolvenz.
Auch wenn Essen ein Stück weit hinter Dortmund zurückliegt, herrscht auch hier Optimismus vor. „Es ist doch super, dass wir die Frequenzzahlen halten können“, sagt Citymanagerin Svenja Krämer und verweist auf die Unkenrufe zahlreicher Experten, die wegen Corona und der wachsenden Online-Konkurrenz den Niedergang der Innenstädte vorhergesagt hatten. „Viele Menschen wollen stationär einkaufen und anschließend essen gehen. Das funktioniert im Internet nicht“, meint Krämer.
Mehr Niederländer kommen nach Essen
Die Citymanagerin sieht die Essener Innenstadt auf einem guten Weg. Für mehr Sauberkeit und Blumen an den Laternen habe man bereits gesorgt. Jetzt gehe es an den „Umbau des öffentlichen Raums“. Krämer: „Wir wollen Plätze schaffen, an denen man nicht konsumieren muss, und Hauseigentümer davon überzeugen, dass sie an Händler vermieten, die eine Sortimentslücke schließen.“
Gleichwohl habe es Essen mitten in der „angespannten Wettbewerbssituation des westlichen Ruhrgebiets“ schwerer als der Einkaufsstandort Dortmund mit seinem westfälischen und sauerländischen Einzugsgebiet. Mit Wohlwollen beobachtet Krämer deshalb, dass immer mehr Niederländer zum Shoppen nach Essen kommen.