Essen. Nach der Insolvenz von Real will Rewe 15 der 62 Filialen übernehmen. Verdi befürchtet, dass zahlreiche Real-Märkte geschlossen werden sollen.

Die Unruhe bei der insolventen SB-Warenhauskette Real wächst: Aus Sorge, dass bis zu 30 der 62 Filialen geschlossen werden könnten, warnt die Gewerkschaft Verdi in einem Flugblatt: „Investoren zocken ab – die Zeche sollen die Beschäftigten zahlen.“

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Als Real am 29. September beim Amtsgericht Mönchengladbach Insolvenz in Eigenverantwortung anmeldete, klang Geschäftsführer Bojan Luncer noch zuversichtlich. Der Sachwalter und er hätten das Ziel, beim laufenden Verkaufsprozess „möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten“. Danach sieht es inzwischen offenbar nicht mehr aus. Bei der Gewerkschaft Verdi geht die Sorge um, dass 20 bis 30 der 62 Real-Märkte geschlossen und nur der Rest verkauft werden soll. Der Gesamtbetriebsrat hat offenbar bereits die betroffenen Beschäftigten darüber informiert, dass es für sechs Real-Standorte bislang keine Interessenten gebe.

Verdi: Investor SCP hat sich mit Real „eine goldene Nase“ verdient

„Es gibt keinerlei Informationen darüber, welche Filialen zur Disposition stehen“, beklagt Verdi. Die Eigentümerin der kleinen Kette, die britische SCP-Gruppe, habe alle Termine mit dem Aufsichtsrat und dem Gesamtbetriebsrat „platzen lassen“. „Filetieren, verkaufen, schließen – das ist das Motto des Finanzinvestors“, kritisiert Verdi. Durch die Insolvenz hätten auch langjährig Beschäftigte Kündigungsfristen von maximal drei Monaten und verlören ihren Anspruch auf Abfindungen. SCP dagegen habe sich in der Vergangenheit „eine goldene Nase“ mit Real verdient.

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„Wir fordern den Arbeitgeber auf, so viele Filialen wie möglich zu verkaufen. Für die Standorte, die übrig bleiben, muss es ordentliche Lösungen geben. Da muss Real Verantwortung übernehmen“, sagte Corinna Groß im Gespräch mit unserer Redaktion. Die neue Verdi-Bundesfachgruppenleiterin für den Einzelhandel hat vor allem die Beschäftigten im Blick: „Die Menschen haben zum Teil über Jahrzehnte Real die Stange gehalten und ihr Arbeitsleben für Real gegeben. Am Ende waren sie glücklich, dass sie ihre Arbeitsplätze behalten konnten“, meint Groß. „Es kann nicht sein, dass die Ära Real nun für viele Beschäftigte teuer und bitter enden soll.“

Rewe will 15 Real-Märkte übernehmen

Nach Verdi-Angaben bekamen freigestellte Mitarbeitende von vier Real-Standorten kein September-Gehalt. „Sie werden die Nachzahlung wohl vor Gericht erstreiten müssen“, vermutet Corinna Groß. Die Gewerkschaft kämpft aber auch an anderer Stelle. Um das Weihnachtsgeld etwa, dessen Auszahlung in die Insolvenz-Phase fällt. Doch nicht nur das. „Die Kolleginnen und Kollegen haben Überstunden ohne Ende. Wir wollen verhindern, dass diese Mehrarbeit in die Insolvenzmasse fällt“, so die Verdi-Frau. Unklar sei auch, ob Real-Beschäftigte, deren Filialen geschlossen werden, in der aktuellen Phase Anspruch auf Abfindungen haben werden.

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Deshalb setzt Verdi alle Hoffnungen darauf, dass möglichst viele der 62 Real-Märkte von Wettbewerbern übernommen werden. Von der Insolvenz sind auch Real-Standorte in Dinslaken, Düsseldorf-Heerdt, Gelsenkirchen, Hagen, Heiligenhaus, Herne und Kamp-Lintfort betroffen. In der vergangenen Woche hatte Rewe Interesse an 15 SB-Warenhäusern bekundet. Welche Märkte der Konzern übernehmen will, blieb zunächst offen.

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Das Kartellamt muss nach dem offiziellen Antrag nun prüfen, ob der Kölner Lebensmittelriese an den jeweiligen Standorten durch den Erwerb von Real eine marktbeherrschende Stellung einnehmen würde. Die Gefahr gilt allerdings als gering. Rewe ist strategischer Partner von Real und beliefert alle SB-Warenhäuser ohnehin schon zu großen Teile mit Ware. In der Bieterrunde vor einigen Jahren hatte Rewe nur fünf Real-Filialen übernommen.

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Real blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück. 2020 verkaufte der Düsseldorfer Handelsriese Metro die Kette mit damals 273 Märkten an die britische SCP-Gruppe. Die Investoren wiederum zerlegten das Unternehmen und veräußerten den Großteil der Standorte an Einzelhändler wie Kaufland, Edeka, Globus und eben auch Rewe. 62 Filialen, die übrig blieben, betrieb SCP überraschend weiter.

Zwischenzeitlich hatten Investoren um den Frankfurter Rechtsanwalt Sven Tischendorf Real übernommen. Das Engagement hielt aber nicht lange. Im Frühjahr 2023 gab Tischendorf die kleine Kette zurück in die Hände von SCP. Eine Rettung schien aber offenbar nicht mehr möglich.

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„Wir haben das Unternehmen im Mai in einer Krisensituation übernommen und alle Anstrengungen darauf ausgerichtet, es mit einem tragfähigen Konzept zurück auf die Erfolgsspur zu bringen. Trotz umfassender operativer Verbesserungen konnten zuvor getroffene fehlgeleitete operative Managemententscheidungen vor dem Hintergrund des herausfordernden gesamtwirtschaftlichen Umfelds nicht schnell genug korrigiert werden“, sagte Geschäftsführer Bojan Luncer am 29. September, nachdem er den Antrag auf Insolvenz in Eigenverantwortung gestellt hatte.

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Bis Ende des Jahres übernimmt nun die Bundesagentur für Arbeit die Gehälter der 5000 Real-Beschäftigten. Der Betrieb in den Filialen läuft weiter.