Niederlaasphe/Windhoek.
Mit 18 verließ Michaela Bauer ihre Heimat und ging nach Köln. Sechs Jahre später packte sie die Abendteuerlust und verschlug sie nach Namibia. Dort wollte sie eine dreimonatige Auszeit nehmen - jetzt ist sie seit zehn Jahren dort.
Realität und Fiktion verschwimmen in der grandiosen Landschaft der Wüste Namib mit den seit vielen Jahrhunderten abgestorbenen und doch nicht tot scheinenden Baumskeletten. Der Blick gleitet von orangebrauner Düne zu Düne immer weiter in Richtung Horizont, wo sie sanft mit dem Himmel verschmelzen. Das Fehlen jeglichen Geräusches wirkt angenehm fremd. In Momenten wie diesen ist für Michaela Bauer ihr Heimatort Niederlaasphe weiter entfernt als es rund 8100 Flugkilometer ausdrücken können.
Im Alter von 18 Jahren hat die gelernte Erzieherin Wittgenstein Richtung Köln verlassen, dort parallel zu ihrer hauptberuflichen Tätigkeit in der Familienhilfe die ersten Schritte in der Filmbranche unternommen und sich von der Praktikantin in die Aufnahmeleitung hochgearbeitet. Eine Portion an Neugier und Abenteuerlust mag es sechs Jahre später gewesen sein, der sie zum Urlauben nach Namibia führte. Drei Monate Auszeit wollte sie nehmen und dann wieder nach Deutschland zurückzukehren. Doch es blieb beim Vorsatz.
Aus drei Monaten wurden zehn Jahre
Der Grund dafür lag wohl in der ersten Reise, die Michaela durch das noch unbekannte Land unternahm und ihr eine Fülle an Eindrücken bescherte - die scheinbare Unendlichkeit der Landschaft zu erleben, im Flügelschlag eines Vogels atemlose Stille sogar auf der Haut zu spüren sowie die Offenheit und Herzlichkeit der Menschen zu erfahren.
Inzwischen lebt sie seit zehn Jahren in Windhoek, hat dort in der Anfangszeit als Freischaffende für das Nationaltheater und verschiedene Kleinkunstbühnen als Projektleiterin und Programmgestalterin gearbeitet. In 2004 gründete sie eine eigene kleine Film-Produktionsfirma - auch um sich einen Arbeitsplatz in einem Land zu sichern, das sie schätzen und lieben gelernt hat. Mittlerweile ist das Unternehmen Media Logistics Namibia welches sie seit drei Jahren gemeinsam mit ihrer namibischen Partnerin Oshosheni Hiveluah führt, mit fünf festangestellten und fünfzig freien Mitarbeitern eine der größten und erfolgreichsten Filmfirmen im Land.
Produziert werden internationale Filme, die in der Mehrzahl von den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten Deutschlands gesendet werden. Außerdem ist das Unternehmen als Produzent und Co-Produzent lokaler Werbungen, Kurzfilme und Dokumentationen z. B. zum Thema HIV/Aids tätig.
Einen Namen gemacht hat sich Michaela Bauer auch als Gründerin des Wild Cinema Film Festivals in Windhoek, das sie bis 2006 als Direktorin leitete.
Die koloniale Vergangenheit ist in vielen Bereichen sichtbar
Von der namibischen Hauptstadt begeistert zeigen sich auch ihre Eltern Anneliese und Wilfried Bauer, die im Jahr 2007 einen längeren Urlaubsaufenthalt in Windhoek und Umgebung verbrachten: „Die Stadt ist sehr sauber und tagsüber problemlos per Fuß zu erkunden. Der Einfluss der deutschen Sprache und Kultur ist auf Grund der kolonialen Vergangenheit in vielen Bereichen sichtbar. Es gibt deutsche Restaurants, deutsches Brot, Wurst, Bier und rheinischen Karneval. Fast überall kann man sich auf Deutsch verständigen.“
Ganz aktuell haben Michaela und ihr Team gerade eine spanische Bierwerbung für die Fußball-WM abgedreht und stehen seit dem 8. April in Dreharbeiten für einen Fernsehfilm von Produzentin Regina Ziegler mit Christine Neubauer in der Hauptrolle. Des Weiteren laufen die Vorbereitungen für einen deutschen Spielfilm der Network Movie, der ebenfalls im ZDF zu sehen sein wird.
„Ich mag meine Arbeit in Namibia, weil ich das Gefühl habe, etwas für eine immer noch als Entwicklungsland bezeichnete Region und seine junge Demokratie tun zu können. Durch unsere Projekte und Initiativen haben wir in den vergangenen Jahren viele Menschen ausbilden und ihnen zu Jobs verhelfen können. Uns ist es gelungen, der Bevölkerung Denkanstöße zu geben, auf wichtige Themen und vorhandene Probleme aufmerksam zu machen“, erzählt die 33-jährige Filmproduzentin.
In Deutschland aufzuwachsen ist ein Privileg
Gerne erinnert sie sich an ein Projekt des Goethe Instituts Johannesburg, das als ein „Pan African Script Writing Projekt“ für junge Filmemacher in Afrika in Auftrag gegeben wurde: „Konzepterarbeitung und Drehbuchentwicklung dauerten etwa zwei Jahre. In unserem Beitrag ging es darum, eine Geschichte über Versöhnung zu erzählen, bei der sich jedoch die Erfahrung von Folter zu einem zentralen Thema entwickelte.“ Das von ihr produzierte Drama „Cries at Night - Die Suche nach dem guten Leben“ vermittelte nach Meinung von Kritikern beim Versuch Traumata der Vergangenheit zu überwinden, ein wirklichkeitsnahes Bild menschlicher Emotionen.
Der jungen Wittgensteinerin ist in Namibia bewusst geworden, welches Privileg es für sie war, in Deutschlands aufzuwachsen. Sich bevorzugt um existentielle Dinge des Lebens zu kümmern und ihren Alltag nicht mit Kleinigkeiten und Wohlstandssorgen zu belasten, hat sie jedoch erst im Süden Afrikas gelernt. Gewachsen ist dadurch bei ihr ein tiefer Respekt vor den hier lebenden Menschen, die mit Fröhlichkeit und Lebensfreude ihr oft nicht einfaches Schicksal zu bewältigen suchen.
Dennoch - Niederlaasphe ist für Michaela Bauer Heimat und Zuhause. „Ich fühle mich dort sehr verwurzelt und glaube auch, dass ein Mensch nur eine Heimat haben kann. Alle anderen Orte sind Wahlheimaten, die aber das Geborgenheitsgefühl eines Herkunftsortes nicht ersetzen können. Mein Heimatgefühl ist in erster Linie an Menschen und gemeinsamen Erlebnissen gebunden - an meine Eltern, Familie und Freunde, die ich wie am ersten Tag immer wieder aufs Neue vermisse.“ Geballte Frauenpower: Die Niederlaaspherin Michaela Bauer und ihr Team sind mächtig auf Draht. Michaela Bauer und Oshosheni Hiveluah führen seit 2007 die Filmproduktionsfirma Media Logistics Namibia gemeinsam. Im Jahr 2007 verbrachten Anneliese und Wilfried Bauer einen längeren Urlaub bei ihrer Tochter Michaela in Windhoek. Tiefen Respekt hat Michaela Bauer vor den in Namibia lebenden Menschen ob ihrer Fröhlichkeit und Lebensfreude, die sie sich trotz schwieriger Lebensumstände behalten haben.