Wittgenstein/Arnsberg. Eine Umfrage der IHK Sauerland bringt detaillierte Ergebnisse. Es gibt aber auch grundsätzliche Unterschiede zwischen Sauerland und Wittgenstein

Um die Auswirkungen des Windkraft-Ausbaus in Wittgenstein für den Tourismus abschätzen zu können, lohnt ein Blick über den Rothaarkamm in Richtung Sauerland und Arnsberg – auch wenn es einen ganz wesentlichen Unterschied zwischen dem Sauerland und Wittgenstein gibt.

Der Unterschied besteht in der Landbesitzer-Struktur. In Wittgenstein dominieren einige wenige große Grundbesitzer wie die fürstlichen Rentkammern, deren Unternehmensmodell über Jahrzehnte im Wesentlichen von der Forstwirtschaft geprägt war und nun durch Trockenheit und Borkenkäfer auf Jahrzehnte hinaus bedroht ist. Tourismus spielte für diese Betriebe keine Rolle. Im Sauerland ist das anders: Hier gibt es viele kleine und mittlere Waldbesitzer sowie Landwirte, die neben ihrem Ursprungsbetrieb auch Gastronomie, Pensionen und Hotels betreiben. Das beeinflusst die Entscheidung für oder gegen Windkraftanlagen erheblich. Die Mischkalkulation beim Einkommen und damit der wirtschaftliche Druck ist ein anderer. Die Frage ist: Will oder kann ich auf Pachteinnahmen aus Windkraft verzichten und damit gegebenenfalls den touristischen Unternehmenszweig stärker gewichten?

Grundlage der Studie

Die Industrie- und Handelskammer Arnsberg hat einen anderen Ansatz verfolgt und gefragt, wie die Gäste die Auswirkungen der Energiewende wahrnehmen. Hintergrund dieser Umfrage war die vorliegende Windenergie-Potenzialstudie des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV), die für das Sauerland einen erheblichen Anlagen-Ausbau vorgeschlagen hatte. In Wittgenstein sieht dies ganz ähnlich aus.

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Vertragen sich mehr Windräder in der Region mit den Ansprüchen an ein unberührtes Landschaftsbild und damit an den Tourismus? „Etwa 80 Prozent der Übernachtungsgäste und Tagesausflügler des Sauerlandes stehen einem Ausbau der Windkraft aufgeschlossen gegenüber.“ So lautet das Ergebnis einer Umfrage unter Gästen, die die Industrie- und Handelskammer Arnsberg in Auftrag gegeben hat und deren Ergebnisse am 10. Juni 2022 vorgestellt wurden.

Um dies besser bewerten zu können, hat die IHK Arnsberg das Centouris-Institut der Universität Passau mit einer Akzeptanz-Untersuchung von 1000 potenziellen Gästen und Tagesausflüglern mit Wohnsitz im Quellmarkt NRW beauftragt. „90 Prozent der Befragten gaben jetzt an, dass für sie eine intakte Landschaft der wichtigste Anlass für einen Besuch im Sauerland ist“, erläutert der Centouris-Geschäftsführer Dr. Stefan Mang. Dass trotzdem knapp 80 Prozent der Gäste weitere Windkraftanlagen gut oder zumindest akzeptabel finden, sei kein Widerspruch, denn „die Gäste differenzieren dabei schon nach der Eignung des jeweiligen Standortes“. Windkraftanlagen auf Freiflächen oder Höhenzügen erhielten demnach Zustimmungsquoten von 89 Prozent (Einzelstandorte) bis 81 Prozent (Windparks). Auch eine Nutzung von Waldschadensflächen halten 73 Prozent der potenziellen Gäste für richtig oder vertretbar.

Reiseverhalten Richtung Sauerland werde nicht beeinträchtigt

Windparks in intakten Waldflächen findet hingegen jeder Zweite richtig. 68 Prozent bestätigten die Aussage: „Es würde mein Reiseverhalten im Sauerland nicht beeinflussen, wenn sich Windkraftanlagen an Aussichtspunkten, Rad- und Wanderwegen, oder in der Nähe von Talsperren befinden würden“. 18 Prozent sehen das gänzlich anders.„Es war für uns schon etwas überraschend, dass das Meinungsbild auch über die soziodemografischen Merkmale und die Besuchsmotive hinweg relativ einheitlich ist“, berichtet Centouris-Projektleiterin Marina Reischl.

In früheren Studien sei mit zunehmendem Alter auch die Ablehnung leicht gestiegen. Ausschlaggebend für eine kritische Bewertung von Windkraftanlagen sei immer weniger das Alter oder die soziale Herkunft, sondern vor allem die grundsätzliche Einstellung gegenüber dieser Form der regenerativen Energie-Erzeugung. 92 Prozent der Befragten stehen der Windkraft in Deutschland positiv oder zumindest neutral gegenüber. Ein vorsichtiger Vergleich mit der Studie aus 2012 lässt erkennen, dass die Befürwortung des Windkraft-Ausbaus in deutschen Mittelgebirgen offenbar gestiegen ist. Gegenüber dem auf alle Mittelgebirgsregionen bezogenen Vergleichswert von 2012 seien das immerhin mehr als 15 Prozent-Punkte. „Die Befragten erkennen an, dass alle Regionen – und damit auch das Sauerland – einen Beitrag zur Energiewende, zum Klimaschutz und zur Energie-Autarkie leisten müssen“, versichert Stefan Mang.

Windkraft: Notwendig und akzeptabel

Mit dieser Erkenntnis würden Windkraftanlagen im Sauerland zumindest als notwendig und damit akzeptabel wahrgenommen. „Die Interessen von Windkraft und Tourismus sind vereinbar, wenn bei der Standortwahl nach dem Prinzip des geringsten Eingriffs in den Landschaftsraum verfahren wird“, erläutert IHK-Geschäftsbereichsleiter Thomas Frye. Intakte Waldflächen, allen voran die Laub- und Mischwälder, sollten windkraftfrei bleiben. Stattdessen gelte es, dem Windkraft-Ausbau auf Freiflächen in der offenen Landschaft, auf unbewaldeten Höhenzügen und eben auf den Wald-Schadensflächen im wahrsten Sinne des Wortes Raum zu geben. Das Sauerland, vor allem aber viele Betriebe aus Hotellerie, Gastronomie und Einzelhandel könnten es sich trotz allem nicht erlauben, die 12 bis 17 Prozent der windkraftkritischen oder zumindest sensiblen Gäste zu verlieren. Diesen komme es nämlich vor allem darauf an, eine intakte Waldlandschaft vorzufinden.

„Dazu ist eine Standort-Steuerung erforderlich, der allerdings die jüngere Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte mittlerweile sehr enge Grenzen setzt“, so Frye. Deshalb erscheine es unverzichtbar, Städte und Gemeinden durch Änderungen der bauplanungsrechtlichen Vorgaben in die Lage zu versetzen, effektiv auf die Standort-Entwicklung von Windkraftanlagen zum Zwecke des Landschaftsschutzes einzuwirken – und damit indirekt auch zur Sicherung der touristischen Interessen.