Vienna/Aue.
Nur einmal im Jahr kann Anke Langenbach-Hassler ihre Eltern in der alten Heimat Wittgenstein besuchen, denn rund 6500 Flugkilometer trennen Frau Doktor von ihrem Elternhaus im Auer Hudeweg. Die 43-Jährige lebt nämlich mit ihrer Familie in Vienna, Virginia, und leitet dort als Fachärztin für Kleintierchirurgie eine Abteilung am Hope Center for Advanced Veterinary Medicine.
„Tiermedizin war immer schon klar, aber dass ich in Amerika und in der Chirurgie lande ist auch Zufall gewesen.“ Schon in ihrer Grundschulzeit und später als Gymnasiastin am Berleburger Johannes-Althusius-Gymnasium zeigte Anke Langenbach ein Herz für Tiere: Das aus dem Kompost gerettete Mäusenest wurde in eine Zigarrenkiste umgebettet und die Winzlinge mit einer Liebesperlenflasche aufgepäppelt.
Sie hat Vogeleier nach Hause gebracht, einen Igel mit Gehacktem gefüttert und über den Winter gebracht, Spinnen und Frösche gerettet, Fische gezüchtet und an ein Zoogeschäft verkauft, Kaninchen gehalten, ist zum Reiten gegangen und hat mit weiblicher List ihren Papa überzeugt, einen Hund halten zu dürfen und für den sogar mal auf den Urlaub verzichtet, erinnert sich ihre Mutter, Margarete Langenbach, an unzählige Episoden. Und ihre Tochter habe immer gewusst, was sie werden wollte, nämlich Tierärztin. „Es gab keinen anderen Weg.“
1987 nach dem Abi an die Uni München
Doch der ist hart gewesen, „anstrengend und arbeitsintensiv“, bekennt Anke Langenbach. Gestartet hat sie ihre Karriere 1987 nach dem Abi an der Uni in München, eingeschoben wurden zwei Semester an der Kansas State University. Weitere Stationen waren Pennsylvania, Ohio State University, Cornell University und das Animal Medical Center of New York. Ihre Bewerbung zum Fachtierarzt führte Anke Langenbach zur Uni nach Philadelphia, wo sie diplomierte und ihre Doktorarbeit schrieb. Sie wechselte als Angestellte in eine Privatpraxis, wollte jedoch wegen dem kleinen Sohn nicht die ganze Woche berufstätig sein und eröffnete daher 2004 ihre eigene Praxis.
Ihr Mann, Steve Hassler, ist übrigens Amerikaner mit deutschen Wurzeln. Sein Opa lebte in Womelsdorf/Pennsylvania, wo ein Ortsschild aus dem Kreis Siegen-Wittgenstein hängt, wie Anke bei ihrem ersten Besuch dort ganz verdutzt feststellte. Und ihre beiden Söhne, Wolf (10) und der 6-jährige Lars, fahren nach Washington zur deutschen Schule. Zuhause wollen alle eigentlich nur deutsch sprechen, aber das funktioniere nicht. Das Kuriose ist dabei, dass Englisch nie zu ihren Lieblingsfächern zählte.
Klinik für Hunde und Katzen mitaufgebaut
Wenn sie die Jungen morgens am Bus abgesetzt hat, fährt die Tierärztin fünf Kilometer weiter zur Klinik, die sie mitaufgebaut hat und in der ihre Praxis integriert ist. Das Hope Center ist ein großes Krankenhaus mit drei Etagen, Notaufnahme, Kardiologie, Neurologie, Chirurgie, Onkologie, Augenkunde, Innere sowie Ernährungsberatung. Ein mehr als 100-köpfiges Team, das nur Hunde und Katzen versorgt. „Wir sind eine Überweisungspraxis, d.h. es kommen nur schlimme Fälle, die in einer normalen Tierarztpraxis nicht behandelt werden können. Der Bedarf sei vorhanden, denn „drüben ist kein Haushalt ohne Tier.“
Frau Doktor liebt das Leben mit den Tieren
Angestellt sind bei ihr drei Chirurgen, ein Neurochirurg und zwei Tierärzte in Ausbildung. Zum Tagesablauf von Dr. Langenbach-Hassler gehören Visite, Ausbildung der angehenden Ärzte, dann OPs „Kreuzbänder, Frakturen, Arthroskopien, künstliche Hüften, Tumore, und auch der Hund, der den Tennisball verschluckt hat.“ Spektakulär war die Aktion, als ein Hund mit einem Herzdurchschuss eingeliefert wurde. Die Kugel war ihm im Ellenbogen steckengeblieben. „Das kam hinterher noch ins Fernsehen und ich wurde interviewt.“
Deutsche Gemütlichkeit fehlt etwas
Parallel läuft die Sprechstunde. Mittags wechseln die Aufgabenbereiche, aber „ich mache beides gerne“. Der Dienst dauert offiziell bis 18 Uhr, oft wird es später, denn „die Klinik hat eigentlich nie zu“. Zudem wird sie auch häufig nachts aus dem Bett geklingelt.
Den Feierabend nutzt Anke Langebach, um mit den Kindern zu spielen und ihnen vorzulesen und mittwochs, an ihrem freien Tag, hilft sie in der Schule beim Schwimmunterricht oder in der Küche. Zusätzlich operiert sie ehrenamtlich für eine Organisation auch Wildtiere, z.B. ein Opossum mit Bisswunde, einen Waschbär mit Hüft-OP, die Blase eines Eichhörnchens, den Specht mit gebrochenem Bein. „Wir arbeiten viel“, bekennt die Tierärztin, „und ich kann als Freiberufler keine sechs Wochen Ferien machen.“ Die deutsche Gemütlichkeit vermisst sie daher etwas.
Familienausflüge am Wochenende
Am Wochenende steht Haushalt auf dem Plan und der Gemüsegarten, „wegen des roten Lehmbodens habe ich mir Hochbeete angelegt“, außerdem Wandern, Fahrradfahren, Ausflüge mit der Familie. Die Jungen spielen Hockey, Lacrosse, eine amerikanische Ballsportart mit Netzschlägern und im Frühjahr sind Fußball-Spiele angesagt.
Mit drei Katzen und einem Hund wohnt die Familie in Vienna, einer rund 15 000 Einwohner zählenden Stadt im Bundesstaat Virginia. „Es ist grün, hügelig“ und durch die Nähe zu Washington mit Museen, Theater und Konzerten ist das Kulturangebot sehr attraktiv. Und in die Berge, die Appalachen mit dem Shenandoh-Nationalpark und dem George Washington National Forrest, fährt man nur eine Stunde. Die Gegend ist ländlich, „eine Großstadt wäre nichts für mich. Hier gibt es außergewöhnlich nette Nachbarn und wir halten sogar Hühner.“
Ehemann Steve arbeitet als Ingenieur
Die Tiere versorgt zurzeit Ehemann Steve, der als Ingenieur in einem Architekturbüro tätig ist. Diesmal konnte er nicht frei nehmen und seine Familie nach Deutschland begleiten. Doch Margarete und Wolfgang Langenbach fliegen mindestens einmal im Jahr rüber. „Aber nicht im Sommer“, schütteln beide den Kopf, „das ist dort dann wie in der Sauna.“
Wenn Oma, die übrigens extra Englischkurse besucht hat, und Opa drüben sind, fährt der 73-Jährige die Kinder zur Schule. „Mit Navi kein Problem.“ Einiges sei allerdings gewöhnungsbedürftig: Die Ampeln stehen hinter der Kreuzung, vor und hinter einem haltenden Schulbus muss alles warten und auf manchen Straßen ist die Fahrspur der jeweiligen Personenzahl im Fahrzeug anzupassen. „Bei uns muss man alles mit dem Auto erledigen“, wirft Tochter Anke ein, „die Städte sind nicht für Fußgänger konzipiert“.
Tierische Erlebnisse im trauten Heim
Beim Erzählen fallen ihr immer wieder tierische Erlebnisse ein, z.B. das, als aus den gekauften Bruteiern nicht nur Hühnchen, sondern auch eine Truthenne ausschlüpfte. „Stony“ saß immer auf dem Hühnerhaus, flatterte sonntags um Viertel nach sechs aufs Hausdach und beschwerte sich lautstark im Truthahn-Sound, weil ihre Freunde noch nicht gefüttert und rausgelassen waren. „Eines Tages ist sie einfach verschwunden und leider nicht mehr aufgetaucht.“
Jedes Jahr im Frühjahr findet sich im Garten Laich von Baumfröschen. „Den haben wir anfangs aus unserem Swimming-Pool ins Haus geholt, die kleinen Frösche mit gekauften Fliegen gefüttert, bis sie groß genug waren und dann in die Freiheit entlassen. Im zweiten Jahr waren es über 400 Stück. „Viel Arbeit und ein teurer Spaß!“ Daraufhin hat ihr Vater einen Gartenteich gebaut, den sie jetzt ansteuern. „Tja“, nickt Anke Langenbach lachend, „bei uns ist immer was los.“