Bad Berleburg. Katrin Spies-Gußmann aus Bad Berleburg ist blind. Labradorhündin Lilly hilft ihr im Alltag und gibt ihr damit Lebensqualität zurück.

„Es ist harte Arbeit, der Hund ersetzt nicht das Sehen“, sagt Katrin Spies-Gußmann. Die Bad Berleburgerin ist blind. Für einen Weg, der in 15 Minuten machbar ist, braucht sie 45 Minuten. „Ich muss auf jedes Signal achten.“ Die Labradorhündin Lilly hilft ihr dabei, die Wege sicher zu gehen – sie ist ein Blindenführhund. Das ist Teamarbeit: „Ich muss den Weg kennen, der Hund geht nach meinen Kommandos.“ Bei gewohnten Routen ist das einfacher als in fremder Umgebung.

„Der Hund ist ein Hilfsmittel, wie ein Rollator, eine Brille oder ein Gebiss“, sagt Katrin Spies-Gußmann. Deswegen darf Lilly als Blindenführhund immer mitkommen: In den Supermarkt, zum Arzttermin oder zu einem Konzert. „Assistenzhunde dürfen überall mit hin, wo Menschen in Kleidung hin dürfen“, sagt Katrin Spies-Gußmann. Dafür muss sich die Berleburgerin manchmal rechtfertigen und sich erklären, dabei ist das gesetzlich geregelt. „Das ist ein Unterschied zwischen Assistenzhunden und Begleithunden. Assistenzhunde haben einen Dienst, der in lebensgefährlichen Situationen enden kann.“ In Bad Berleburg darf Lilly sogar mit ins Schwimmbad: „Da liegt sie beim Bademeister und ich kann meine Bahnen schwimmen.“

Der Blindenführhund macht den Weg für Menschen sicher

Der Vorteil zum Blindenstock: Katrin Spies-Gußmann ist nicht auf Leitlinien angewiesen. Mit Kommandos kann der Hund ihr den Weg zeigen. „Lilly kann Eingänge, Treppen oder Fahrstühle suchen.“ So kann sich die Berleburgerin auch an unbekannten Orten besser zurechtfinden. „Mit ‚Suche Zebra‘ führt mich Lilly zum nächsten Zebrastreifen. Ich muss aber mitdenken und hören. E-Autos sind eine Gefahr oder Autos, die noch schnell vorbeifahren wollen“, so die Berleburgerin.

Katrin Spies-Gußmann ist blind und wird von Hündin Lilly im Alltag unterstützt. 
Katrin Spies-Gußmann ist blind und wird von Hündin Lilly im Alltag unterstützt.  © WP | Annelie Manche

Wenn Lilly in ihrem weißen Geschirr steckt, hat sie Dienst. Dann darf man sie nicht ansprechen und nicht streicheln. Sie konzentriert sich vollkommen auf ihre Aufgabe: den Weg für ihren Menschen sicher zu machen.

Zwei Jahre bis zur Prüfung

„Der Blindenführhund muss eine richtig große Prüfung machen, das unterscheidet ihn von anderen“, sagt Spies-Gußmann. Die Hunde – wie Lilly – leben erst beim Züchter und kommen in eine Pflegefamilie oder in eine Führhundeschule, so Spies-Gußmann. Dort lernen sie Gehorsam und alles, was junge Hunde können müssen. Mit einem Jahr wird bei einer medizinischen Untersuchung und einer Wesensprüfung geschaut, ob sie sich als Blindenführhund eignen. Erst danach beginnt die Führhundausbildung, die wieder fast ein Jahr dauert. Dann kommen die Hunde zu ihren neuen Familien und zu dem Menschen, den sie begleiten werden. Nach drei Wochen gemeinsamen Training folgt die Prüfung. Selbst ausbilden, darf man die Tiere nicht. „Die Krankenkassen prüfen genau, ob der Hund geeignet ist.“ Denn die übernehmen die Kosten für den Blindenführhund und seine Ausbildung – die bei rund 31.000 Euro liegen.

405834984

Hunde bei der Arbeit

In der Serie „Hunde bei der Arbeit – wie Tiere Menschen helfen“ stellen wir zweimal die Woche einen anderen Hundeberuf vor. Die Vierbeiner können mit ihren Fähigkeiten, ihrem Geruchssinn und ihrer Intelligenz Menschen in verschiedenen Situationen und bei unterschiedlichen Aufgaben unterstützen und helfen. Nicht umsonst ist der Hund als bester Freund des Menschen bekannt.

Blindenführhunde sind eher ruhige Tiere: „Sie dürfen keine Angst vor Menschen haben, sollten stressresistent sein und keine Beller“, sagt Spies-Gußmann. Labradore, Golden Retriever oder Schäferhunde werden häufig eingesetzt. Aber auch Riesenschnauzer oder Mischlinge seien für den Job geeignet. „Eine Bedingung ist die Schulterhöhe von mindestens 53 Zentimeter, damit sie gut führen können.“

Kommunikation zwischen Hund und Mensch

Nicht nur für den Hund, auch für den Halter gibt es Voraussetzungen. „Ich muss in der Lage sein, mich um den Hund zu kümmern und ich muss allein sicher am Stock gehen“, sagt Katrin Spies-Gußmann. Bis aus Hund und Mensch ein eingespieltes Team werde, dauere es gut ein Jahr. Die Kommunikation entwickelt sich: „Vor einer Treppe bleibt Lilly stehen und stuppst mich an, geht zwei Schritte weiter und stuppst mich wieder an. Dann weiß ich, dass da eine Treppe ist.“ Auch bei Baustellen bleibt Lilly stehen: „Sie sucht dann einen neuen Weg. Ich muss mich auf sie verlassen können und ich brauche Orientierung, um wieder auf unseren Weg zurückzukommen.“ Lilly kann auch freie Sitzplätze suchen: „Mit dem Kommando ‚Suche Bank‘ geht sie zum nächsten freien Sitzplatz und legt ihre Schnauze darauf.“ Das ist zum Beispiel beim Arztbesuch hilfreich für Katrin Spies-Gußmann, wenn sie im Wartezimmer Platz nehmen soll. Wenn Lilly Hauseingänge sucht, stellt sie sich unter die Klingel, damit ihr Frauchen diese nicht erst noch suchen muss.

Die orangene Weste kennzeichnet Lilly als Blindenführhund, auch in ihrer Freizeit.
Die orangene Weste kennzeichnet Lilly als Blindenführhund, auch in ihrer Freizeit. © Privat | Privat

Nach eineinhalb Stunden sollte Lilly wieder aus dem Geschirr raus und eine Pause bekommen. Zuhause zieht sie sich dann zurück und schläft. Wenn sie noch unterwegs sind, legt sie sich unter einen Tisch und ruht sich aus – eine orange Weste kennzeichnet sie als Blindenführhund, aber sie ist nicht mehr im Dienst und darf schlafen, spielen und schnuppern. „Wenn ich woanders bin, hat der Hund mich immer im Blick. Sobald ich aufstehe, kommt sie. Ich muss dafür sorgen, dass der Hund frei hat, denn die Blindheit geht nicht weg.“

Höhere Lebensqualität mit einem Blindenführhund

Ich bin glücklich mit dem Hund. Ich würde mich immer für einen Assistenzhund entscheiden, er gibt mir eine höhere Lebensqualität.
Katrin Spies-Gußmann

Anders als einen Blindenstock kann der Hund nicht einfach beiseitegelegt werden, er macht auch Arbeit: „Ich muss mich um ihn kümmern und ich muss am Gehorsam dranbleiben. Je besser der Hund im Freilauf hört, desto besser führt er.“ Auf Lilly verzichten möchte Katrin Spies-Gußmann aber nicht mehr: „Ich bin glücklich mit dem Hund. Ich würde mich immer für einen Assistenzhund entscheiden, er gibt mir eine höhere Lebensqualität.“

Mehr zum Thema