Bad Laasphe/Brașov. Das Artenschutzzentrum Feudingen stellt Tiere für die Karpaten bereit. Zugleich kritisiert Biologe Uwe Lindner erneut das Berleburger Projekt.

Das Artenschutzzentrum Feudingen hat zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres Wisente für ein Ansiedlungsprojekt in Rumänien zur Verfügung gestellt. Zugleich bedauert der Biologe Uwe Lindner, ehrenamtlich beratend tätig für Zentrumsbetreiber Achim Wickel, dass aus dem Bad Berleburger Wisentprojekt „keine Tiere für den Transport vorgesehen“ gewesen seien, „obwohl auf dem Tiertransporter noch reichlich Platz zur Verfügung stand“.

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Das neue Wildnisgebiet in den Südkarpaten Rumäniens entstehe auf Initiative der Foundation Conservation Carpathia (FCC) auf einer Fläche von etwa 250.000 Hektar, erklärt Lindner. Und „im Rahmen des Gesamtvorhabens werden dort auch Wisente wiederangesiedelt“. Aus Feudingen seien „in enger Abstimmung mit dem rumänischen Projektmanager Adrian Aldea ein weibliches und ein männliches Tier aus Feudingen und anschließend noch zwei weitere Tiere aus dem Hanauer Wildpark ,Alte Fasanerie’ verladen“ worden.

„Art gilt immer noch als gefährdet“

Nach fast zweitägiger Fahrt durch halb Europa kommen die Tiere aus Feudingen im rumänischen Brașov an.
Nach fast zweitägiger Fahrt durch halb Europa kommen die Tiere aus Feudingen im rumänischen Brașov an. © Aline Rinke

Nach einer fast zweitägigen Fahrt seien die Tiere aus Feudingen „gesund an ihrem rumänischen Bestimmungsort etwa 30 Kilometer südwestlich von Brașov“ eingetroffen, berichtet Lindner. „Dort werden die Tiere die nächsten Wochen in einem Quarantäne-Gehege verbringen, bevor sie in die Wildnis entlassen werden können.“

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Der Wisent als Art gelte immer noch als gefährdet – „und deshalb ist die Erhaltungszucht in Gefangenschaft unter Berücksichtigung der genetischen Abstammung beziehungsweise Variabilität so wichtig“ betont Lindner. Es genüge aber nicht, „nur Wisente zu züchten und so ,lebende Museen’ zu schaffen“, findet er. Ziel müsse die Wiederansiedlung dieser Art in der freien Natur sein. „Das Projekt im Rothaargebirge sollte dazu einen wichtigen beispielhaften Beitrag leisten, doch davon ist man heute weit entfernt.“

„Mittlerweile 34 Tiere oder mehr“

Der freilebende Bestand im Rothaargebirge sei „auf 25 Tiere begrenzt“, so der Biologe – doch „mittlerweile sind es 34 Tiere oder mehr, keiner weiß das so genau“. Alle Tiere fürs Rothaargebirge seien mit Hilfe von Prof. Wanda Olech-Piasecka, Präsidentin des European Bison Conservation Center (EBCC) nach genetischen Gesichtspunkten ausgesucht worden, somit seien „auch die Nachfahren für die Erhaltungszucht sehr wertvoll. Die überzähligen Tiere sollten anderen Gehege- oder Wiederansiedlungsprojekten zur Verfügung gestellt werden“.

Lindner will Projekt noch retten

Uwe Lindner hat an der Humboldt-Universität zu Berlin Biologie studiert – mit den Spezialfächern Tierphysiologie, Zoologie und Verhaltensbiologie und setzte sich mit den Lebensraum-Ansprüchen großer Pflanzenfresser auseinander. Neben dem Wisent-Projekt in Bad Berleburg hat er auch ein Auerhuhn-Wiederansiedlungsvorhaben in der Lausitz umgesetzt.

Gemeinsam mit Wisentzüchter Achim Wickel sucht Lindner nach einem Kompromiss: „Wir haben die Bereitschaft, das Wisent-Projekt zu retten und ein Konzept für neue Strukturen zu erarbeiten.“

Warum waren bei dem Transport nach Rumänien keine Tiere aus Bad Berleburg dabei? So fragt sich Uwe Lindner – und spekuliert: „Vielleicht, weil sich dort niemand richtig um das Projekt kümmert und es den Verantwortlichen auch völlig egal ist.“ Offensichtlich hätten „naturtouristische und jagdliche Interessen eine deutlich höhere Priorität als die Erfordernisse eines solchen Artenschutzprojektes“. Und für einen Wisent-Transport innerhalb Deutschlands, erst recht für einen länderübergreifenden Transport wie nach Rumänien seien einige Voraussetzungen und Formalien zu erfüllen, weiß der Biologe.

„Keinen Wert auf genetische Variabilität gelegt“

Und wie sieht es bei den freilebenden Berleburger Wisenten aus? Die Antwort Lindners: „Schlecht! Das Projekt hat bereits mehrere Millionen Euro Steuer- und Sponsorengelder verschlungen. Trotz dieses finanziellen Backgrounds hat man jahrelang im Rothaargebirge Inzucht betrieben und keinen Wert auf die genetische Variabilität der Tiere gelegt“, kritisiert er.

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Die Sitzung des Umweltausschusses für den Kreis Siegen-Wittgenstein im Dezember habe gezeigt, warum in Bad Berleburg das Interesse fehle, so Lindner weiter. So habe etwa der Vorsitzende der CDU-Kreistagsfraktion, Hermann-Josef Droege, gefordert, den Wisent ins Jagdrecht aufzunehmen. „So macht das Ganze doch Sinn“, merkt Lindner an, denn: „Für einen Jäger ist es doch völlig egal, ob das Tier einen hohen oder niedrigen Inzucht-Koeffizienten, eine Ohrmarke oder eine Zuchtbuch-Nummer hat.“

Rumänien hätte noch zehn Tiere genommen

Dabei gebe es durchaus Interesse an überzähligen Tieren, berichtet Lindner. So hätten etwa „unsere rumänischen Kooperationspartner“ ihr Interesse an zehn freilebenden Tieren aus dem Rothaargebirge für ihr Wiederansiedlungsvorhabenbekundet – auch ohne Ohrmarke und Zuchtbuchnummer.

In Rumänien müssen die Tiere auf einen kleinen Viehanhänger umgeladen werden, ehe sie ins Quarantäne-Gehege kommen.
In Rumänien müssen die Tiere auf einen kleinen Viehanhänger umgeladen werden, ehe sie ins Quarantäne-Gehege kommen. © Artenschutzzentrum Feudingen

Allerdings sei fraglich, ob „die Tiere aufgrund des fehlenden Rinderpasses und der Ohrmarken und der tierseuchenrechtlichen Bestimmungen überhaupt nach Rumänien verbracht werden“ könnten, sagt Lindner. Hier seien formell sowohl das Siegener als auch das rumänische Veterinäramt gefragt.

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Es könne „also wirklich sein, dass sich die überzähligen Tiere aus dem freilebenden Bestand aufgrund der unbekannten Abstammung nicht vermitteln lassen“, so der Biologe – „was letztlich bedeutet, dass die Tiere letal entnommen, im Klartext abgeschossen werden müssen“ Doch: Sei damit das Ziel des aus Steuergeldern finanzierten Artenschutzprojektes erreicht?

Kritik am Bad Berleburger Trägerverein

Aber es gebe noch „Hoffnung und auch Leute, die ihr Handwerk verstehen“, meint Biologe Uwe Lindner: „Die Individualerkennung und damit die Abstammung der freilebenden Tiere ließe sich auch jetzt noch klären. Damit könnten die Tiere die erforderlichen Rinderpässe, Ohrmarken und Zuchtbuchnummern erhalten und ihren Beitrag zum Erhalt des Wisents leisten.“ Dies sei „natürlich mit einem erheblichen Mehraufwand und zusätzlichen Kosten verbunden“, so Lindner – „mit der Genehmigung des Tierabschusses ließe sich dieses Problem deutlich kostengünstiger lösen“.

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Schuld an dieser Situation sei das Missmanagement des Trägervereins unter Leitung von Bernd Fuhrmann, bemängelt Lindner – „daher sollte der Trägerverein auch finanziell dafür verantwortlich gemacht werden“.