Wittgenstein. Chihuahua Saschi sorgt für strahlende Augen im Seniorenzentrum in Erndtebrück. Darum ist der Tierbesuch für die Senioren ein Highlight.

Aufgeregt wird durcheinandergeredet, doch als Hund Saschi den Raum betritt, sind die Kinder ruhiger. Sie wissen, dass sie den kleinen Chihuahua erschrecken, wenn sie zu laut sind oder auf ihn zustürmen. Deswegen sitzen die fünf- und sechsjährigen Kinder aufgereiht an der Wand und lassen den Vierbeiner zu ihnen kommen, lassen ihn schnuppern, auf den Schoß klettern und streicheln ihn – ganz nach seinem Tempo. Bei der Hunde-AG im Familienzentrum Blauland in Raumland geht es darum, dass die Kinder den richtigen Umgang mit Hunden erlernen. Die Hundetrainerinnen Bente Wied und Karin Noll führen die Kinder an die Vierbeiner heran – denn die Hunde sind für solche Einsätze ausgebildet. Mit ihren Besuchshunden bieten die Trainerinnen tiergestützte Aktivitäten wie diese an.

Elli Richstein absolviert mit Chihuahua Saschi einen Hindernisparcours bei der Hunde-AG in der Kita Blauland. 
Elli Richstein absolviert mit Chihuahua Saschi einen Hindernisparcours bei der Hunde-AG in der Kita Blauland.  © WP | Annelie Manche

Die Hunde-AG ist vor allem für Kinder, die Angst vor Hunden haben, eine Möglichkeit, mit den Tieren vertraut zu werden. Die Kooperation mit den Hundetrainerinnen hat deswegen „einen Mehrwert und ist dem Familienzentrum Blauland sehr wichtig“, sagt Erzieherin Lilli Nathe. Nachdem die Kinder Saschi begrüßt haben, dürfen sie den Chihuahua durch einen Hindernisparcours führen: Über eine Stange, durch einen Tunnel, über eine Bank und durch einen Reifen hindurch.

Ausbildung für alle möglich

Die Ausbildung zum Besuchshund – der je nach Einsatzgebiet ein Therapiebegleithund oder Schulhund sein kann – dauert ungefähr ein Jahr. Sechs Module, die jeweils am Wochenende stattfinden, gilt es für Tier und Mensch zu bearbeiten. Bente Wied und Karin Noll bieten die Ausbildung in ihrer Hundeschule an. Mitmachen kann jeder, der seinen Hund ausbilden möchte. Unter den Teilnehmern sind Erzieher, Lehrer und Altenpfleger – die ihren Hund gerne im Beruf einsetzen möchten – aber auch Familien mit Kindern, die ihren Hund gut lesen wollen. Denn darum geht es vor allem: „Lernen den Hund zu lesen, die Körpersprache des Hundes zu verstehen“, sagt Karin Noll.

Besuch in der Kita Blauland: Chihuahua Hippo mit Valentin Menn, Elli Richstein und Hundetrainerin Bente Wied.
Besuch in der Kita Blauland: Chihuahua Hippo mit Valentin Menn, Elli Richstein und Hundetrainerin Bente Wied. © WP | Annelie Manche

Birte Freudenberg, Leiterin in der Kita Blauland, nimmt mit ihrem Hund an der Ausbildung teil, sie möchte den Mischling aus dem Tierschutz mit in den Kindergarten nehmen. „Ich bin froh, dass ich die Ausbildung vor Ort machen kann und keine drei bis vier Stunden fahren muss“, sagt sie. Die Border Collie Hündin von Melanie Bartels soll als Schulhund zum Einsatz kommen: „Ich will mich absichern. Ich will lesen können, wann dem Hund der Stress zu viel ist“, sagt Bartels. Auch Kerstin Born ist Lehrerin und möchte ihre Hündin Tilda, ein Australian Shepherd, mit in ihre Schulklasse nehmen. „Den Kindern tut der Hund unglaublich gut, zum Beispiel wenn sie hibbelig sind. Es tut ihnen gut, jemanden zu haben, der Aufmerksamkeit schenkt.“

Den Kindern tut der Hund unglaublich gut, zum Beispiel wenn sie hibbelig sind. Es tut ihnen gut, jemanden zu haben, der Aufmerksamkeit schenkt.
Kerstin Born - bildet ihre Hündin Tilda zum Schulhund aus

Stressige Situation für die Hunde werden vorher trainiert

Am Ende der Ausbildung wartet eine Prüfung auf die Teilnehmer und ihre Hunde – Theorie und Praxis. Dazu gehört eine sichere Begleitung und Führung der Hunde, ein Stressteil und ein Stadtgang, so die Hundetrainerin Karin Noll. Die Hunde lernen während der Ausbildung am Rollator oder Rollstuhl mitzulaufen und ruhig und gelassen zu bleiben – auch in stressigen Situationen. Deswegen gehören Stressübungen zum Trainingsplan. Es kann zum Beispiel sein, dass der Hund einen Raum betritt und alle hinter der Tür versammelt sind und sich zu ihm hinunterbeugen und begrüßen. „Ein solches Szenario sollte nicht passieren, kann es aber“, sagt Bente Wied. Für diese Fälle werden die Hunde vorbereitet.

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Hunde bei der Arbeit

In der Serie „Hunde bei der Arbeit – wie Tiere Menschen helfen“ stellen wir zweimal die Woche einen anderen Hundeberuf vor. Die Vierbeiner können mit ihren Fähigkeiten, ihrem Geruchssinn und ihrer Intelligenz Menschen in verschiedenen Situationen und bei unterschiedlichen Aufgaben unterstützen und helfen. Nicht umsonst ist der Hund als bester Freund des Menschen bekannt.

Bei einer anderen Übung sitzen alle Teilnehmer im Kreis, der Hund in der Mitte, dann wird er von mehreren Personen gestreichelt oder umarmt – auch das muss sich der Hund gefallen lassen. „Damit die Hunde auf alles, was in einer Einrichtung passieren kann, vorbereitet sind“, sagt Karin Noll. „In der Ausbildung sollen Hund und Mensch als Team zusammenwachsen.“ Denn es liegt vor allem am Menschen, schwierige Situationen gar nicht erst entstehen zu lassen und zu erkennen, wann es dem Hund zu viel wird und er eine Pause braucht.

Wenn Hunde keinen Spaß mehr haben, gehen sie nicht mehr gern in die Arbeit. Es geht immer um das Tierwohl, es soll Hund und Mensch Spaß machen.
Karin Noll - Hundetrainerin

Tierwohl steht im Vordergrund

Bei den Übungen und bei den Einsätzen ist es wichtig, die Hunde nicht zu überreizen, damit sie den Spaß nicht verlieren. „Wenn Hunde keinen Spaß mehr haben, gehen sie nicht mehr gern in die Arbeit. Es geht immer um das Tierwohl, es soll Hund und Mensch Spaß machen“, sagt Noll.

Bei der Ausbildung zum Therapiebegleit- oder Besuchshund werden verschiedene Situationen trainiert. Hundetrainerin Karin Noll (Mitte) erklärt, was zu beachten ist.
Bei der Ausbildung zum Therapiebegleit- oder Besuchshund werden verschiedene Situationen trainiert. Hundetrainerin Karin Noll (Mitte) erklärt, was zu beachten ist. © WP | Annelie Manche

Während des Trainings kommen die individuellen Talente der Hunde zum Vorschein: Einige kommen besser mit Kindern zurecht, andere mögen lieber Senioren oder sind besonders gut im Umgang mit Menschen mit Behinderungen. „Die Hunde agieren frei besser, als wenn ich sie zu etwas zwinge. Deswegen gucken wir, was der Hund anbietet“, sagt Bente Wied.

Besuche im Seniorenzentrum in Erndtebrück

Neben dem Kindergarten besuchen die Hundetrainerinnen auch das Awo-Seniorenzentrum in Erndtebrück mit ihren Hunden. „Der Besuch der Hunde aktiviert die Leute, das Gedächtnis, die Feinmotorik. Wir sind Hundetrainer, keine Therapeuten – die könnten wahrscheinlich noch mehr herausholen“, erklärt Karin Noll. Die Bewohner unterhalten sich, fragen nach den Hunden, wie sie heißen, wie alt sie sind und sie lachen mit den Tieren. Auch Erinnerungen an eigene Haustiere werden ausgetauscht. Eine Arbeit, die Mensch und Tier etwas zurückgibt: „Es ist so eine tolle Arbeit“, sagt Hundetrainerin Karin Noll.

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