Berlin. In Deutschland herrscht Fachkräftemangel. Dennoch fühlen sich Arbeitssuchende mit Migrationshintergrund bei der Jobsuche benachteiligt.
Der zunehmende Fachkräftemangel belastet die deutsche Wirtschaft. Und trotzdem fühlt sich gut ein Drittel (37,6 Prozent) der Fachkräfte mit Migrationshintergrund bei der Arbeitssuche diskriminiert. Das zeigen Zahlen einer aktuellen YouGov-Umfrage im Auftrag des Stellenportals Indeed unter Menschen mit Migrationshintergrund. Demnach gaben im Jahr 2021 noch 15,5 Prozent der Befragten an, sich bei Bewerbungen diskriminiert zu fühlen.
Und nicht nur im Bewerbungsprozess fühlen sich Bewerber mit Migrationshintergrund inzwischen häufiger benachteiligt. Auch in Bezug aufs Arbeitsleben ist die Einschätzung negativer geworden. In der Umfrage gaben mehr als die Hälfte (57,6 Prozent) der Befragten an, dass sie im Beruf für dieselbe Anerkennung mehr leisten müssen als Menschen ohne Migrationshintergrund. Vor zwei Jahren bejahten das nur gut ein Drittel (37,2 Prozent) der Befragten.
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Ausländische Fachkräfte: Größte Hindernisse bei offiziellen Nachweisen
Gleichzeitig gaben gut drei Viertel (76 Prozent) der Befragten an, dass sich ihre Jobsituation aufgrund des Fachkräftemangels und der daraus resultierenden Personalknappheit verbessert habe. Gut die Hälfte (56,8 Prozent) ist zudem überzeugt, dass es in den vergangenen zehn Jahren einfacher geworden ist, einen Job zu finden. Zum Vergleich: 2021 gaben das nur knapp ein Drittel (28,3 Prozent) der Befragten an. Relativ neu Zugezogene, die seit bis zu fünf Jahren in Deutschland leben, gaben zudem deutlich häufiger an, vom Fachkräftemangel zu profitieren, als diejenigen, die bereits seit 15 Jahren oder länger hier leben (58,2 Prozent gegenüber 30,3 Prozent).
Die meisten Schwierigkeiten bei der Jobsuche bereiten laut Umfrage formale Anforderungen: 42,9 Prozent erklärten, das größte Hindernis seien offizielle Nachweise wie formale Abschlüssen, Dokumente und Zeugnisse. Gut ein Drittel (38,9 Prozent) gab zudem an, dass Menschen, die Deutsch als Muttersprache sprechen, bei der Jobbesetzung bevorzugt würden. 38,5 Prozent fühlen sich diskriminiert, weil es in den Personalabteilungen Vorurteile gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund gäbe.
Rund 45 Stellen für Fachkräfte unbesetzt
Knapp ein Drittel (28,6 Prozent) der Befragten wünscht sich daher eine diversere Zusammensetzung von Personalabteilungen, etwa mit mehr Menschen mit Migrationshintergrund. 28 Prozent sehen ihre Chancen auf eine Einstellung höher, wenn es anonyme Bewerbungsverfahren gäbe. Frank Hensgens, Indeed-Deutschlandchef, erklärte dieser Redaktion: „Dass sich Menschen mit Migrationshintergrund gleichzeitig stärker in Bewerbungsverfahren diskriminiert fühlen als vor zwei Jahren, ist ein erschreckender Befund.“ Ohne Menschen mit Migrationshintergrund, ob Geflüchtete oder einwandernde Fachkräfte, könne der Arbeitskräftemangel in Deutschland nicht überwunden werden.
Fast die Hälfte aller Betriebe in Deutschland konnte in der ersten Jahreshälfte 2022 Stellen für Fachkräfte nicht besetzen. Das teilte das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) Anfang des Monats mit. Während demnach über alle Betriebe hinweg rund 45 Prozent der Stellen für Fachkräfte unbesetzt blieben, waren es bei Kleinstbetrieben sogar 62 Prozent. In Großbetrieben fiel der Anteil der unbesetzten Stellen für Fachkräfte mit 24 Prozent geringer aus.