Wittgenstein. Das Problem bei der Unterbringung sieht die Flüchtlingsinitiative Bad Laasphe vor allem bei den Familien. Und wie steuern die Rathäuser gegen?
Im Grunde seien die Zustände oft nicht akzeptabel, in denen auf Bad Laaspher Stadtgebiet Flüchtlinge leben, sagt Ingeborg Warratz, Koordinatorin der Flüchtlingsinitiative Bad Laasphe. Gerade größere Familien suchten derzeit „dringend noch bezahlbaren Wohnraum“. So wohne zum Beispiel eine Familie in Banfe mit neun Mann unter einem Dach, berichtet Warratz – „von der über 80-jährigen Großmutter bis zum Neugeborenen“. Und sie denkt an die fünfköpfige Familie in der städtischen Unterkunft am Thüringer Weg mit drei Kindern, in deren Wohneinheit schlichtweg kein Platz ist für einen Schreibtisch, an dem die 17-jährige Tochter ihre Schulaufgaben erledigen könnte. Unterdessen versucht man in den Wittgensteiner Rathäusern, mit der Not der Flüchtlinge so gut wie möglich umzugehen.
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Sicher: „Die Stadt hat über 60 Wohnungen angemietet“, sagt Flüchtlingskoordinatorin Warratz – „da passiert ja auch einiges“. Aber verfügbarer privater Wohnraum sei „ein schwieriges Thema“ – zumal die Stadt ihre Aufnahmequote für Flüchtlinge noch nicht erfüllt habe. Mit weiteren Zuweisungen sei also zu rechnen.
„Es läuft am Limit“, bedauert die Koordinatorin im Gespräch mit unserer Redaktion. Übrigens auch beim Deutsch-Unterricht und bei den Integrationskursen der Volkshochschule, der schlicht die Lehrer für ein Kursangebot vor Ort fehlten. „Viele Flüchtlinge warten derzeit auf einen Platz“, berichtet Warratz. Oder wichen auf Kurse in Bad Berleburg oder Biedenkopf aus.
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Händeringend sucht die Bad Laaspher Flüchtlingsinitiative außerdem Menschen, die bereit sind, „mit den Kindern Hausaufgaben zu machen oder eine Sprachpatenschaft für sie zu übernehmen. Dabei übten Kind und Pate zusammen Deutsch. Denn es reiche eben nicht, so Warratz, die Sprache passiv zu verstehen, sie aber nicht aktiv zu sprechen.
Bad Laasphe
Was den Wohnraum für Flüchtlinge in Bad Laasphe betrifft, könnte es in den kommenden Wochen eng werden. „Die städtischen Unterkünfte sind nahezu vollumfänglich belegt“, berichtet auf Nachfrage unserer Redaktion Jann Burholt, Leiter des zuständigen städtischen Fachbereichs Bürgerdienste. Sicher: Durch die Anmietung einer weiteren Immobilie mit sechs Wohnungen sei zusätzlicher städtischer Wohnraum gewonnen, außerdem stehe die Stadtverwaltung weiterhin mit privaten Vermietern im Kontakt. Jedoch: „Sollten in den kommenden Wochen weitere Zuweisungen der Bezirksregierung Arnsberg erfolgen, sind die vorhandenen Möglichkeiten ebenso schnell erneut ausgeschöpft“, fürchtet Burholt.
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Die Unterbringung in Provisorien wie ansonsten öffentlich genutzten Hallen oder Gebäuden wolle die Stadt weiterhin vermeiden, so Burholt weiter. So befänden sich aktuell zwei ukrainische Kriegsvertriebene, die nach Bad Laasphe gekommen sind, in der interkommunalen Gemeinschaftsunterkunft in Kredenbach – eine „Pufferlösung“ bei „akutem Bedarf“.
Bad Berleburg
In Bad Berleburg bestehe derzeit „keine erkennbare Notwendigkeit, Sporthallen mit Geflüchteten oder Vertriebenen zu belegen“, sagt Regina Linde, im Rathaus Fachbereichsleiterin Bürgerdienste. Aber: „Sollten die Unterbringungsbedarfe in den nächsten Wochen oder Monaten dramatisch ansteigen, können in anderen öffentlichen Gebäuden – etwa in der ehemaligen Salzmannschule am Stöppel – Übergangslösungen geschaffen werden.“ Im Übrigen verweist Linde auf rund 50 bis 60 freie Betten in der Gemeinschaftsunterkunft ehemalige Baumrainklinik für Ukraine-Vertriebene und „kleinere freie Kapazitäten“ etwa in angemieteten Wohnungen für Geflüchtete aus anderen Ländern.
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Erndtebrück
„Die Gemeinde Erndtebrück verfügt mit der ehemaligen Rothaarsteigschule glücklicherweise noch über ein Gebäude, das zur Unterbringung genutzt werden kann“, heißt es aus dem Rathaus an der Talstraße. Bislang sei es allerdings „weitestgehend gelungen, die ankommenden Menschen in privaten Wohnungen und den bereits vorhandenen Unterkünften für geflüchtete Menschen unterzubringen“.
Überlegungen nach dem Erdbeben
Privater Wohnraum weiterhin gesucht
Alle drei Wittgensteiner Kommunen suchen angesichts der aktuellen Lage weiterhin nach zusätzlichem privaten Wohnraum, damit er für die Unterbringung von Flüchtlingen angemietet werden kann. Kontakte für entsprechende Angebote:
• Stadt Bad Berleburg, per E-Mail an fluechtlingshilfe@bad-berleburg.de, telefonisch unter 02751/923-107 oder 923-213.
• Stadt Bad Laasphe, per E-Mail an sozialamt@bad-laasphe.de, telefonisch unter 02752/909-150, -151 oder -157.
• Gemeinde Erndtebrück, per E-Mail an info@erndtebrueck.de, telefonisch unter 02753/605-138.
Kontakt zur Flüchtlingsinitiative Bad Laasphe: per E-Mail an fluechtlingsinitiative_bad.laasphe@web.de oder telefonisch bei Ingeborg Warratz, 0157/3788 5920.
Spielt auch die Erdbeben-Katastrophe in der Türkei und in Syrien eine Rolle bei den Überlegungen in den Rathäusern zur Bereitstellung von Wohnraum für Flüchtlinge? Hier sei es denkbar, so Regina Linde für Bad Berleburg, dass Verwandte von bereits hier lebenden Flüchtlingen vorübergehend mit aufgenommen würden – sofern der Wohnungsvermieter dies zulasse. Bad Laasphe und Erndtebrück haben hier noch keine konkreten Lösungen.
Stichwort Kosten
Stichwort Kosten für die Unterbringung: Hier sieht Regina Linde vor allem das Thema Vorhaltekosten bislang nicht geklärt – „heißt: Die Kommunen sollen zwar planen und Kapazitäten zur Unterbringung vorhalten, aber für jedes ungenutzte Bett bleibt die Kommune auf den Kosten sitzen. Gleiches Problem tritt beispielsweise bei notwendigen 24-Stunden-Betreuungen in Gemeinschaftsunterkünften auf, da diese zusätzlichen Kosten, die unmittelbar mit der Unterbringung in Verbindung stehen, leider als solche nicht anerkannt werden“. Dass die entstehenden Kosten für die Kommunen „in Gänze ersetzt werden“, hält man im Erndtebrücker Rathaus für wichtig. Dies gelte insbesondere für Vorhaltekosten.
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Müssten nicht auch der Kreis Siegen-Wittgenstein, das Land NRW oder der Bund im Grunde zusätzlich Gebäude für die Unterbringung bereitstellen? Immerhin: „Das Land NRW hat zugesichert, die Aufnahmekapazitäten in Landesunterkünften deutlich zu erhöhen“, berichtet Regina Linde aus Bad Berleburger Sicht. Doch sei dies „noch nicht in Gänze umgesetzt, was zum Teil mit fehlenden infrage kommenden Immobilien begründet wird“.
Fehlende Immobilien
Hier knüpft Jann Burholt für Bad Laasphe an: Sollten übergeordnete Behörden zusätzlichen Wohnraum für eigene Zentrale Unterkünfte (ZUEs) suchen, wäre auch das lokale Angebot im Stadtgebiet neu zu bewerten. Aus Sicht der Gemeinde Erndtebrück wäre „eine Ausweitung der Landeskapazitäten sehr wichtig“.