Berlin. Das Finanzministerium von Christian Lindner (FDP) hat die Notbremse gezogen und eine Haushaltssperre verhängt. Was genau bedeutet das?
- Das Finanzministerium von Christian Lindner (FDP) hat Teile des Bundeshaushalts gesperrt
- Was genau ist eine Haushaltssperre und was sind ihre Folgen?
- Die wichtigsten Infos im Überblick
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ringt die Bundesregierung weiter um Lösungen für das entstandene Loch im Bundeshaushalt. Nun hat das Finanzministerium die Notbremse gezogen. Als Konsequenz aus dem Urteil verhängte das Haus von Christian Lindner (FDP) am Montag eine Sperre für Verpflichtungserklärungen aus dem aktuellen Haushalt 2023.
„Das BMF stoppt die Verpflichtungsermächtigungen in 2023, um Vorbelastungen für kommende Jahre zu vermeiden“, hieß es in einem Schreiben von Haushalts-Staatssekretär Werner Gatzer. Klingt kompliziert – also was genau verbirgt sich hinter der Aussage?
Haushaltssperre: Um was geht es genau?
Bereits kurz nach dem Urteil des Verfassungsgerichts in der vergangenen Woche hatte Bundesfinanzminister Lindner eine Ausgabensperre für den Klimafonds verhängt. Die Karlsruher Richter hatten entschieden, dass 60 Milliarden Euro an ungenutzten Kreditermächtigungen für den Kampf gegen die Corona-Pandemie nicht für Klimaschutzmaßnahmen genutzt werden dürfen. Die Mittel waren zuvor für zahlreiche klimapolitische Projekte der Ampelkoalition vorgesehen gewesen und fehlen jetzt. Lindner ordnete deshalb an, dass für diese Vorhaben zunächst kein Geld mehr ausgegeben werden darf.
Die neue Haushaltssperre bezieht sich nun auf Verpflichtungserklärungen aus dem Bundeshaushalt 2023. Gemeint sind damit Zahlungen, die im laufenden Haushalt festgelegt werden, aber Ausgaben in künftigen Haushaltsjahren zur Folge haben. Konkret bedeutet das, dass die Ministerien keine Zahlungsverpflichtungen für die kommenden Jahre eingehen dürfen.
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Ein fiktives Beispiel: Das Verkehrsministerium plant 2024 mit dem Ausbau eines Autobahnabschnitts zu beginnen. Dafür gab es eine Ausschreibung, die inzwischen beendet ist. Der Auftrag soll nun an ein Straßenbauunternehmen vergeben werden. Das ist aktuell aber nicht möglich, da sich das Ministerium damit verpflichten würde, 2024 oder in einem der folgenden Jahre für die Bauarbeiten zu bezahlen. Wie es aus dem Finanzministerium heißt, soll durch den Schritt eine weitere Belastung des bisher nicht geklärten Haushalts 2024 verhindert werden.
Bundeshaushalt: Was genau ist eine Haushaltssperre?
Eine Haushaltssperre ist eines von mehreren Mitteln, die eingesetzt werden können, wenn Ausgaben im Bundeshaushalt durch fehlende Einnahmen oder Mehrausgaben nicht mehr gedeckt sind. Sie kann vom Bundesfinanzministerium verhängt werden und ist in Paragraf 41 der Bundeshaushaltsordnung geregelt. Unterschieden wird zwischen Ausgabensperren und Sperrvermerken.
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Ist der Bund durch die Haushaltssperre zahlungsunfähig?
Viele dürften bei dem Wort Haushaltssperre wohl an die regelmäßigen Shut-Downs in den USA denken, bei denen eine Zahlungsunfähigkeit des Landes droht. Diese Gefahr besteht bei der jetzigen Haushaltssperre aber nicht. Alle aktuellen Zahlungsverpflichtungen können erfüllt werden – Beschränkungen gibt es nur bei der Aufgabe von neuen Verbindlichkeiten.
Die Angestellten des Bundes bekommen also weiter ihr Geld, Sozialleistungen werden weiterhin ausgezahlt. Und auch bereits laufende Projekte müssen nicht eingestellt werden. Eine Ausgabensperre für laufende Kosten ist mit dem Schritt nicht verbunden.
Können die Bundesministerien durch die Haushaltssperre keine neuen Projekte mehr planen?
Die Planungen für neue Projekte müssen in den Ministerien wegen der Haushaltssperre nicht eingestellt werden. Allerdings dürfen keine Zahlungsverpflichtungen für die kommenden Jahre eingegangen werden. Doch es soll Ausnahmen geben: In „besonderen Einzelfällen“ könne ein Antrag beim Finanzministerium gestellt werden, bei dem „ein besonders strenger Maßstab an den Nachweis eines solchen Bedarfes angelegt“ werde. Ausgenommen von der Sperre sind Verfassungsorgane wie Bundespräsident, Bundestag, Bundesrat und Bundesverfassungsgericht.
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Bundeshaushalt gesperrt: Wie geht es weiter?
Der Schritt des Finanzministeriums erhöht den Druck auf die Bundesregierung noch einmal deutlich. Wie geht es jetzt weiter?
- Für Dienstag ist eine Experten-Sitzung im Haushaltsausschuss im Bundestag vorgesehen, bei der verschiedene Sachverständige ihre Einschätzung der aktuellen Situation geben sollen.
- Eigentlich war geplant, den Haushalt 2024 am Donnerstag zu beschließen – ob das unter den aktuellen Umständen realistisch ist, ist fraglich.
- Auch bei den Experten, deren Stellungnahmen bereits vorab veröffentlicht wurden, herrscht über diesen Punkt keine Einigkeit.
So sieht etwa der Wirtschaftswissenschaftler Jens Südekum den Kernhaushalt nicht betroffen. Er rät, dass der Bundestag den Etat normal beschließen solle, auch weil bis Jahresende gar nicht alle offenen Fragen zum Urteil geklärt werden können. Im kommenden Jahr könne es dann einen Nachtragshaushalt geben.
Steuerrechtler Hanno Kube von der Universität Heidelberg dagegen rät scharf davon ab. „Der vorliegende Entwurf des Haushaltsgesetzes 2024 könnte verfassungswidrig sein“, warnt er. Der Bundesrechnungshof hält nicht nur den kommenden, sondern auch den Haushalt dieses Jahres wegen der schon ausgegebenen Energiepreisbremsen-Mittel „in verfassungsrechtlicher Hinsicht für äußerst problematisch“.
Welche Möglichkeiten gibt es jetzt?
Eine Option wäre es, nachträglich eine Haushaltsnotlage für 2023 zu erklären. Damit könnte die Schuldenbremse umgangen werden. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert erklärte am Dienstag im ARD-„Morgenmagazin“, dass dies ein möglicher Schritt für die SPD wäre, wenn sie alleine regieren würde. Es gebe aber auch andere Optionen. Die FDP hat sich bereits gegen eine Haushaltsnotlage ausgesprochen.