Essen/Berlin. Als erster Lebensmittelhändler stampft Rewe den Papier-Werbeprospekt ein. So reagieren Edeka, Aldi, Lidl und Netto.
Wer beim Einkaufen sparen will, kann sich am Wochenende durch einen Stapel von Werbeprospekten arbeiten. Oft landen die Handzettel aber auch ungelesen gleich im Altpapier. Schnäppchenjäger, die auf Gedrucktes stehen, müssen sich nun aber zusehends umgewöhnen. Nach der Baumarktkette Obi stampft nun auch Deutschlands zweitgrößter Supermarkt-Betreiber Rewe seine Handzettel ein.
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Die Zahl ist gewaltig: Mehr als 28 Milliarden Werbeprospekte landen jährlich in den Briefkästen deutscher Haushalte. „Viele Familien lesen sie samstags am Frühstückstisch. Sie werden aktiv konsumiert – und das macht sie für den Handel so wertvoll“, sagt Jens-Peter Gödde vom Kölner Institut für Handelsforschung (IFH). Das bunt bedruckte Papier hat aus Konsumentensicht offenbar einen anderen Wert als die Nebenbei-Berieselung mit Fernsehreklame oder Radiospots oder nervigen Anzeigen auf Internetseiten, die man immer wieder wegklicken muss. Einer Umfrage des IFH aus dem vergangenen Jahr zufolge lesen 90 Prozent der Menschen in Deutschland gelegentlich die Handzettel, gut drei Viertel regelmäßig jede Woche.
Rewe spart 7000 Tonnen CO2
Die Herstellung und der Vertrieb der Hochglanzprospekte kostet die Handelsketten aber nicht nur viel Geld, sie haben auch ihren ökologischen Preis. Allein Rewe ließ bislang wöchentlich rund 25 Millionen Handzettel verteilen. Mit dem Verzicht auf Papier und Druckerfarbe will der Kölner Handelsriese 7000 Tonnen CO2, 1,1 Millionen Tonnen Wasser (sechs Millionen Badewannen) und 380 Millionen Kilowattstunden Energie pro Jahr sparen. Mehr als 73.000 Tonnen Papier landen künftig nicht mehr Müll – das entspreche dem Gewicht von mehr als 600 Blauwalen.
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Symbolträchtig übergab Rewe-Vorstandsmitglied Peter Maly am Freitag den letzten gedruckten Prospekt an das Berliner Papiermuseum, das eine Ausstellung über die gedruckte Reklame zeigt. „Mit diesem Engagement leistet Rewe einen wesentlichen Beitrag zur Schonung unserer natürlichen Ressourcen und reduziert den eigenen CO2-Fußabdruck“, begründete Maly die rigorose Umstellung der Rewe-Werbung auf elektronische und digitale Kanäle. Der Tragweite der Entscheidung ist sich der Handelsmanager durchaus bewusst, spricht gar von einer Revolution: Kein anderes Werbemedium sei im Einzelhandel so etabliert wie der farbige Prospekt. „Bisher undenkbar, das zu ändern“, heißt es bei Rewe.
Otto, Ikea und Obi verzichten bereits auf Papier
Das stimmt freilich nicht so ganz. Rewe ist zwar der erste deutsche Lebensmittelhändler, der auf Papier verzichtet. Der Versandhändler Otto hatte bereits im Jahr 2018 seinen gedruckten Katalog eingestampft, 2020 folgte der schwedische Möbelkonzern Ikea. 2022 verkündete die Baumarktkette Obi das Aus der gedruckten Beilagen. Den Konzernen mit den großen Namen ist gemein, dass sie auf die veränderten Gewohnheiten der Konsumenten reagieren. Im Vordergrund stehen jedoch ökologische Aspekte.
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Das Ende des Handzettels begrüßt deshalb der Naturschutzbund Nabu. „Wir freuen uns, dass Rewe gesellschaftliche Verantwortung übernimmt und hoffen, dass viele Mitbewerber im Lebensmitteleinzelhandel dieser Entscheidung folgen werden“, sagt Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Während Rewe-Vorstand Maly davon überzeugt ist, alle Kundinnen und Kunden über einen Mix aus Tageszeitungen, Radio, Fernsehen und digitale Medien mit seinen Sonderangeboten zu erreichen, zögert die Konkurrenz noch, ganz auf Papier zu verzichten.
Edeka: Kunden wollen auf Handzettel nicht verzichten
„Auch wir verlagern unsere Angebotswerbung verstärkt von Print auf digitale Kanäle“, sagt Simone Erkens, Sprecherin von Edeka Rhein-Ruhr, und nennt als Beispiele die Internetseite des Konzerns, die Edeka-App und übergreifende Angebotsportale. „Wir wissen aber auch, dass viele unserer Kunden nicht auf den gedruckten Handzettel verzichten möchten, und auch diese Menschen wollen wir erreichen“, betont Erkens. Deshalb setze Edeka auf nachhaltiges Papier, dessen Anteil kontinuierlich ausgebaut werde. Zudem optimiere man fortlaufend die Verteilgebiete.
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Eine ähnliche Strategie verfolgt auch Edekas Discount-Tochter Netto. Um „in Zeiten hoher Preissensibilität einen günstigen Wocheneinkauf zu ermöglichen“, sagt Sprecherin Christina Stylianou. Netto setze nicht nur auf zertifiziertes Papier, sondern auch auf effiziente Entsorgungs- und Recyclingsysteme. „Unsere Auflagen werden durch kontinuierliche Verbesserungen der Verteilgebietsstruktur bedarfsorientiert organisiert“, so Stylianou.
Aldi fährt zweigleisig
Weiterhin zweigleisig will auch der größte deutsche Discounter Aldi fahren. „Das Aldi-Magazin ist für unsere Kundinnen und Kunden nach wie vor ein wichtiger und fester Bestandteil der Einkaufsplanung“, sagt Joachim Wehner, Sprecher von Aldi Nord. Das Printprodukt sei „sehr reichweitenstark“ und bei den Kundinnen und Kunden beliebt. Deshalb gebe es das Aldi-Magazin inzwischen auch als digitale Version. Der Discounter aus Essen denkt aber offenbar auch über eine verkleinerte Version nach. „Formatanpassungen sind für uns ein gangbarer Weg, um auf die steigenden Papierpreise zu reagieren. Wir gehen – auch aus Nachhaltigkeitsgründen – sehr bedacht mit den Seitenumfängen und der Auflage unseres Magazins um. Und Sonderausgaben veröffentlichen wir häufig nur noch online“, erklärt Wehner.
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Auch Aldi Süd verweist auf den digitalen Handzettel, den es auf der Website, per App und Whatsapp gebe. Aber eben auch auf die Papier-Variante. „Gerade in der aktuellen Zeit erwarten viele Kund:innen gezielt die Prospekt-Zustellung, um sich zu informieren, wo sie die günstigsten Lebensmittel in bester Qualität kaufen können“, betont Sprecherin Anna-Maria Lennertz.
Lidl: Der Handzettel ist ein zentrales Medium
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In der Einschätzung liegt Aldi mit dem Erzrivalen Lidl auf einer Wellenlänge. „Der Haushaltshandzettel ist ein zentrales Medium unserer Marketingaktivitäten, mit dem wir Kunden in definierten Gebieten über kommende Angebote und neue Produkte informieren. Die Verteilgebiete werden kontinuierlich geprüft und angepasst“, betont Sprecherin Gloria Funke und verweist darauf, dass die Prospekte auch weiterhin in den mehr als 3250 Lidl-Filialen ausliegen werden.