Bad Berleburg/Oberkirchen. Wisente streifen wieder durch das Sauerland und schälen Buchen. Waldbauern sind sauer, weil die Urteile gegen den Verein nicht vollstreckt werden.
Waldbesitzer Georg Feldmann-Schütte aus Oberkirchen hat kein Verständnis für die aktuelle Lage rund um das Wisentprojekt. Seit Tagen verursacht die frei im Rothaargebirge umherstreifende Herde von inzwischen etwa 40 Tieren wieder Schäden auf seinen Waldgrundstücken.
Feldmann-Schütte präsentiert Fotos von geschälten Buchen und von Weihnachtsbaumkulturen, in denen die Wildrinder ebenfalls für Ärger sorgen. Dass sie die Rinde von Buchen abschälen, weil sie die Gerbstoffe als Nahrungsergänzung nutzen, ist bekannt. Dass sie aber auch die eineinhalb Meter hohen Nordmanntannen massiv beschädigen, war so noch nicht berichtet worden. „Die Wisente kratzen sich daran am Kopf und zwischen den Hörnern oder wälzen sich auf dem Boden“, erläutert Feldman-Schütte, der auf die roten, weil toten Bäume inmitten der Weihnachtsbaumkultur verweist. Die Nordmanntannen sind abgeknickt, abgebrochen. Die Fellpflege der Wisente hinterlässt eine Spur der Verwüstung.
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Probleme bei Schadenersatz
Das Problem, das der Waldbauer mit den Wisenten hat, ist aber nicht allein auf die Schäden beschränkt. Die wurden in der Vergangenheit immer durch einen Fonds abgedeckt. Seit der Trägerverein des Wisentprojektes die Tiere im vergangenen September einseitig für „herrenlos“ erklärt und damit nicht nur da „wirtschaftliche Eigentum“ an den Wisenten aufgegeben hat, sondern auch die Verantwortung für die Schäden wegdelegiert, wird es problematisch, seine Schäden zu melden und ersetzt zu bekommen.
„Der Wisentverein verweist auf den Hochsauerlandkreis. Und der sagt, dass er nicht zuständig ist“, wettert Feldmann-Schütte. Besondere Brisant bekommt diese Situation dadurch, dass Feldmann-Schütte und ein weiterer Waldbauer, Hubertus Dohle, bereits zwei rechtskräftige Urteile erstritten haben. Die besagen ganz klar: Sie müssen die Wisente nicht auf ihrem Grund dulden und der Verein muss geeignete Mittel ergreifen, die Tiere von den Wald- und Wiesengrundstücken fern zu halten.
„Aber was nützen mir diese zwei Urteile, wenn sie nicht durchgesetzt werden können?“, ärgert sich Feldmann-Schütte. Ordnungsgelder für Zuwiderhandlungen – beispielsweise in Höhe von 250.000 Euro – können nur Behörden verhängen. Das wären der Regierungspräsident, der Kreis Siegen-Wittgenstein mit seiner Naturschutzbehörde oder der Landesbetrieb Wald und Holz.
Das sagt der Rechtsanwalt Hans-Jürgen Thies
Wie Feldmanns-Schüttes Anwalt Hans-Jürgen Thies auf Anfrage erläutert, war ein von ihm im vergangenen Jahr gestellter Antrag auf Verhängung eines Ordnungsgeldes vom Landgericht Arnsberg abgewiesen worden. Feldmann-Schüttes einzige Chance ist laut Thies die Ersatzvornahme. Das heißt, er selbst müsste „geeignete Mittel“ gegen die Wisente einsetzen und könnte sich dann die Kosten dafür vom Trägerverein zurückerstatten lassen. Das ist Thies zu heikel – zum Beispiel, weil der Verein auch die Mittel haben müsse, ihm die Rechnung zu zahlen. „Deswegen haben wir jetzt bei Landgericht einen Antrag auf Kostenvorschuss für eine Ersatzmaßnahme in Höhe von 180.000 Euro gestellt“, erläutert der Anwalt einen weiteren möglichen Ausweg. Mit diesem Geld könnte Feldmann Schütte dann ein Jahr lang ein Fachunternehmen beauftragen, die wilden Wisente von seinem Grund und Boden zu vertreiben.
Vertreiben ist eine Verlagerung des Problems
Aber Georg Feldmann-Schütte weiß, dass auch dies nur eine Zwischenlösung sein kann und das Problem auf einen anderen Waldbauern verlagern würde. „Die Tiere ziehen von der Hoheleye bis zum Rhein-Weser-Turm und keiner der Waldbauern im Kölschen will die Tiere haben“, sagt der Oberkirchener. Das sei aus seiner Sicht auch das Problem des Runden Tisches, der über eine Lösung debattiert, die aus Sicht von Feldmann-Schütte nur lauten kann, dass die Tiere das Rothaargebirge wieder verlassen müssen. Der Runde Tisch selbst und auch der Trägerverein halten sich an die Verschwiegenheitsvereinbarung und sprechen nicht über das, was dort an möglichen Lösungen diskutiert wird.
Das sagt der Rechtsanwalt Friedrich von Weichs
Unterstützung erhält Feldmann-Schütte von seinem Leidensgenossen Hubertus Dohle, dessen Schmallenberger Rechtsanwalt Friedrich von Weichs erklärt: „Zunächst ist sehr enttäuschend, dass die geschädigten Waldbauern am runden Tisch nicht beteiligt sind. Der Tisch soll lediglich eine Lösung für den Landkreis Siegen beziehungsweise das Wittgensteiner Land herbeiführen. Wie schon bei Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrages werden die sauerländischen Interessen und Sorgen nicht berücksichtigt. Zudem entzieht der Ausschluss der Sauerländer dem Gremium vorhandenes Wissen und Erfahrungen vor Ort. Es mag Gründe geben, die Verhandlungen nicht öffentlich zu führen, zumal es am Tisch sicherlich um viel Geld geht, Transparenz schafft jedoch Vertrauen. Vertrauen gibt es diesseits des Rothaarsteigs nicht.“
Runder Tisch in der Kritik
Und weiter schreibt von Weichs: „Ich glaube nicht, dass der Runde Tisch verwertbare Ergebnisse erarbeiten wird. Das liegt daran, dass ich den Beteiligten nicht den Mut zutraue, ihr Scheitern einzugestehen. Schon die Auswahl der ehemaligen Minister zu Moderatoren war ein Fehler: Herr Remmel und Frau Heinen-Esser waren im Amt Befürworter des Projektes und werden in eigenem Interesse kaum Wert darauf legen, ihre Entscheidungen nachträglich in Frage zu stellen.“
Weil der Trägerverein aktuell nicht auf seine Schadensmeldungen reagiere, ist für Waldbauer Feldmann-Schütte klar: „Ich setze denen jetzt eine Frist, damit sie mir einen Gutachter schicken. Sonst beauftrage ich selbst einen, um die Schäden zu schätzen.“ Außerdem fügt hinzu: „Der Spuk muss ein Ende haben!“