Bad Berleburg. Ein bitterer Moment für die Unterstützer des Wisent-Projekts: Der Trägerverein musste Insolvenz anmelden – was bedeutet das für die Tiere?

Die Entscheidung ist dem Wisent-Trägerverein nicht leichtgefallen – letztlich war sie aber unumgänglich: Der Verein hat beim Amtsgericht Siegen einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt – das geht jetzt aus einer Pressemitteilung hervor. „Der Beschluss war eine logische Konsequenz und aus juristischer Perspektive absolut richtig und notwendig. Denn im Falle einer Zwangsvollstreckung würde Zahlungsunfähigkeit drohen – deshalb musste der Antrag beim zuständigen Amtsgericht unverzüglich durch den Verein gestellt werden“, erklärte der durch den Verein beauftragte Rechtsanwalt Stephan Hertel.

Auf diese Weise soll gewährleistet sein, dass Gehälter von Mitarbeitenden fortgezahlt werden und die Wisent-Wildnis in Wingeshausen geöffnet bleiben können.

Ein bitterer Schlag für den Wisent-Trägerverein: Nachdem die Klagen von zwei Waldbauern eine zu hohe finanzielle Last für den Verein bedeuteten, musste beim Amtsgericht Siegen nun die Insolvenz angemeldet werden. Nur so könne der Verein jetzt noch seinen Handlungsspielraum erhalten.

Zum Wohl der Wisente – das steht für den Verein jetzt im Angesicht der Insolvenz laut eigener Aussage im Fokus. Die Insolvenz ist nur eine logische Konsequenz für den Verein. Zwei Waldbauern, die mit gerichtlicher Unterstützung jährlich 250.000 Euro vom Verein fordern, um ihre eigenen Wisent-Ranger zu bezahlen, haben den Verein finanziell in Bedrängnis gebracht.

Streit seit Bestehen des Projektes

Waldbauern liegen bereits mit den Wisenten und dem Trägerverein im Clinch, seitdem das Projekt vor zehn Jahren gestartet ist. So wird vielfach über die Zerstörung von Bäumen und Anpflanzungen geklagt – die Schäden, die zunächst über einen Fonds abgedeckt wurden. Doch seitdem sich der Trägerverein aus dem Projekt zurück gezogen hatte, wurde es zusehends schwer für die Waldbauern im Hochsauerlandkreis, die Schäden zu melden und ersetzt zu bekommen.

Zuletzt ergingen zwei rechtskräftige Urteile, die den Waldbauern zwar vorschreiben, dass sie die Wisente nicht auf ihrem Grund dulden müssen, der Verein aber geeignete Mittel ergreifen müsse, um die Tiere von den Wald- und Wiesengrundstücken fern zu halten. Doch das Urteil, so die beiden Waldbesitzer, können nicht durchgesetzt werden, Ordnungsgelder könnten nur von Behörden erhoben werden. Der Anwalt einer der Waldbesitzer, Hans-Jürgen Thies , hatte daraufhin mitgeteilt, dass er und sein Mandant „beim Landgericht einen Antrag auf Kostenvorschuss für eine Ersatzmaßnahme in Höhe von 180.000 Euro gestellt“ haben – diese Ersatzmaßnahme bedeutet: Ein Fachunternehmen soll beauftragt werden und die Wisente vom Grund des Waldbesitzers vertreiben. Mittlerweile sind es die Klagen von zwei Waldbauern, die finanzielle Mittel für die Bezahlung eines eigenen Rangers einfordern

Wisente-Artenschutzprojekt vor dem Aus- Wie geht es weiter?

Wisente stehen in der Wildnis im Sauerland auf einer Wiese.
Wisente stehen in der Wildnis im Sauerland auf einer Wiese. © Oliver Berg/dpa
Die Wisente-Herde richtet auch Schäden an Bäumen an.
Die Wisente-Herde richtet auch Schäden an Bäumen an. © Oliver Berg/dpa
Vor zehn Jahren war eine achtköpfige Wisent-Herde im Wittgensteiner Land im Rothaargebirge freigesetzt worden. Inzwischen ist die Herde deutlich angewachsen und hat sich geteilt.
Vor zehn Jahren war eine achtköpfige Wisent-Herde im Wittgensteiner Land im Rothaargebirge freigesetzt worden. Inzwischen ist die Herde deutlich angewachsen und hat sich geteilt. © Oliver Berg/dpa
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Dem Verein bleibt nur die Insolvenz: „Der Beschluss war eine logische Konsequenz und aus juristischer Perspektive absolut richtig und notwendig. Denn im Falle einer Zwangsvollstreckung würde Zahlungsunfähigkeit drohen“, erklärte der durch den Verein beauftragte Rechtsanwalt Stephan Hertel. Auf diese Weise soll laut Verein gewährleistet sein, dass Gehälter von Mitarbeitenden fortgezahlt werden und die Wisent-Wildnis in Wingeshausen geöffnet bleiben können. „Für uns stand und steht das Wohl der Wisente im Fokus. Mit dem Antrag wollen wir das in Westeuropa einzigartige Artenschutzprojekt sichern und den Schutz der Wisente weiterhin gewährleisten“, erklärte der Vorsitzende Bernd Fuhrmann.

Lange und intensiv diskutiert

Klaus Brenner ergänzte: „Wir haben lange und intensiv über diesen Schritt diskutiert, letztlich gibt es aber keine Alternative, die im Sinne des Projektes ist“, betonte der 2. Vorsitzende. „Wir wollen und werden uns mit diesem Schritt nicht aus der Verantwortung nehmen, im Gegenteil: Wir übernehmen damit ein weiteres Mal Verantwortung. Denn wir bewahren uns damit unsere Handlungsfähigkeit“, erklärte Beisitzer Fred Josef Hansen aus Kirchhundem. Der Wisent-Trägerverein hofft auf das Verständnis seiner Unterstützer und Partner. „Wir sind zuversichtlich, dass wir eine Lösung finden“, so Fuhrmann. Daher werde der Trägerverein auch weiterhin aktiv an der Arbeit des „Runden Tisches“ teilnehmen.

Seit Jahren umstritten

Die bundesweit bekannte Auswilderung der Wisente ist seit Jahren umstritten. Grob gesagt: Auf der einen Seite des Rothaarkamms, in und um Bad Berleburg, ist das Projekt recht beliebt, weil es den Tourismus belebt. Auf der anderen Seite, im Hochsauerlandkreis, gibt es viele Kritiker. Waldbauern waren letztlich erfolgreich bis vor den Bundesgerichtshof gezogen, weil sie Wildschäden nicht hinnehmen wollten.

Wald-Bauer Georg Feldmann-Schütte am Donnerstag den 10. August 2023 in seinem Wald bei Schmallenberg. Er zeigt die Schäden an den Bäumen, die Wisente verursacht haben.
Wald-Bauer Georg Feldmann-Schütte am Donnerstag den 10. August 2023 in seinem Wald bei Schmallenberg. Er zeigt die Schäden an den Bäumen, die Wisente verursacht haben. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Als der Verein im Herbst 2022 die Tiere für „herrenlos“ erklärt hatte, reagierten der Kreis Siegen-Wittgenstein und das Land NRW verärgert. Der Kreis verkündete die Abwicklung des Projekts. Seither ringt ein Runder Tisch um die Zukunft der Wisente, Ausgang offen. Den Antrag auf Insolvenz bezeichneten Artenschützer als „schweren Schlag“ für das Projekt. „Die einzige Lösung ist jetzt, dass das Land Nordrhein-Westfalen die Verantwortung übernimmt und das Artenschutzprojekt mit veränderter Struktur und mehreren kompetenten Beteiligten neu aufstellt“, so Moritz Klose, Wildtierexperte beim WWF.

Johannes Remmel, neben Ursula Heinen-Esser Moderator des Runden Tisches, wollte sich am Abend auf Anfrage dieser Zeitung zum Insolvenzantrag nicht äußern. Der frühere NRW-Umweltminister verwies auf die nächste Sitzung des Gremiums am 30. August. Dann werde die neue Situation erörtert. Ende September will der Runde Tisch seine Empfehlungen zur Zukunft des Projekts vorlegen. Der Insolvenzantrag bestärkt aber die Ansicht von Experten, dass das Projekt nur mit einem professionellen und finanzkräftigen Träger überhaupt eine solche hat.