Bad Berleburg/Bad Laasphe. Die heimische Landschaft wird sich stark verändern. Tourismusmanager stehen vor einer der größten Herausforderungen der Zukunft. Das sagen sie.
Wittgenstein ist Teil des waldreichsten Kreises Deutschlands und mit den zwei Kneippheilbädern Bad Berleburg und Bad Laasphe schon traditionell ein Ort der Erholung. Die Vermarktung des Altkreises wurde auf Ebene der Städte mit der TKS GmbH in Bad Laasphe oder der etwas jüngeren BLB-Tourismus GmbH auf professionelle Füße gestellt. Doch überregional bekannte Wanderwege wie der Rothaarsteig oder der Lahnwanderweg und viele lokale zertifizierte Premium-Wandererlebnisse leben von der intakten Natur. Dieses Landschaftsbild wird sich in den nächsten Jahren durch Windkraft massiv verändern. Wir haben Signe Friedreich von der TKS und Andreas Bernshausen von BLB-Tourismus drei Fragen dazu gestellt.
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Welche Auswirkungen wird dieses veränderte Landschaftsbild auf den Tourismus in Wittgenstein haben?
Andreas Bernshausen: Wittgenstein hat eine besonders schöne Landschaft. Das ist das größte Kapital für unseren Tourismus. Damit wird Geld verdient. BLB-Tourismus wirbt mit dem Begriff „Naturparadies“ für Bad Berleburg. Mit dem Projekt der freilebenden Wisente haben wir ein besonderes Artenschutzprojekt in unserer Stadt, das seit Jahren viele Besucher anzieht und in die Region bringt. Aus unserer Sicht ist diese Landschaft in ihrer Schönheit und Funktion eine besonders schutzwürdige Umgebung. Kommen Windkraftanlagen dazu, wird das Landschaftsbild natürlich beeinträchtigt. Die Optik dieser technischen Bauwerke verändert die Landschaft. Das mag wiederum Einfluss haben auf die Vorstellungswelt der Touristen, die bei der Wahl ihres Reiseziels von der Suche nach einer intakten unberührten Natur geleitet werden. Hier treffen touristische, landschaftsästhetische, naturschutzrechtliche und ökonomische Belange aufeinander. Diese Interessen abzuwägen ist Sache der Politik. Inwieweit die Veränderung unseres Landschaftsbildes sich tatsächlich auf Auswahl des Urlaubsziels unserer Gäste auswirkt, wissen wir heute nicht. Da hat jeder einzelne seinen eigenen Maßstab. Wir wissen nicht, wie es ist, wenn alle Windräder in Bad Berleburg stehen werden. Das wäre ein Blick in die Glaskugel.
Signe Friedreich: Wir können nur von derzeitigen Erkenntnissen ausgehen und da hat das veränderte Landschaftsbild bislang keine negativen Auswirkungen auf den Tourismus gehabt. Eine viel gewichtigere Auswirkungen haben die Kahlflächen, die schnell wieder aufgeforstet werden sollten. Da das Waldsterben aber in ganz Europa ein Problem ist, haben die Touristen auch dafür bislang Verständnis.
Bad Berleburg, Bad Laasphe und Erndtebrück haben immer mit intakter Natur, Waldreichtum, Wandern und Wisenten geworben. Wie müssen die Touristiker ihre Strategie anpassen, um weiterhin erfolgreich zu sein?
Signe Friedreich: Wir können weiterhin mit ruhiger Natur und Waldreichtum sowie freien Blicken werben. Ein intaktes und umfangreich zertifiziertes Wanderwegenetz sowie zahlreiche gute Unterkünfte runden unser Profil ab.
Auch die Gemeinde Erndtebrück positioniert sich
„Natürlich wird der Bau der Windkraftanlagen hier auf Erndtebrücker Gebiet unsere Landschaft optisch verändern. Wir sehen aber auch, dass wir eine energiepolitische Verantwortung haben und dieser nachkommen möchten und müssen. Die Windkraft wird zukünftig zu unserer Region dazugehören und es ist für uns auch ein sichtbares Zeichen für ökologischen Fortschritt und Klimaschutz. Wir sind daher auch bereits in Überlegungen, wie wir die Windkraft touristisch integrieren und nutzen können“, antwortet Anne Torno (Foto) für die Gemeinde auf unsere Fragen.
Andreas Bernshausen: Wir können nur für den BLB-Tourismus sprechen. Mit Blick auf die Windenergie-Planungen der Bundes- und Landespolitik ist klar: Die Entwicklung ist nicht aufzuhalten. Wir werden lernen müssen, mit den Windkraftanlagen zu leben. Aus unserer Sicht wäre eine Bündelung der Anlagenflächen sinnvoll und hilfreich, um abseits davon Bereiche vorhalten zu können, in denen das Landschaftsbild sozusagen „stillsteht“ und die dann entsprechend touristisch weiterentwickelt werden könnten. Das würde zu unserer Philosophie vom Naturparadies passen. Um uns auf die Veränderungen vorzubereiten, planen wir das Projekt „Wanderlabor“. Dabei werden interessierte Personen über die Methode „Citizen Science“ in den ergebnisoffenen Forschungsprozess einbezogen. Das heißt: Wanderer schaffen Wissen auf dem Weg. Mittels „Walking interviews“ zwischen Wanderer und Interviewer werden Daten erhoben und Inhalte erstellt zu den Themen Nachhaltigkeit, Klimawandel, Partizipation und Biodiversität. Die Ergebnisse werden später vorgestellt, ausgetauscht und diskutiert. Ziele des Wanderlabors sind: Wanderwege, Natur und Landschaft neu in Wert setzen und Lernprozesse anstoßen, die Qualität der Wege erhalten und die Gestaltung von Wanderwegen neu definieren. Zudem geht es um die operative Umsetzung der Ergebnisse an den touristischen Wanderwegen, die Anpassung der Kriterien zum Premium-Wanderort an die Bedürfnisse der Zielgruppen sowie die Steigerung des Bekanntheitsgrads als Premium-Wanderort. Darüber hinaus wäre es natürlich schön, wenn der Tourismus von möglichen Ausgleichszahlungen profitiert, um weitere touristische Ideen und Alleinstellungsmerkmale für Bad Berleburg entwickeln zu können.
Mit welchem Konzept kann die Windkraftnutzung positiv in die bestehende Strategie eingebunden werden?
Signe Friedreich: Windkraftnutzung muss nicht extra in eine touristische Strategie eingebunden werden. Sicherlich kann es eine Rolle spielen, wenn Destinationen sich beispielsweise durch TourCert als „Nachhaltige Region“ zertifizieren lassen.
Andreas Bernshausen: Es gibt natürlich Konzepte, die Windkraft touristisch vermarkten mit Ideen wie Wildmill-Climbing, Besichtigungstouren oder einer Aussichtsplattform. Ob die greifen und erfolgreich sind, das wird die Zukunft zeigen. Und ob Bad Berleburg dann solche Konzepte umsetzt oder entwickelt, das hängt von den politischen Entscheidungen ab.