Bad Berleburg. Verwaltung und Experten stellen sich den Fragen von Bürgern und müssen Grundlagen für Vorrangzonen-Planung und Beteiligungsmodelle erläutern.

Es gibt noch viele offene Fragen zur Windkraft und dem, was die Energiewende in den nächsten Jahren in Bad Berleburg verändern wird. Das zeigt die Informationsveranstaltung der Stadt rund um die Ausweisung von zwölf Konzentrationszonen und dem erwünschten Ausgleichsleistungen für Bürger. Gut 60 Menschen waren am Dienstagabend in die Aula des Johannes-Althusius-Gymnasiums gekommen – aber nicht, um zu protestieren, sondern um den Experten ihre Fragen zu stellen und auch Bedenken zu schildern.

Bad Berleburgs Bürgermeister möchte „alle Menschen bei der Energiewende mitnehmen“ und gleichzeitig „Wildwuchs verhindern“. In diesem Spannungsfeld befinde sich die Stadt, aber eben auch das ganze Land.

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„Ich bin entsetzt über die hohe Anzahl der Windkraftanlagen. Soll hier Zustimmung gekauft werden?“, rief eine Frau aus dem Publikum nach vorne. Was Bürgermeister Bernd Fuhrmann direkt beantwortete: „Ich beantworte Ihre Frage so: Wir sind bei die Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung sehr gut aufgestellt. Und wir haben uns nicht kaufen lassen!“

Kein Bonus für Großgrundbesitzer

Das gleiche gilt auch für die Nachfrage von Stefan Völkel, ob man bei den Vorrangzonen etwa Interessen von Großgrundbesitzern besonders berücksichtigt habe. Auch darauf antwortete Fuhrmann: „Das haben wir nicht.“ Selbst städtische Flächen, bei denen man ein Profitinteresse für die Allgemeinheit hätte bedenken können, seien in der Vorrangzonenplanung nicht herausgehoben worden.

Dass die Thematik rechtlich und planerisch sehr komplex ist und eine Kommune wie Bad Berleburg nur sehr begrenzt Steuerungsmöglichkeiten hat, das machten der Fachanwalt der Stadtverwaltung, Dr. Martin Schröder aus Münster, und der Fachplaner Uwe Meyer aus Erndtebrück deutlich.

Windkraft Bad Berleburg
Windkraft Bad Berleburg © Manuela Nossutta/Funkegrafik NRW | Manuela Nossutta/Funkegrafik NRW

Besonders kritisch wurde es bei den rechtlichen Grundlagen und den Ausbauzielen der Landesregierung von 1,8 Prozent der kommunalen Fläche. Bad Berleburg wird mit dem Flächennutzungsplan rund acht Prozent ausweisen – also das vierfache des Geforderten. Warum macht man nicht vier Prozent und packt dann im Zweifel ein fünftes Prozent drauf, wollte ein Bürger wissen.

Andere Kommunen als Vorbild

Darauf hatte Rechtsanwalt Dr. Schröder eine klare Antwort: „Uns läuft die Zeit davon. Wir haben keine Zeit für eine zweite Offenlage der Pläne.“ Hintergrund ist, dass dieser Vorrangzonenplanung bis zum 1, Februar 2024 Rechtskraft erlangen muss – sonst gibt es keine Regelungsmöglichkeit mehr, weil dann der Regionalplan der Bezirksregierung greife und mutmaßlich noch größere Flächenanteile für Windenergie vorsehe. Aus Schröders Erfahrung heraus werden die ländlichen Kommunen wie Bad Berleburg die Flächenleistung bringen müssen, die Ballungsräumen nicht ausweisen können. Also werden Bad Berleburg mehr als die 1,8 Prozent ausweisen müssen. Mit den rund acht Prozent mache man der Bezirksregierung ein Angebot, dass gute Aussichten auf Genehmigung habe. Gültigkeit habe der Plan dann bis 2027, wenn definitiv der Regionalplan Gesetzeskraft erlange.

Bürgerbeteiligung mit verschiedenen Möglichkeiten

Zunächst aber berichtete Volker Sonneborn über Bürgerbeteiligungsmodelle. „Wenn wir schon die Beeinträchtigungen haben, dann wollen wir den größtmöglichen Nutzen daraus ziehen“, formulierte der Beigeordnete die Ziele, mit denen die Stadt in die Gespräche mit großen Projektierern gegangen sei. Außerdem habe man sich mit den Kommunen Rauschenberg in Hessen, Bad Wünnenberg und Lichtenau bei Paderborn ausgetauscht, die solche Projekte bereits umgesetzt haben.

Ziele waren ein reduzierter Stromtarif, eine Stiftung, die die Nachhaltigkeitsstrategie der Stadt und Projekte in den Dörfern fördern soll, direkte Beteiligungen an Windrädern, eine direkte Stromversorgung für Industriebetriebe und die Erzeugung von grünem Wasserstoff. Vieles davon ist erreicht. Sonneborn rechnete Beispiele auf der Grundlage von 60 Windkraftanlagen vor. Wie viele es am Ende sein werden, sei nach wie vor unklar.

250 Euro an Stromkosten sparen

250 Euro Stromkosten-Ersparnis im Jahr solle jeder Haushalt erreichen können und von einem Preis von maximal 30 Cent pro Kilowattstunde ausgehen. Wie sich der Preis dann entwickeln werde, sei allerdings „ein Blick in die Glaskugel“, reagierte Sonneborn auf eine Frage aus dem Publikum. Ausgegangen war man damals vom aktuellen Preis von 45 Cent. Auf Nachfrage von Hartmut Weinhold präzisierte Sonneborn, dass das Beispiel von 250 Euro auf einen Vier-Personen-Haushalt gerechnet sei. „Wie lange gilt die Preisgarantie?“ wollte Waldemar Relecker wissen. „Diese Zusage gilt für die Anlagendauer. Das war uns sehr wichtig“, so Sonneborn.

Wie sich die Gewerbesteuern entwickeln werden, wollte ein anderer Zuhörer wissen. Dazu berichtete Sonneborn, dass 90 Prozent der Steuern in der Standortkommune einer Windkraftanlage entrichtet werden, zehn Prozent am Firmensitz. Sowohl Westfalenwind als auch Eurowind haben zugesichert, ihren Firmensitz für die Anlagen in Bad Berleburg zu nehmen. Dann entfallen 100 Prozent der Gewerbesteuern auf die Stadt.

Stiftung erhält jährlich bis zu drei Millionen Euro

Auf Nachfrage zur Stiftung erläuterte Sonneborn, dass rund 50.000 Euro pro Anlage und Jahr eingezahlt werden. Ob die Stiftung dann „Nachhaltigkeitsstiftung“ heißen werde, müssen noch geklärt werden – ebenso, ob die Ausschüttungen aus Zins-Erträgen oder aus den Einzahlungen erfolgen. Man wolle aber Projekte in allen Ortschaften finanzieren und etwa auch Anträge von Vereinen zulassen. Auch die Frage nach Stiftungsgremien könne noch nicht beantwortet werden. „Aber wir haben dafür auch noch Zeit“, antwortet Sonneborn auf eine Frage von Jürgen Reinhardt, was denn mit diesen jährlichen drei Millionen Euro passieren wird.

Ob die Stadt auch Bürgerwindmodelle oder eine Genossenschaft plane, bestätigte der Beigeordnete. Außerdem habe der Betreiber BayWa.re ein Windrad als Genossenschaftsanlage zugesichert. Möglich seien auch Crowdfunding-Modelle.