Essen. Evonik-Chef Kullmann warnt vor einem Erstarken der AfD. Ein Mitarbeiter, der laut Kullmann „ein Nazi“ gewesen sei, habe Evonik verlassen müssen.

Nach dem Wahlerfolg des Rechtspopulisten Geert Wilders in den Niederlanden hat der Chef des Essener Chemiekonzerns Evonik, Christian Kullmann, eindringlich vor einem Erstarken der AfD in Deutschland gewarnt. „Die AfD schadet unserer Volkswirtschaft, unserer Gesellschaft, unserer Zukunft. Deshalb müssen alle, die in diesem Land Verantwortung tragen, hier eine sehr klare Position beziehen“, sagte Kullmann der „Süddeutschen Zeitung“. Er beobachte „mit großer Sorge, dass die Selbstbehauptungskräfte für Demokratie gerade blass und oft schwach“ seien, so der Evonik-Chef. „Ich bin persönlich überzeugt: Auch wir Unternehmer und Manager müssen deutlich energischer auftreten und engagierter handeln.“

In den Niederlanden sei die Regierungskoalition „in der Asylfrage gescheitert“, gibt Kullmann im Zusammenhang mit dem Wahlsieg von Wilders zu bedenken. „Solches Scheitern ist der Humus für Rechtspopulisten, die mit destruktiver Kraft punkten.“ Was in Deutschlands Nachbarländern möglich sei, „kann bei uns auch passieren“, so der Evonik-Chef.

Deutschlands Wirtschaft müsse „Farbe bekennen gegen die AfD“, fordert Kullmann. „Für Evonik heißt das zum Beispiel: Bei uns kommen keine AfD-Funktionäre auf den Hof, zu Werksbesuchen werden die nicht empfangen.“

Kullmann: „Der Knabe muss weg“

Wer „ein Nazi“ sei, könne auch nicht bei Evonik arbeiten. „Wir hatten einen jungen Mann, der war in der Ausbildung in einem unserer Werke in Nordrhein-Westfalen. Und er war ein Nazi“, berichtet Kullmann im SZ-Interview. „Andere Mitarbeiter haben Haltung gezeigt und darauf hingewiesen, so erfuhr ich davon.“ Seine Reaktion sei gewesen: „Der Knabe muss weg. Es ist auch egal, ob diese Trennung ein bisschen Geld kostet. Er hat dann keinen Vertrag bekommen, obwohl wir sonst alle Auszubildenden übernehmen.“

Kullmann erinnert in dem Gespräch auch an den Aufstieg von Adolf Hitler. „Vor 1933, also bevor Hitler Reichskanzler wurde, war entscheidend, was der brillante Historiker Fritz Stern einmal als das ,feine Schweigen‘ bezeichnet hat“, sagt Kullmann, der gelernter Wirtschaftshistoriker ist. Es sei „Tatsache, dass viele Eliten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Kunst und Kultur den Aufstieg der Nazis in der Weimarer Republik einfach hingenommen“ hätten. „Der Demokratie fehlten die Demokraten. Dies war das eigentlich Zersetzende, das hat zum Untergang der Republik beigetragen. Es fällt mir schwer, dies zu sagen: Aber ich sehe beim ,feinen Schweigen‘ schon Parallelen zu heute, denn wir in der Wirtschaft tun einfach zu wenig gegen die AfD.“

Dass die AfD Zulauf erfahre, erklärt sich Kullmann auch mit der schwierigen Lage in Deutschlands Wirtschaft. „Manche Bürger fürchten Einbußen und Abstieg. Sie wenden sich einer Partei zu, die mit primitiv-vulgären Sprüchen Besserung verspricht“, sagt der Evonik-Chef.

Evonik steht derzeit stark unter Druck

Auch der erfolgsverwöhnte Evonik-Konzern steht derzeit stark unter Druck. Im ersten Dreivierteljahr hat der Essener Chemieriese einen Verlust von 319 Millionen Euro verbucht, wie aus der Zwischenbilanz hervorgeht. Im Vorjahreszeitraum erwirtschaftete Evonik noch ein Konzernergebnis in Höhe von 824 Millionen Euro.

Vorstandschef Kullmann will mit einem strikten Sparkurs gegensteuern: Freiwerdende Stellen im Unternehmen sollen nicht nachbesetzt werden. Auch durch einen Verzicht auf externe Dienstleister und Dienstreisen sollen die Kosten sinken. An einigen deutschen Standorten schickt das Management einen Teil der Belegschaft in Kurzarbeit, wie die neue Evonik-Finanzchefin Maike Schuh vor wenigen Tagen in der Analysten-Konferenz berichtet. Zeitweise würden Anlagen heruntergefahren, sagt die Managerin. Als Beispiel nennt sie das Geschäft mit Silikonen.

Kürzungen zeichnen sich indes auch bei den Investitionen des Chemiekonzerns ab. Das Management werde „auch im kommenden Jahr Investitionen und andere Ausgaben weiter intensiv hinterfragen“, kündigt Evonik-Finanzchefin Schuh an. Es gehe darum, das „finanzielle Fundament“ des Unternehmens zu festigen. Evonik beschäftigt rund 34.000 Mitarbeiter. Große Standorte befinden sich unter anderem in Marl im nördlichen Ruhrgebiet und am Konzernsitz in Essen.

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