Bad Berleburg. . Vor gut einem Jahr sind die Wisente in Wittgenstein freigesetzt worden. Die Bilanz ist positiv - und die Kritik an dem einzigartigen Artenschutzprojekt ist verstummt.
Da stehen sie. Auf einer wilden Wiese unweit des Waldskulpturenweges am Rothaarsteig. 60 Meter vom Weg entfernt. Wie reagieren die neun Wisente auf die Journalisten? Lassen sie sich beim Grasen stören? Nur kurz. Neugierig heben sie ihren Kopf. Ein Tier streckt die Zunge heraus. Willkommen in Wittgenstein.
Das Surren der Kameras hat ihr Interesse geweckt. Und die tonnenschweren Tiere machen es den Menschen nach: Sie glotzen. Mehr nicht. Keine Gefahr in Verzug. Leitkuh Araneta signalisiert Entspannung. Die Frau hat in der Herde das Sagen. Die Wisente senken die Köpfe und fressen in aller Ruhe weiter. „Das Verhalten hat mir gut gefallen“, sagt Johannes Röhl, Forstdirektor der Wittgenstein-Berleburg’schen Rentkammer. „Die Tiere haben nicht panisch reagiert. So soll es sein.“
Fluchtreflex bei 40 Meter Distanz
Ihm steht beim Anblick der Herde die Freude ins Gesicht geschrieben. „Die Wisente strahlen eine ungeheure Faszination aus.“ Zweifelsfrei. Jedes Tier für sich ist eine majestätische Erscheinung mit einer ganz eigenen Aura. Was ihn nach der Freisetzung der Tiere vor einem Jahr am meisten überrascht hat? „Sie sind deutlich leichter zu erleben, als wir gedacht haben.“
Wer glaubt, es kommt tagtäglich zu wundersamen Begegnungen mit Wanderern oder Radfahrern, der irrt. Bernd Fuhrmann, Bürgermeister Bad Berleburgs und Vorsitzender des Vereins Wisent-Welt-Wittgenstein, der das einzigartige Naturschutzprojekt trägt, weiß: „Immer wieder werden wir danach gefragt, wo die Tiere sind. Jede Begegnung ist purer Zufall.“
"Kein aggressives Verhalten von den Tieren"
Die Zahl der Menschen, die die Herde nicht zu Gesicht bekommt, ist um ein Vielfaches höher, als die derjenigen, denen sie sich zeigt. Die Wisente suchen nicht die Nähe der Menschen. Diplom-Biologin Coralie Herbst, die das Artenschutzprojekt wissenschaftlich koordiniert, steuert jüngste Erkenntnisse im Verhältnis von Mensch und Wisent bei. „Tests haben gezeigt, dass die durchschnittliche Distanz von 40 Metern bei den Tieren den Fluchtreflex auslöst.“
Berichte in Online-Netzwerken, wonach Wanderer bis auf zehn Meter an die Tiere herangekommen sind, lassen sich nicht überprüfen. Herbst: „Es hat sich aber gezeigt, dass von den Wisenten in keinem Fall ein aggressives Verhalten ausgegangen ist.“ Sorgen bereiten ihr die Versuche, die Tiere mit Futter für ein Foto anzulocken.
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„Das ist kontraproduktiv. Wir müssen leider feststellen, dass einige Menschen den nötigen Respekt gegenüber den Wisenten vermissen lassen.“ Um die Unwissenden im Umgang mit der vor dem Aussterben bedrohten Art zu informieren, sollen Schilder über das richtige Verhalten aufklären. Und Paul Breuer, Landrat des Kreises Siegen-Wittgenstein, appelliert, „den Respekt vor den Tieren zu wahren“. Alles andere sei aus Sicht der Wisente eine Provokation.
Die Wisente stört es nicht, im Gespräch zu sein. Bei Einheimischen sind sie, das hat eine Befragung ergeben, als Thema nicht mehr so gefragt. Das freut Röhl: „Das haben wir uns gewünscht. Es ist eine Normalisierung eingetreten.“