Mülheim. Journalistin Liv von Boetticher will Fotos einer Person in Moskau 2021 gesehen haben, die Karl-Erivan Haub ähnelt. Das sagt die Staatsanwältin.

Das denkbar stärkste Indiz dafür, dass der frühere Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub 2018 nicht in eine Gletscherspalte gefallen ist, sondern noch lebt, wären neuere Fotos von ihm. Genau darum, ob es welche gibt, ranken hartnäckige Spekulationen. Die RTL-Journalistin Liv von Boetticher will welche gesehen haben und behauptet, sie lägen auch Tengelmann vor. Damit begründete sie ihre Strafanzeige gegen Karl-Erivans Bruder Christian Haub wegen des Verdachts des Meineids, als er vor dem Amtsgericht Köln eidesstattlich versicherte, keine Hinweise darauf zu haben, dass sein Bruder noch leben könnte. Vorzeigen konnte die Journalistin die Bilder aber nicht, weshalb die Staatsanwaltschaft auch nicht gegen Christian Haub ermittelt.

Von Boetticher schreibt in ihrem Buch „Die Akte Tengelmann“, dass die Ermittler Sprich und Buß, deren Namen sie nicht nennt, bereits im Jahr 2020 Erkenntnisse darüber gehabt haben sollen, dass ein Foto des lebenden Karl-Erivan Haub für 100.000 Euro zu kaufen sei. Es gebe auch Informationen über dessen neuen Namen und Aufenthaltsort. Die Unternehmensgruppe Tengelmann wollte sich auf Anfrage unserer Redaktion nicht dazu äußern, ob sie im Besitz dieses vermeintlichen Fotos ist. Im Konzernumfeld wird allerdings versichert, dass der Firma oder Christian Haub kein entsprechendes Material vorliege.

Unsere Textauswahl zum Haub-Komplex:

Editorial: Warum für Journalisten die Suche nach Karl-Erivan Haub weitergeht

Teil1: „Wo ist Karl-Erivan Haub? Neue Hinweise zum Tengelmann-Chef“

Das Interview mit Christian Haub 2020: „Wie Tengelmann-Chef Haub mit dem verschollenen Bruder brach“

Offenbar gibt es aber auch Fotos, die am 19. und 20. Februar 2021 in Moskau von mehreren öffentlichen Überwachungskameras aufgenommen worden sein sollen. Von Boetticher schreibt in ihrem Buch, dass die Bilder eine Person zeigen sollen, die Karl-Erivan Haub sehr ähnlich sehe. Von Boetticher berichtet darüber, dass sie sich diese Fotos in Anwesenheit eines Juristen auf einem Tablet habe ansehen können. Im Besitz der Aufnahmen sei sie aber nicht.

RTL-Journalistin will Bilder aus Moskau gesehen haben, die Haub ähneln

Das hat der Staatsanwaltschaft Köln nicht ausgereicht. „Da die Aufnahmen (…) weder zur Verfügung stehen noch zu beschaffen sind, können Existenz, Echtheit und Zeitpunkt der Aufnahmen nicht überprüft werden“, sagte Staatsanwältin Stephanie Beller am 18. August 2023 unserer Redaktion. Aus dem Umfeld der Behörde verlautete zudem, dass man nach Prüfung der Strafanzeige und aller eingereichten Unterlagen davon ausgehe, dass sich von Boetticher in großen Teilen auf „Angaben vom Hörensagen“ beziehe. Eine Überprüfung auf den Wahrheitsgehalt sei nicht möglich.

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Das gelte auch für die Fotos, die vermeintlich Karl-Erivan Haub in Moskau zeigen. „Die Fotos selbst werden und können offenbar nicht zur Verfügung gestellt werden. Die Angaben zum Abgebildeten sind damit unüberprüfbar. Zudem wird auch (lediglich) von einer optischen Übereinstimmung der Gesichtsmerkmale gesprochen, so dass offenbar sogar eine lnaugenscheinnahme der Fotos nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führen würde. Auch wird der Name des lnformanten nicht mitgeteilt“ schreibt die Staatsanwaltschaft an die Anzeigenstellerin.

Fotos, die Karl-Erivan Haub lebend in Moskau zeigen sollen

Die Staatsanwaltschaft Köln, erklärte Stephanie Beller, sehe deshalb „keine Voraussetzungen für einen Antrag auf Aufhebung der Todeserklärung“. Die Frage unserer Redaktion, ob die Anzeige gegen Christian Haub weiter verfolgt werde, beantwortete die Staatsanwältin mit Verweis auf den Schutz von Persönlichkeitsrechten nicht. In einem Schreiben der Behörde heißt es dazu aber klar und deutlich, dass Ermittlungen gegen Christian Haub „nicht in Betracht“ kommen. Die Staatsanwälte argumentieren, dass selbst unter der Annahme, Christian Haub habe die Unwahrheit gesagt, dies kein Beweis dafür sei, dass sein Bruder Karl-Erivan noch lebt.

Für den Stuttgarter Staranwalt Mark Binz ist die Sache mit der Strafanzeige nun aus der Welt. „Die RTL-Reporterin ist eine schlechte Verliererin. Ihre Strafanzeige gegen meinen Mandanten Christian Haub wegen angeblich falscher eidesstattlicher Versicherung war so unqualifiziert, dass sich die Staatsanwaltschaft Köln sogar geweigert hat, mangels Anfangsverdachtes überhaupt Ermittlungen anzustellen“, sagte der Jurist unserer Redaktion. Nachdem die Staatsanwaltschaft Köln im Sommer öffentlich erklärt habe, dass sie mangels konkreter und belastbarer neuer Informationen nicht erneut über den Verbleib von Karl-Erivan Haub ermittle, spricht Binz von einer „schallenden Ohrfeige für RTL und ihre Reporterin und stellt die Frage: „Warum hat RTL keinen Respekt vor einer rechtskräftigen Entscheidung und missachtet die Totenruhe?“

Die Ermittler und der „finale Beweis“

Von Boetticher hat freilich eine andere Sichtweise. „Es gibt Fotos, die eine Person, die aussieht wie Karl-Erivan Haub, in unterschiedlichen Perspektiven in Moskau zeigt. Die Fotos stammen aus dem Februar 2021 und liegen intern bei Tengelmann vor“, sagt sie. Eine entsprechende „erfolgsabhängige Vergütung für das Erbringen dieses ,finalen Beweises‘ sei geflossen. „Für mich ist es vollkommen unverständlich, dass die Staatsanwaltschaft Köln den Tengelmann-Sicherheitschef und seinen Berater sowie Herrn Christian Haub bisher nicht als Zeugen vernommen hat“, erklärt von Boetticher.

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Die Journalistin will sich damit aber nicht zufriedengeben. Am 28. November will sie in Berlin einen sechsteiligen Podcast vorstellen, in dem bislang unveröffentlichte Informationen über das Schicksal von Karl-Erivan Haub eine Rolle spielen sollen. Ihren Angaben zufolge sollen Zeugen zu Wort kommen, die angeblich Angaben dazu machen, dass der Milliardär noch lebt.