Bad Berleburg/Monitabo..

„Ob ich in Deutschland oder Kanada wohne, spielt heutzutage fast keine Rolle mehr“, hat Erich Stumme festgestellt. „Die Welt ist so sehr zusammengerückt – gerade auch durch die Medien.“

1986 kam er mit der Bundeswehr nach Shilo in der kanadischen Provinz Manitoba. Dort gab es einen Übungsplatz für Panzer und Panzergrenadiere, weil in Deutschland vor der Wiedervereinigung nicht genug Platz war. Als Personal-, Sicherheits- und Presseoffizier war Erich Stumme auch für das Fernsehprogramm in der Basis zuständig. „Wir hatten einen Kabelkanal, jeden Dienstag, zwei Stunden lang. Das war schon abenteuerlich“, erinnert er sich. Die deutschen Nachrichten kamen über den Fernschreiber und wurden dann von den Soldaten abends im Fernsehen selbst vorgelesen. Danach wurde ein Spielfilm von der Videokassette gezeigt. „Das europäische System war aber mit dem in Kanada nicht kompatibel. Also haben wir den Film erst von einem deutschen Monitor mit Kassettenrekorder abgefilmt und dann den abgefilmten Film auf unserem Kanal gezeigt“, erklärt der gebürtige Berleburger.

Mittlerweile empfängt er in Kanada die Deutsche Welle, sieht deutsches Fernsehen über das Internet und steht mit alten Freunden und Verwandten über das „Internet-Telefon“ Skype in Kontakt.

An Bad Berleburg gibt es nur gute Erinnerungen

Erich Stumme ist 1949 in Berleburg geboren und stammt aus dem Haus Poststraße 18, seinen Eltern gehörte das Gardinen- und Dekorationsgeschäft „Dickel und Stumme“. „An Berleburg habe ich nur positive Erinnerungen“, erzählt der 60-Jährige. „Man hatte die Freiheit, zu spielen, wo man wollte. Ich war immer mit vielen anderen zusammen“. Ganz wichtig sei für ihn das evangelische Jugendheim neben dem Gymnasium gewesen: „Das war eine tolle Sache, da habe ich so viel gelernt. Später wurde uns dann das Christkindhäuschen zur Verfügung gestellt. Das war ganz toll für uns, wir haben das dann renoviert und immer im Wald gespielt.“

Seine Teenager-Zeit hat Erich Stumme nur noch zum Teil in Berleburg verbracht. Im Wittgensteiner Hof fing er eine Lehre als Koch an, die er in Singen am Hohentwiel beendet hat. Danach hat er in einem Schlosshotel bei Tübingen gearbeitet, „bis dann das freundliche Schreiben von der Bundeswehr kam“, schmunzelt Erich Stumme und gibt zu: „Ich hätte mir nie träumen lassen, mal Berufssoldat zu werden. Aber irgendwie hat es mir gelegen und ich habe mich weiterverpflichtet.“

Beim „Bund“ hat er dann die mittlere Reife nachgeholt, außerdem die Ausbildung zum Bürokaufmann und zum staatlich geprüften Betriebswirt.

Kanada - Deutschland - Kanada

Zunächst hat er in Deutschland viele Stationen durchlaufen: Marburg, Schwalmstadt-Treysa, Unna, Darmstadt, Hannover und Külsheim. 1986 wurde er nach Shilo versetzt und blieb dort vier Jahre, in denen er auch seine Frau Cindy kennenlernte. Noch etwas, an das sich Erich Stumme gerne erinnert: „Cindy hat als Zivilangestellte in der Base gearbeitet, wir sind uns öfter über den Weg gelaufen. Ja, und dann hat es irgendwann gefunkt.“

1990 ging es aber erst mal wieder zurück nach Deutschland, erst nach Wiesbaden, später nach Bonn. „Cindy ist mitgekommen, konnte aber anfangs kein Wort Deutsch. Sie hat dann in einem Altenheim gearbeitet und perfekt Rheinisch gelernt“, erzählt Erich Stumme und lacht.

2005 hat er sich zur Ruhe gesetzt und ist mit Cindy wieder nach Kanada gegangen, weil sie dort zwei Söhne und mittlerweile vier Enkel hat. In Brandon, der nächstgrößeren Stadt zu Shilo, haben sie sich eines der ältesten Häuser gekauft und hergerichtet. „Aus Brandon stammt übrigens auch der Pilot des britischen Bombers, der am 30. März 1944 bei Dotzlar abstürzte. Ich versuche im Moment, seine Familie zu finden“, erzählt Erich Stumme.

Die deutsche Staatsbürgerschaft bleibt

Mittlerweile wohnt auch Cindys Vater mit im Haus, den Erich von einer 2300 Kilometer entfernten Insel vor Vancouver mit dem Auto abgeholt hat – ein echtes Abenteuer. Die deutsche Staatsbürgerschaft will er behalten und kommt einmal im Jahr nach Deutschland, zum Beispiel um seinen aus erster Ehe stammenden Sohn in Netphen zu besuchen oder seine Brüder in Siegen und Jesberg.

„An was man sich in Kanada gewöhnen muss, das sind die Entfernungen“, erklärt Erich Stumme. Das haben auch die deutschen Soldaten gemerkt, die zur Ausbildung nach Shilo kamen. „Das war schon immer ganz witzig“, erinnert sich der Pensionär, „die wollten dann zum Beispiel wissen, wie weit es zu den Niagarafällen ist und die Antwort war einfach: Zweieinhalb. Und die fragten dann: Zweieinhalb was? - Naja, Tage eben.“

Der erste Winter war etwas hart

Die Provinz Manitoba liegt in der Mitte Kanadas. Der Name ist indianisch und heißt „wo Gott wohnt“. Allein Manitoba ist schon fast doppelt so groß wie Deutschland und hat dabei gerade mal 1,2 Millionen Einwohner, Brandon als zweitgrößte Stadt knapp 40?000. „Im Süden gibt es große Farmen, die vor allem Weizen, Kartoffeln und Raps anbauen. Dort ist es ziemlich flach, nur leicht gewellt, mit kleinen Wäldchen. Im Norden sieht Manitoba dann aus wie die finnische Seenplatte“, erklärt Erich Stumme, der sich in seiner Wahlheimat sehr gut auskennt.

Der erste Winter hat ihm etwas zu schaffen gemacht: „30 bis 35 Grad Minus sind da schon normal. Aber die trockene Kälte ist eigentlich ganz gut auszuhalten.“ Im Januar dieses Jahres lag die Tiefsttemperatur bei -42 Grad. Deshalb brauchen die Autos dort auch eine Motorblockheizung. Im Sommer kann es aber durchaus um die 30 Grad warm werden. Das ist auch etwas, das Erich Stumme an seiner Heimat, neben den Bergen und Wäldern, vermisst: „Bei uns gibt es keinen richtigen Frühling, es wird sehr schnell warm.“

Zurück nach Deutschland will er aber erst mal nicht: „Cindys Familie lebt ja auch in Kanada. Und die Familie ist das Wichtigste.“