Bad Laasphe. Es war eine dramatische Abstimmung um den Stellenplan in Bad Laasphe und die hat sofort Konsequenzen für den Haushalt 2023. Beides wird vertagt.
Eine einzelne Stimme hat am Donnerstag den Ausschlag gegeben und so für eine denkwürdige Ratssitzung in Bad Laasphe gesorgt. Dass der Haushaltsplan 2023 umstritten sein würde, war klar. Dass der Stellenplan Anlass für Kritik bieten würde auch. Dass aber ein ganz diffuses Abstimmungsbild am Ende reichen würde, um den Stellenplan und in der Folge auch den Haushalt von der Tagesordnung zu wischen, kam unerwartet – aber nicht unbeobachtet: Gut 40 Bürger füllten den Zuschauerraum bis auf den letzten Platz.
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Am kommenden Dienstagnachmittag – so die Information dieser Zeitung – sollen sich nun die Fraktionschefs aller Ratsparteien mit der Verwaltung im Rathaus erneut zusammensetzen, um eine Lösung für dieses gravierende Problem zu erarbeiten.
Was ist passiert?
Bereits im Vorfeld hatten SPD und FDP signalisiert, dass man dem Haushalt wegen einer befürchteten Überschuldung nicht zustimmen wolle. Als dann vor dem Haushalt über den Stellenplan diskutiert wurde, griffen die Kritiker diesen bereits an, weil er mehr Personal und auch Höhergruppierungen vorsieht.
Werner Oder (FDP) betonte: „Ich lehne diesen Stellenplan ab. Die Personalkosten explodieren. Das ist dem Bürger nicht mehr zuzumuten.“ der SPD-Fraktionsvorsitzende Samir Schneider wünschte sich die Vertagung des Stellenplans und bekam Unterstützung vom FDP-Fraktionsvorsitzenden Klaus Preis: „Wir wollen nicht leichtfertig zustimmen“, sagte dieser und forderte auch die 22 tariflichen Anhebungen unter die Lupe zu nehmen.
Für den Stelleplan machten sich Union und Die Partei stark: Während Thorsten Weber (CDU) deutlich machte, dass die CDU gegen eine Vertagung sei, weil man sich mit Haushalt und Stellenplan 2023 ja bereits im Februar 2023 befinde. Auch Tobias Wied (Die Partei) forderte: „Wir können das nicht vertagen.“ Da stünden wichtige Stellen wie zum Beispiel eine dringend benötigte für die Feuerwehr drin.
Bürgermeister findet deutliche Worte
Auch Bürgermeister Dirk Terlinden (parteilos) wurde deutlich: „Wir haben als Verwaltung auch Aufträge zu erfüllen. Jeden Bürger, der sich dann beschwert, schicke ich in diesen Saal“, lehnte er die Verantwortung für die Entscheidung ab. Und zu den Lohnerhöhungen sagte er: „Tarifrechtliche Höhergruppierungen sind reine Kenntnisnahmen“, sicher aber stehe es dem Rat frei, ganze Personalstellen zu streichen. Allerdings betonte Terlinden auch, dass für ihn und sein Team das Ende der Fahnenstange erreicht sei: „Wir haben in den vergangenen zehn Jahren Personal abgebaut. Gleichzeitig bekommen wir aber immer mehr Aufgaben.“
Denkbar knappes Ergebnis
Am Ende aber folgte die Abstimmung - mit einem denkbar knappen Ausgang: Während sieben Stimmen von SPD und sechs aus der FDP für die Vertagung stimmten, waren es sieben von der CDU, drei aus Die Partei, eine aus der FDP und der Bürgermeister, die dagegen stimmten. „Herzlichen Glückwunsch“, entfuhr es einem ärgerlichen Terlinden.
Vorberatungen „unnötig“ wettert Günter Wagner
Dieses 13:12 für die Vertagung hat Konsequenzen, die der Bürgermeister den Fraktionsvorsitzenden anschließend in einer Sitzungsunterbrechung deutlich machte: Ohne genehmigten Stellenplan kann es keinen Haushaltsplan 2023 geben. Die Entscheidung muss vertagt werden.
Für den CDU-Fraktionschef Günter Wagner war das fast schon ein Eklat, wenn er an die vielen Vorberatungen denke: „Wir sitzen mit den Fraktionsvorsitzenden und dem Bürgermeister zusammen um Themen vorzuberaten. Diese Sitzungen sind vollkommen unnötig, wenn alles im Rat wieder zerbröckelt.“
Wie geht es jetzt weiter?
Für die Stadt Bad Laasphe bedeutet das, dass bis zur Vorlage eines genehmigten Haushaltes erst einmal die sogenannte vorläufige Haushaltsführung und damit verbunden eine restriktive Ausgabendisziplin gilt. Das heißt: sie darf nur Aufwendungen entstehen lassen und Auszahlungen leisten, zu denen sie rechtlich verpflichtet ist oder die für die Weiterführung notwendiger Aufgaben unaufschiebbar sind.
Bürgermeister Dirk Terlinden bedauert diese Entwicklung: „Ohne Stellenplan fehlt die Grundlage der dringend notwendigen Personalgewinnung, z. B. für Pflichtaufgaben im Sozial- und Wohngeldbereich oder auch bei der Betreuung von Flüchtlingen. Die eingetretenen Verzögerungen führen auch zu erheblichen Verschiebungen von Investitionen in Schulen, Straßen, Brücken und Gebäude, da ohne beschlossenen Haushalt bis auf weiteres keine Ausschreibungen erfolgen dürfen.“
So denken die Parteien über den Haushaltsplanentwurf
Der Haushaltsplanentwurf der Stadt Bad Laasphe hat eine Diskussion zu einer drohenden Überschuldung der Stadt ausgelöst. Hintergrund ist neben der Erhöhung der Kreditlinie für Kassenkredite um zwei auf 28 Millionen Euro auch die Gesamtschuldenlast von aktuell 20,5 Millionen Euro. Hinzu kommt der Fakt, dass der Haushalt in Bad Laasphe – wie auch in anderen Kommunen – nur deshalb ausgeglichen werden kann, weil die Mehrbelastungen für die Corona-Pandemie oder auch die mit dem Ukraine-Krieg direkt verbundene Energiepreis-Steigerungen und Inflationsbelastungen ausgelagert werden können.
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Die Kritik der SPD
Für die SPD-Fraktion signalisierte Samir Schneider, dass man diesem Entwurf so nicht zustimmen könne und verlangte Nachbesserungen. „Im letzten Jahr habe ich noch von einer schwierigen finanziellen Situation für unsere Stadt gesprochen, aber heute befinden wir uns in einer noch nie da gewesenen, desolaten Finanzsituation.“ Schneider erinnert an den Sparzwang vergangener Jahre: „Heute befinden wir uns zwar nicht mehr im Haushaltssicherungskonzept, aber die uns vorliegenden Haushaltszahlen sind noch nie schlechter gewesen. Um unseren aktuellen Haushalt zu finanzieren, werden hohe Liquiditäts- und Investitionskredite benötigt – und dazu werden noch mehrere Millionen Euro in den Corona-Isolationsposten verbucht, die wir ab 2026 über 50 Jahre abbezahlen müssen! Dazu kommen noch offene Liquiditäts- und Investitionskredite der letzten Jahre zusammen, sodass wir insgesamt einen mittleren zweistelligen Millionen Betrag als Kredite offen haben. Diese müssen wir auch irgendwann zurückzahlen, um den Bankrott von unserer Stadt abzuwenden. Mit diesen Zahlen sehen wir eine düstere Zukunft auf unsere Stadt zu kommen.“ Schneider forderte deshalb: „Vielleicht sollten wir einen aktuellen Kassensturz machen, bevor wir den Haushalt- und Stellenplan beschließen.“ Schneider will den Rotstift bei den Ausgaben und beim Stellenplan ansetzen.
Die Zustimmung der CDU
Günter Wagner, Fraktionsvorsitzender CDU, sieht Licht und Schatten im Haushalt – macht aber klar, dass seine Fraktion sowohl dem Haushalt als auch dem Stellenplan zustimmen werde. Wagner macht neben der schwierigen Wirtschaftslage und dem Krieg vor allem den Kreis Siegen-Wittgenstein für die Haushaltslage verantwortlich: „Ich mache mir außerordentlich große Sorgen, wenn ich die Kreisumlage betrachte. Seit Jahren steigt sie, was auch in den nächsten Jahren zu befürchten ist.“ Mit rund 13 Millionen Euro machte dieser Posten 32 Prozent der Ausgaben der Stadt aus. „Um es greifbarer zu machen, was der Kreis von uns fordert: die gesamte Grundsteuer, die gesamte Gewerbesteuer, die gesamte Hundesteuer/Vergnügungssteuer und noch Teile der Gemeindeanteile an anderen Steuern.“
Wagner lobt im Bad Laaspher Haushalt die unveränderten Steuersätze und die sechs Millionen Investitionen. Und auch dem Stellenplan stimme man zu: „Neue Aufgaben erfordern mehr Personal. Diese Stellen tragen wir mit zum Beispiel aufgrund der Wohngeld-Reform mit einer viel höheren Zahl von Anträgen, für die Betreuung der Flüchtlinge, für Arbeiten bei Spielplätzen, für Feuerwehr, für Bauen und Planen bei Brücken, Straßen und mehr und neue Ausbildungsstellen.“
Argumente der FDP von Klaus Preis
Für die FDP macht Klaus Preis deutlich, dass es überflüssig sei, über die Kreisumlage zu jammern. Der Liberale will, das Bad Laasphe selbst Ausgaben senkt: „Ein erster Beitrag und ein Zeichen der Politik ist der CDU-Antrag zur Verkleinerung des Rates mit einer jährlichen Einsparung von zirka 30.000 Euro. Alle geplanten Ausgaben gehören auf den Prüfstand und wir müssen angesichts der vom Kämmerer vorgetragenen Zahlen jede Ausgabe auf Erfordernis und Dringlichkeit prüfen. Ich bin sicher, dass wir mit allen im Rat vertretenen Parteien bei den anstehenden Entscheidungen uns Kompromissbereit zeigen und immer eine optimale Lösung anstreben.“
Massive Kritik von Werner Oder
FDP-Ratsmitglied Werner Oder hielt seine eigene Haushaltsrede und betonte, dass er dem Entwurf nicht zustimmen könne: „Je nach Inanspruchnahme der Liquiditätsgrenze kann die Verschuldung die 50-Millionen-Grenze sprengen“, warnt Oder. Der Haushalt sei nur durch eine Trick ausgeglichen, moniert er: „Nicht alles, was gesetzlich erlaubt ist, ist moralisch zu verantworten“, kritisiert Oder.
Das Markus Schmidt für Die Partei
Markus Schmidt, Fraktionsvorsitzender von „Die Partei“, stimmt der CDU, aber auch der SPD zu und zitiert launig den mittlerweile verstorbenen Showmaster Heinz Schenk: „Das Einzige, was man ohne Geld machen kann, sind Schulden.“ Aber: „Der vorliegende Haushaltsplan ist grundsätzlich gut. Da sind viele richtige Ansätze im Stellenplan und bei den Investitionen drin.“ Generell fordert Schmidt aber Unterstützung: „Aus Düsseldorf muss in Sachen Altschuldenhilfe jetzt echt mal was kommen. Sonst verlassen wir irgendwann per Ratsbeschluss dieses Nordrhein-Westfalen und schließen uns Hessen an. Oder wir bilden eine rheinland-pfälzische Enklave. Denn auch der Landtag in Mainz hat vor wenigen Tagen die Entschuldung seiner Kommunen beschlossen.“
Das schreibt Carina Jung für die Grünen
Die stellvertreten Fraktionsvorsitzende Carina Jung siganlisiert, ebenfalls Nachbesserungsbedarf beim Haushaltsplan-Entwurf, dem die Grünen in der vorgelegten Form nicht zustimmen wollten: „Wenn die jetzt avisierte Tilgung der geplanten Liquiditätskredite von 22,7 Millionen Euro einen Fehlbetrag von 12,7 Millionen Euro übrig lässt, wie sollen wir also heute und in den kommenden Jahren unsere Stadt proaktiv gestalten können? Wie sollen wir mit einer immer höheren Schuldenlast flexibel agieren und die Herausforderungen meistern? Meine Damen und Herren, eine strategische Neuausrichtung der Investitionstätigkeit, beherzte Bemühungen um zusätzliche Einnahmen und wirksame Einsparungen zugunsten einer geringeren Neuverschuldung kann ich aus diesem Plan nicht herauslesen. Bedeutet das also, dass all das - wieder einmal - bis auf weiteres verschoben wird? Ich befürchte, ja. Wir können deshalb dem vorliegenden Haushaltsentwurf nicht zustimmen und regen an, ihn so zu überarbeiten, dass er zumindest ansatzweise erkennen lässt, dass und wie unverzichtbare Zukunftsinvestitionen solide finanziert werden können.“