Berlin. Diverse Ampel-Projekte stehen vor einer ungewissen Zukunft – auch die Preisbremsen. Ein Experte sagt, ob die Verbraucher bangen müssen.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds (KTF) hat die Bundesregierung in eine schwere Krise gestürzt. Und erste Auswirkungen könnten schon bald auch die Verbraucher zu spüren bekommen. Denn die Ampel-Koalition hat auch die Auszahlung aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF), der seit 2022 in der Energie-Notlage mit Krediten gefüttert worden war, gestrichen. Darin enthalten ist unter anderem das Geld für die Energiepreisbremsen. Die stehen jetzt, wie so viele andere Regierungsvorhaben auch, auf dem Prüfstand. Drohen steigende Preise?
Zwar hieß es aus Ministeriumskreisen, dass die Energiepreisbremsen für 2023 nicht eingestellt werden sollen. Jedoch wurden die Preisbremsen, die seit Jahresbeginn die Preise für Gas auf 12 Cent pro Kilowattstunde, für Fernwärme auf 9,5 Cent und für Strom auf 40 Cent je Kilowattstunde deckeln, vor nicht mal einem Monat bis Frühjahr 2024 verlängert. Aber genau diese Verlängerung steht nun infrage.
Denn nach dem Urteil des obersten Gerichts fehlen nicht nur 60 Milliarden Euro für Klimaprojekte und die Modernisierung der Wirtschaft. Der Bund muss vielmehr nachträglich eine Rechtfertigung für Milliardenkredite für die Energiepreisbremsen finden. Allein in diesem Jahr wurden nach Angaben aus dem Wirtschaftsministerium 37 Milliarden Euro vom WSF ausgezahlt. Rund 103 Milliarden hätten nach den Plänen des Finanzministeriums ins kommende Jahr übertragen werden sollen.
Wenn Preisbremsen fallen, könnten Energiekosten steigen
Das Problem nun: Sollten die Energiepreise im Winter erneut anziehen und fällt die Preisbremse ab Januar aus, könnten die Kosten für Wärme, Strom und Gas nicht mehr staatlich gebremst werden. „Dann werden wir höhere Gas- und Strompreise und Fernwärmepreise haben“, warnte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Eine Warnung, die Tobias Federico, Geschäftsführer des Analyse- und Beratungsunternehmens Energy Brainpool, zumindest teilweise entkräften kann. „Die Großhandelsmarktpreise fallen momentan“, sagt er dieser Redaktion. „Allerdings kann es zwei bis drei Jahre dauern, bis diese Preise auch bei den Grundversorgungstarifen der Endkunden ankommen.“
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Eine Analyse des Vergleichsportals Verivox, die dieser Redaktion exklusiv vorliegt, bestätigt das: Die Strom- und Gaspreise sinken im kommenden Jahr für Millionen Haushalte in Deutschland. Etwa die Hälfte der örtlichen Versorger geben gesunkene Großhandelspreise an ihre Kunden weiter. Der Preisrückgang bei den angekündigten Strompreissenkungen beträgt durchschnittlich 13 Prozent, bei Gas rund 15 Prozent. Für die Analyse hat Verivox die verfügbaren veröffentlichungspflichtigen Gas- und Strompreise für Bestandskunden der rund 700 örtlichen Gas-Grundversorger und der rund 800 örtlichen Strom-Grundversorger in Deutschland ausgewertet.
Aber auch das zeigt die Verivox-Erhebung: Das Preisniveau der örtlichen Versorger bleibt weiterhin hoch und liegt deutlich über den aktuellen Angeboten für Neukunden. Derzeit kostet eine Kilowattstunde Strom rund 28,8 Cent für Neukunden. Im Vorkrisenjahr 2021 lag der Preis für Neukunden um diese Zeit bei 33,9 Cent pro Kilowattstunde. Laut Verivox liegt das Strompreisniveau in der örtlichen Grundversorgung aber über dem Preisdeckel der Bundesregierung.
Verivox: Strompreise liegen über den gesetzlichen Preisdeckeln
Eine Kilowattstunde Strom kostet im Schnitt 44,23 Cent. Ein Drei-Personen-Haushalt mit einem Verbrauch von 4000 Kilowattstunden kommt so in der Grundversorgung auf jährliche Kosten von 1769 Euro. Insgesamt hätten laut der Erhebung rund 45 Prozent der Tarife noch einen Arbeitspreis von über 40 Cent je Kilowattstunde.
Auch Energiemarkt-Experte Federico sagt: „Dramatisch wird es für die Verbraucher, die in einem Vertrag festhängen, der einen Tarif über der Preisbremse hat. Das gilt insbesondere dann, wenn man vor ein, zwei Jahren einen Vertrag abgeschlossen hat.“ Laut Verivox lagen die Strompreise für Neukunden im vergangenen Herbst bei bis zu 70 Cent pro Kilowattstunde. „Falls die Energiepreisbremsen jetzt zum Jahresende tatsächlich auslaufen sollten, dann fallen diese Kunden wieder auf ihre teuren Tarife zurück“, erklärt Federico. „Und das kann schon tragisch sein.“
Laut Verivox wurden zum Jahreswechsel 418 Strompreissenkungen von durchschnittlich 13 Prozent angekündigt. Für einen Drei-Personen-Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 4000 Kilowattstunden entspricht das einer Entlastung von rund 287 Euro im Jahr. In den betroffenen Grundversorgungsgebieten leben 16 Millionen Haushalte. Gleichzeitig wurden auch 54 Strompreiserhöhungen von rund fünf Prozent angekündigt, was rund 87 Euro entspricht. Etwa zwei Millionen Haushalte wohnen in den betroffenen Gebieten.
Preise für Erdgas über Preideckel-Niveau
Ein gleiches Bild zeichnet sich bei den Erdgaspreisen ab. Für 2024 wurden laut Erhebung 382 Preissenkungen von durchschnittlich 15 Prozent von den Anbietern angekündigt. Für ein Einfamilienhaus mit einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden sinken demnach die Heizkosten um rund 507 Euro pro Jahr. In den von Senkungen betroffenen Grundversorgungsgebieten leben 19 Millionen Haushalte. Gleichzeitig gibt es 39 Gaspreiserhöhungen von durchschnittlich 12 Prozent. Rund 1,8 Millionen Haushalte leben in diesen Gebieten.
Eine Kilowattstunde Gas kostet im Standardtarif des örtlichen Gasversorgers künftig demnach durchschnittlich rund 13,47 Cent – bei sieben Prozent Mehrwertsteuer, die noch bis Ende Februar 2024 fällig werden soll. Danach steigt der Preis auf 14,98 Cent pro Kilowattstunde. Die Heizkosten für ein Einfamilienhaus mit einem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden liegen in dieser Tarifgruppe bei 2694 Euro pro Jahr. Laut Verivox liegen rund 64 Prozent der Standard-Tarife der örtlichen Gasversorger über den per staatlichen Deckelung festgelegten 12 Cent.
Strommarkt-Experte Federico macht dennoch ein wenig Hoffnung: „Wir erwarten keine Veränderung der Großmarktpreise, falls die Energiepreisbremsen fallen sollten.“ Im Gegenteil: Der Experte rechnet in den kommenden Monaten eher mit einer Entspannung. „Erst gibt es fallende Marktpreise im Großhandel und dann auch sinkende Wettbewerbspreise.“