Essen. Nach Streit um Vorgängerin Frohne hat das Ruhrgebiet einen neuen Chefwirtschaftsförderer. Wie er Lust aufs Ruhrgebiet machen will.
Nur drei Wochen nach dem Abgang von Geschäftsführerin Julia Frohne präsentiert die Business Metropole Ruhr einen neuen Chefwirtschaftsförderer für das Revier. Der Aufsichtsrat hat sich für eine interne Lösung entschieden: Jörg Kemna. Er soll Unternehmen anlocken, die Gewerbeflächennot bekämpfen und das Zukunftsthema Wasserstoff anpacken.
Kemna hat bei der Business Metropole Ruhr (BMR) den kommunalen Gewerbeflächenatlas „Ruhr-Agis“ vorangetrieben, kennt sich mit Fördertöpfen aus und hat sich intensiv mit Wasserstoff beschäftigt, aus dem das Ruhrgebiet künftig seinen gewaltigen Energiebedarf decken will. Nun ist der studierte Politikwissenschaftler zum Chef der Business Metropole Ruhr aufgestiegen, als deren Vordenker er schon seit Jahren gilt, und will nach eigenem Bekunden „Lust auf das Ruhrgebiet“ machen.
Jörg Kemna war bereits auf dem Absprung
Bei der Suche nach einem Nachfolger für Julia Frohne musste sich der BMR-Aufsichtsratsvorsitzende, Bochums Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD), ziemlich beeilen. Kemna hatte sich bereits beruflich neu orientiert, als ihm der Geschäftsführer-Posten in Essen angetragen wurde. Dem Vernehmen nach soll es zuletzt einige weitere Personalabgänge bei der BMR im Zusammenhang mit der Personalie Frohne gegeben haben. „Ich freue mich, dass wir mit Jörg Kemna einen Experten für die Region halten konnten, der viel Erfahrung einbringt und bestens vernetzt ist“, erklärt Eiskirch.
Der gebürtige Heidelberger benötigt also keine lange Einarbeitungszeit. Kemna arbeitet seit nunmehr zehn Jahren für die Ruhr-Wirtschaftsförderung. Es war der damalige Geschäftsführer und heutige Duisburger Wirtschaftsförderer Rasmus Beck, der Kemna im Januar 2014 als Büroleiter nach Essen holte. Beide kennen sich aus ihrer gemeinsamen Zeit bei der Wirtschaftsförderung in Hannover. Im Laufe der Zeit stieg Kemna bei der BMR bis zum Prokuristen auf.
OB Eiskirch: Wirtschaft braucht „fachkundige Lotsen“
Der 41-Jährige ist das erste „Eigengewächs“, das zum Geschäftsführer aufstieg. Erst im Dezember hatten sich Aufsichtsrat und Gesellschafter im Streit um die strategische Ausrichtung von Vorgängerin Julia Frohne getrennt, die sich als Professorin für Kommunikation und Marketing einen Namen gemacht hat. Mit der Berufung von Kemna setzt man nunmehr wieder auf die klassischen Wirtschaftsförderungskompetenzen. „Standortentscheidungen sind für Unternehmen gerade in diesen Zeiten sehr komplexe Aufgabenstellungen. Da braucht es fachkundige Lotsen – wie die Wirtschaftsförderungen in den Kommunen und der Region“, erklärte Aufsichtsratschef Thomas Eiskirch am Donnerstag. „Umso besser wir hier zusammenarbeiten, desto mehr Strahlkraft entfaltet das Ruhrgebiet. Die BMR ist für die Metropole im Wandel ein wichtiger Motor“, so der Bochumer Oberbürgermeister.
Im Kraftfeld zwischen den selbstbewussten kommunalen Wirtschaftsförderungen und der Landesgesellschaft NRW-Invest hat es die Business Metropole Ruhr seit jeher schwer, ihre Rolle zu erklären. Kemna scheint in seinem neuem Amt offenbar mit einem klaren Kompass starten zu wollen: „Die BMR will anschlussfähige Projekte anbieten, von denen die Unternehmen in unseren Kommunen – ob groß oder klein – einen Nutzen haben“, kündigt der neue Geschäftsführer an. Ziel der Arbeit müsse es sein, „Investitionen, Innovationen und Wachstumsimpulse in die Region zu holen. Das gelingt uns nur durch das Schließen von Allianzen mit den Kommunen, den Unternehmen und allen innovativen Macherinnen und Machern in der Region.“
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Zu tun gibt es für Kemna genug. Der Vorrat an sofort verfügbaren Industrie- und Gewerbeflächen im Ruhrgebiet schrumpft aufgrund der hohen Nachfrage immer weiter. Die BMR koordiniert das sogenannte 5-Standorte-Programm, das im Zuge der Stilllegung von Kohlekraftwerken in Duisburg, Gelsenkirchen, Herne, Hamm und im Kreis Unna 662 Millionen Euro ins Revier spülen soll, um damit die Ansiedlung neuer Unternehmen und die Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen anzuschieben. Und als bisheriger Co-Leiter des Projektbüros Hydrogen Metropole Ruhr (HyMR) bringt Kemna das Gespür und Fachwissen für die Mammutaufgabe mit, den gewaltigen Energiehunger der Ruhr-Industrie künftig mit Wasserstoff, statt Kohle und Gas zu stillen.
Als Wirtschaftsförderungsgesellschaft für das Revier ist die BMR nicht nur auf öffentliche Zuschüsse angewiesen. Der Zuschuss des Regionalverbands Ruhr (RVR) betrug im Jahr 2021 gut 3,2 Millionen Euro. Das geht aus dem Geschäftsbericht zurück. Aktuellere Zahlen wurden bislang nicht im Bundesanzeiger veröffentlicht. Die BMR verzeichnete 2021 auch Umsatzerlöse in Höhe von 1,365 Millionen Euro. Größte Einnahmequellen ist der Ruhrgebiets-Stand auf der jährlich stattfindenden Immobilienmesse Expo Real in München. Die Gesellschaft verdient aber auch Geld mit „Ruhr Agis“. Der informiert über die Nutzung aller Industrie- und Gewerbeflächen der Metropole Ruhr. Der digitale Atlas liefert detaillierte Informationen zu Flächenpotenzialen und angesiedelten Unternehmen, die Kommunen kostenpflichtig zur Verfügung gestellt werden.
>>> Das plant Julia Frohne
Über ihre beruflichen Zukunftspläne wollte sich die bisherige BMR-Geschäftsführerin Julia Frohne auf Anfrage unserer Redaktion nicht äußern. „Ich freue ich mich darauf, mehr Zeit für meine wissenschaftlichen Tätigkeiten sowie mein Engagement in der Förderung von Frauen im Management zu haben“, schreibt sie auf der Online-Plattform Linkedin. Vor ihrem Wechsel zur Wirtschaftsförderung im August 2021 war Frohne hauptberuflich als Professorin für Kommunikationsmanagement an der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen tätig.