Essen. In Essen wird aus dem leeren Kaufhof eine Markthalle mit Aldi, Büro und Arztpraxen. Konsumflaute macht Handelsimmobilien dennoch zum Sorgenkind.

Vom Warenhauscharme des ehemaligen Kaufhofs ist in Essen nichts mehr übrig geblieben. Der Eigentümer hat das große Gebäude entkernt und mit einem Lichthof erst einmal Sonnenstrahlen ins Innere gebracht. Nach den Sommerferien 2024 soll der „Königshof“ neu eröffnen. Ist das Essener Konzept eine Blaupause für andere Innenstädte, die mit leerstehenden Kaufhäusern zu kämpfen haben?

Auch interessant

Michael Gluth merkt man an, dass er für das Projekt brennt. „Da steckt sehr viel Herzblut dring“, sagt der Geschäftsführer der Koerfer-Gruppe, der das Gebäude gegenüber dem Essener Hauptbahnhof gehört. Einen „höheren zweistelligen Millionenbetrag“ investiere das Familienunternehmen in den Kaufhof, den der Galeria-Konzern im Herbst 2020 geschlossen hatte. Statt des fünfstöckigen Warenhauses wird der Königshof künftig eine Reihe von Mietern beherbergen: Aldi, die türkische Supermarktkette Erdemli aus Dortmund, ein Brauhaus, eine Zahnklinik und zahlreiche Büros.

„Wohnen in der Innenstadt ist en vogue“

Mit der Markthalle im unteren Bereich soll der Königshof die Menschen, die in der Essener Innenstadt wohnen, mit Lebensmitteln versorgen. Die Angebote sind bislang rar. „Wohnen in der Innenstadt ist en vogue“, weiß Gluth. Von daher ist er davon überzeugt, dass geschlossene Warenhäuser eine neue Funktion übernehmen können. „Der Königshof ist eine Blaupause. Wir werden aber nicht alle Kaufhöfe der Republik retten“, betont der Koerfer-Geschäftsführer. Sein Unternehmen konzentriere sich auf eigene Projekte. Dazu gehören seit den 70er Jahren das Essener Kaufhof-Gebäude, aber auch das Crown-Kaufhaus in Düsseldorf. In dem ehemaligen Kaufhof bietet unter anderem Edeka Zurheide exklusive Lebensmittel auf zwei Etagen an.

Auch interessant

Der Königshof in Essen wird auch am Stand der Business Metropole Ruhr (BMR) auf der Immobilien-Messe Expo Real in München eine wichtige Rolle spielen. Vom 4. bis 6. Oktober will sich das Ruhrgebiet dort wieder einem Weltpublikum präsentieren. Trotz Immobilienkrise, gestoppten Neubau-Vorhaben und Projektentwicklern, die gerade reihenweise wirtschaftlich in die Knie gehen, sieht BMR-Geschäftsführerin Julia Frohne gerade jetzt gute Chancen für die Region. „Wir wollen das Ruhrgebiet für die Zeit nach der Krise positionieren und zeigen, dass wir hier keine Luftschlösser bauen, sondern solide Projekte“, sagt sie.

Essen, Duisburg, Bochum und Dortmund sind die Zugpferde

Der Immobilienmarkt-Bericht 2023, den die BMR jährlich in Zusammenarbeit mit dem Analysehaus Bulwiengesa herausbringt, zeige, dass das Ruhrgebiet die aktuelle Krise besser wegstecke als Vorzeigemetropolen wie Berlin, Frankfurt, München oder Stuttgart. „Hier hat man eine gewisse Stabilität“, sagt die Wirtschaftsförderin. „Zugpferde“ bei Immobilien-Geschäften seien Essen, Duisburg, Bochum und Dortmund. Die Metropole Ruhr insgesamt, deren Grenzen von Wesel bis Hamm verlaufen, sei weiterhin hinter Berlin der zweitgrößte Bürostandort Deutschlands.

Auch interessant

Inflation, steigende Zinsen und Baukosten hinterlassen aber auch an Ruhr und Emscher ihre Spuren. Der Zuwachs an Büroflächen ist im Ruhrgebiet im ersten Halbjahr um 27 Prozent zurückgegangen. In der Kernzone aus Essen, Duisburg, Bochum und Dortmund waren es jedoch nur etwas mehr als zehn Prozent. Zum Vergleich: In Köln, München und Stuttgart gab es ein Minus von 27,8, 22,8 und 79 Prozent. Düsseldorf legte indes um 24 Prozent zu.

Büromieten im Ruhrgebiet erstmals über 20 Euro

Auch wegen des Trends zu mobiler Arbeit stehen mehr Büros im Ruhrgebiet leer (Quote: 4,9 Prozent). Auf der anderen Seite ist die Nachfrage aber so groß, dass die Mieten in der Spitze auf 17 bis 20,50 Euro pro Quadratmeter gestiegen sind und damit erstmals die Schallmauer von 20 Euro durchbrochen wurde. Damit ist das Ruhrgebiet aber immer noch ein günstiges Pflaster. Berlin ruft Büromieten von bis zu 44 Euro auf. In Düsseldorf sind es 35 Euro.

Auch interessant

In die entgegengesetzte Richtung, also nach unten, geht es indes bei den Immobilien im Einzelhandel, dem Sorgenkind der Branche. Während Berlin, Hamburg oder Köln stabile Spitzenmieten von bis zu 255, 240 und 215 Euro pro Quadratmeter melden, sinken sie in Duisburg, Essen, Bochum und Dortmund um 2,8 Prozent auf 52 bis 162 Euro pro Quadratmeter. Die Konsumzurückhaltung trifft das Ruhrgebiet aufgrund seiner sozialen Struktur stärker als andere Metropolen.

Weitere Texte aus dem Ressort Wirtschaft finden Sie hier:

Leerstehende Ladenlokale prägen in vielen Innenstädten das Bild. In Essen soll nicht nur der Königshof eine neue Attraktion werden. „Wir stemmen uns an allen Ecken gegen den möglichen Niedergang der Einkaufsstadt Essen“, sagt Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU). Mit „wir“ meint er ausdrücklich auch seine Stadtverwaltung selbst. So investiert Essen in eine neue Stadtbibliothek am Kennedyplatz und will mit ihrer Ausländerbehörde eine Immobilie in der City anmieten. „Wir müssen als Stadt in unsere Arbeitswelten investieren, sonst bekommen wir keine Fachkräfte mehr“, meint Kufen.

>>> Immobilien-Transaktionen im ersten Halbjahr

Im ersten Halbjahr 2023 wechselten bedeutende Immobilien die Besitzer: Union Investment übernahm das Dortmunder Westfalen-Center mit Büro und Hotels für 105 Millionen Euro. Das Mülheimer Rhein-Ruhr-Zentrum ging für 58 Millionen Euro an die Eurofund Group und Signal Capital. In Dortmund kaufte Vivawest das Karlsquartier für 29 Millionen Euro. Für die Ideenschmiede 3 in Bochum legten La Fraincaise und Real Estate Partners knapp 22 Millionen Euro auf den Tisch. Das Zentrallager von Sport Voswinkel in Bochum erwarben Highbrook Investors für acht Millionen Euro.