Berlin. Seit mehr als einem halben Jahr gilt die Energiepreisbremse. Verbraucherschützer decken nun viele Mängel auf. Was sie jetzt fordern.

Seit dem 1. Januar gilt die Energiepreisbremse. Sie regelt, wie viel Verbraucher höchstens für Gas und Strom zahlen dürfen. Doch die Umsetzung der Preisbremse funktioniert nur schlecht, wie jetzt eine erste Auswertung der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) zeigt, die dieser Redaktion exklusiv vorliegt. Die Verbraucherschützer stellen Forderungen an Energieversorger – und Politik.

Nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs im vergangenen Jahr war Deutschlands Energiebranche stark unter Druck geraten. Die Preise stiegen deutlich. Der Bund führte mit Steuergeldern eine Energiepreisbremse ein, um die Kosten für Verbraucher begrenzen. Die Preise wurden für Privathaushalte sowie Firmen gedeckelt, solange sie nicht mehr als 80 Prozent der Energie im Vergleich zum Vorjahr verbrauchen. Die Energiepreisbremse trat im März in Kraft und gilt rückwirkend auch für Januar und Februar dieses Jahres. Eigentlich.

vzbv-Chefin: Energiepreisbremse hat oft nicht entlastet

„Die Energiepreisbremsen sollen die Menschen unbürokratisch entlasten. Vielfach ist das Gegenteil eingetreten“, sagt Ramona Pop, Vorständin der Verbraucherzentrale. Die Verbraucherzentrale hatte Ende Februar einen Aufruf gestartet und gefragt, welche Probleme es bei der Umsetzung der Entlastungspakete für Gas, Strom und Wärme gibt. Bis zum 1. Juni bekam sie knapp 1350 Antworten. Zusätzlich meldeten sich zwischen März und Juni weitere knapp 300 Personen beim sogenannten Frühwarnnetzwerk der Verbraucherzentrale mit Problemen bei der Energiepreisbremse.

„Die Energiepreisbremsen sollen die Menschen unbürokratisch entlasten. Vielfach ist das Gegenteil eingetreten“, sagt Ramona Pop, Vorständin der Verbraucherzentrale.
„Die Energiepreisbremsen sollen die Menschen unbürokratisch entlasten. Vielfach ist das Gegenteil eingetreten“, sagt Ramona Pop, Vorständin der Verbraucherzentrale. © dpa | Britta Pedersen

Das Ergebnis: Von den gut 1600 Rückmeldungen monierten Verbraucher in rund 53 Prozent der Fälle, dass die Energieversorger zu hohe Abschläge forderten. So meldete eine Verbraucherin beispielsweise: „Die Verbraucherin erhielt vom Anbieter am 18.2.23 ein Schreiben mit Berechnung ihres neuen Abschlags unter Berücksichtigung der Gaspreisbremse. Sie soll statt 200 €/Monat nun 1273 € Monat zahlen. Dies ist für sie in keiner Weise nachvollziehbar, da sich der Verbrauch nicht geändert hat.“

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Zu niedrige Abschlagszahlungen – hohe Nachzahlungen als Folge

Doch auch zu niedrige Abschlagsanpassungen stellen für viele ein Problem dar. So meldete sich ein Betroffener mit folgender Kritik bei der Verbraucherschutzorganisation: „Mein neuer Abschlagsplan wurde von 83 € auf 66,50 € im Monat gesenkt. Bei einem Verbrauch von zuletzt ca. 2900 kWh für einen 2-Personen-Haushalt und einer Strompreisdeckelung auf 0,40 € wären das eigentlich 99,33 € im Monat. Selbst wenn die Deckelung nur für 80 Prozent des Verbrauchs gilt, wäre das eine Nachzahlung im nächsten Jahr von fast 400 €.“ Ein Anruf beim Anbieter habe dies bestätigt.

Das Problem: Auch wenn für den Energieverbrauch zuerst weniger gezahlt wird, kommen auf den Verbraucher später hohe Nachzahlungen zu – zumindest dann, wenn er nicht bemerkt, dass die Abschläge zu niedrig angesetzt wurden.

27 Prozent berichten von falschen Verbrauchsprognosen

Insgesamt meldeten Verbraucher in gut einem Viertel aller im Rahmen der Untersuchung betrachteten Fälle (27 Prozent) falsch berechnete Jahresverbrauchsprognosen. Laut vzbv-Auswertung war es ihnen teils nicht möglich, die Verbrauchsprognosen anpassen zu lassen. So meldete sich zum Beispiel ein Kunde bei der Verbraucherzentrale und erklärte, er habe aufgrund der Energie-Krise sein Leben radikal umgestellt und seinen Verbrauch von jährlich rund 22.500 bis 26.000 Kilowattstunden auf 18.500 gedrosselt. Die Verbraucherzentrale berichtet: „Vom Anbieter erhielt der Verbraucher kein Schreiben zur Gaspreisbremse. Nur in der Rechnung gibt es einen Hinweis aufgrund der Dezemberhilfe, dass die Verbrauchsprognose mit rund 18.400 kWh berechnet wurde. Der Verbraucher fühlt sich, als würde er nun finanziell dafür bestraft werden, dass er so frugal im Verbrauch war – da 80 Prozent nur 14.720 kWh deckeln würden. Diesen Wert kann der Verbraucher nicht schaffen.“

Seit dem 1. Januar gilt die Energiepreisbremse. Bei den Verbrauchern kommt sie aber nicht immer an, die Energieanbieter verlangen beispielsweise zu hohe Abschlagsforderungen.
Seit dem 1. Januar gilt die Energiepreisbremse. Bei den Verbrauchern kommt sie aber nicht immer an, die Energieanbieter verlangen beispielsweise zu hohe Abschlagsforderungen. © dpa-tmn | Christin Klose

Verbandschefin Pop sagt: „Die vzbv-Auswertung offenbart, dass es Energieanbieter gibt, die Probleme bei der Umsetzung der Preisbremsen hatten.“ Sie listet die Probleme auf: „Verbraucher und Verbraucherinnen berichteten von überhöhten Abschlagsforderungen, sie wurden schlecht informiert und landeten bei Rückfragen in Hotline-Warteschleifen.“

Kundenhotlines nicht oder nur schwer zu erreichen

Rund ein Zehntel aller Beschwerden richteten sich laut vzbv zudem gegen schwer zu erreichende Kundenhotlines oder fehlende Rückmeldungen bei Beschwerden – sprich: schlechten Kundenservice. Pop sagt: „Vor allem in Krisenzeiten brauchen die Menschen einen gut erreichbaren Kundenservice.“ Doch der scheint Mangelware zu sein, liest man die Beschwerden bei der Verbraucherzentrale. „In der Hotline wird zu jeder Tageszeit mit einer Wartezeit von 45 Minuten gedroht, in den letzten Tagen wurde man schließlich aus der Warteschleife per Ansage verabschiedet – der Andrang sei zu hoch. Auf meine schriftliche Nachfrage per E-Mail habe ich seit drei Wochen keine Antwort bekommen“, meldet ein Verbraucher.

Und ein anderer erzählt: „Abschlagszahlung mehr als verdoppelt. Ich verstehe die Rechnung nicht annähernd bzw. Aufstellung von Beträgen, die ich nicht nachvollziehen oder finden kann. Die Erklärung ist sehr dürftig. Hotline ist dauerbesetzt. Bin schockiert und völlig überfordert, an wen ich mich wenden kann.“

Das fordern die Verbraucherschützer

Die Verbraucherzentrale fordert daher einen besseren Schutz der Verbraucher. „Die Bundesregierung muss das Gesetz nachbessern und eindeutiger formulieren, damit die gewünschte Entlastung bei allen Verbrauchern und Verbraucherinnen ankommt“, sagt Pop. Dies seien zum Beispiel ungeklärte Zuständigkeitsfragen zwischen Anbietern und Netzbetreibern aber auch die unklaren Formulierungen zu den Verbrauchsprognosen.

Außerdem müsste im Gesetz Klarheit geschaffen werden für diejenigen, die zum 1. März 2023 ihren Energieversorger gewechselt haben - dem Starttag der Preisbremsengesetze. Die Verbraucherschützer erklären, dass diese Kunden aufgrund einer Gesetzeslücke keine rückwirkenden Entlastungsbeträge für Januar und Februar erhalten. Diese Lücke im Gesetz müsse behoben werden, fordert die Verbraucherzentrale.

Außerdem sei nun die Bundesnetzagentur, die Kontrollbehörde, besonders gefragt. Rechtsbrüche dürften nicht ohne Konsequenzen bleiben. „Die Bundesnetzagentur muss ihrer Funktion als Aufsichtsbehörde gerecht werden und die Einhaltung geltender Vorschriften durchsetzen“, so die Verbraucherschutz-Organisation.