Bad Berleburg. Die Hälfte aller 140 Windrad-Bauanträge in Siegen-Wittgenstein entfallen auf Berleburg. Auch deswegen gibt es starke Diskussionen.

Die Energiewende – vor allem die Windkraft – treibt die Politik in der Stadt Bad Berleburg vor sich her. Nach wie vor arbeitet die Verwaltung mit Unterstützung von Gutachtern und Fachanwälten an der Ausweisung von Vorrangzonen, während gleichzeitig Projektiere Bauanträge für zahlreiche Anlagen im Stadtgebiet beim Kreis Siegen-Wittgenstein stellen und sich große Hoffnungen auf Genehmigungen machen dürfen.

Innerhalb der Politik gehören die SPD und die Grünen zu den starken Befürwortern von Windkraft, während CDU, FDP, UWG und AfD an der Vorrangzonen-Planung festhalten. Bei UWG und AfD ist die Ablehnung dieser Energieerzeugung am größten.

SPD will Bürgerwindpark auf Städtischen Flächen

Die Bad Berleburger SPD geht in Sachen Windkraft in die Offensive: „Wir beantragen die Prüfung der Nutzung von städtischen Flächen für eine kommunale und eigenwirtschaftliche, regenerative Energieerzeugung durch Windkraft und Photovoltaik inkl. der Möglichkeiten einer direkten Bürgerbeteiligung, zum Beispiel in Form eines Bürgerwindparks auf kommunalen Flächen. Ein Betrieb oder zumindest eine Beteiligung der Stadtwerke auch im Hinblick auf die lokale Energieversorgung ist in diese Prüfung einzuschließen“, formulieren die Fraktionsvorsitzenden Iris Gerstmann und Andreas Meinecke in einem Antrag.

Bürgermeister macht Ansage

Lange hat sich Bernd Fuhrmann, der Bürgermeister der Global nachhaltigen Kommune Bad Berleburg, zurückgehalten. In einem ZDF-Interview aber betonte er nun die Bedeutung der Windkraft und bezieht gegenüber dieser Zeitung deutlich Stellung und spricht auch von einer Wende in der öffentlichen Wahrnehmung: „Seit Putins immer noch unfassbarem Angriffskrieg hat sich der Wind in Sachen Windkraft und vielmehr noch mit Blick auf erneuerbare Energien gedreht“, schreibt Fuhrmann. Bislang sei es darum gegangen, dass Windenergieanlagen durchaus gewünscht seien, nur wollten sie die Wenigsten vor der eigenen Haustür haben. „Diese Sichtweise ist aus rein ästhetischem Blickwinkel auch weiterhin verständlich, sie muss sich aber mehr denn je den Tatsachen unterordnen, die eindeutig für erneuerbare Energien sprechen: Wir brauchen die Energiewende einerseits mit Blick auf den Klimaschutz und die Klimafolgenanpassung – als nachhaltigste Kleinstadt Deutschlands 2020 ist es unsere Verpflichtung, diesen Ansatz stringent zu verfolgen und umzusetzen.“

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Nicht nur Windkraft im Blick

Fuhrmann macht aber auch klar, „dass Windenergie nur ein Baustein“ ist: „Wir müssen weiterdenken und dürfen nichts außer Acht lassen – grüner Wasserstoff, Photovoltaik, Wasserkraft, Biogas oder aber eine Pyrolyseanlage, deren Machbarkeit wir gerade in unserem Stadtgebiet prüfen.“ Nur die Zielrichtung ist klar: „Wir müssen uns unabhängig von Gas, Öl und Co machen. Und dies funktioniert nur mit einer aktiven Energiewende, die wir nun benötigen.“

CDU hält an Vorrangzonen fest

Diese Sichtweise hat sich inzwischen auch bei der CDU-Führung im Bad Berleburger Stadtrat durchgesetzt: „Wir können uns der Windkraft nicht mehr verschließen, aber wir wollen es auch nicht ausufern lassen. Es wird immer so hingestellt, als würden wir eine Verhinderungsplanung machen. Das ist falsch!“, sagt der Fraktionsvorsitzende Martin Schneider. Er hält am Flächennutzungsplanverfahren fest: „Die einzige Möglichkeit, einen völlig unkontrollierten Bau von Windkraftanlagen einzudämmen, ist das Flächennutzungsplanverfahren. Die bisherigen Ankündigungen, die kommunale Planungshoheit auf die Ebene der Bezirksregierung zu heben, sind bisher nur Absichtserklärungen. Eine entsprechende Gesetzgebung dazu ist derzeit nicht vorhanden“, so Schneider und mahnt: „Wenn wir jetzt aufgeben, geben wir die Planungshoheit aus der Hand und werden es später bereuen, das getan zu haben.“

Die Stadt fährt jetzt zweigleisig

Auch Bürgermeister Fuhrmann stützt diese Haltung: „Als Stadt arbeiten wir – wie in der jüngsten Stadtverordnetenversammlung noch einmal politisch beschlossen – zweigleisig, da bislang noch keine eindeutige Rechtsprechung vorliegt. Das bedeutet aber auch, dass aufgrund der weiterhin unklaren Rechtslage auf alle Beteiligten – auf kommunaler Ebene, aber insbesondere auch auf die Mitarbeitenden der Bezirksregierung Arnsberg – enorme Herausforderungen zukommen.“

70 Bauanträge für Windräder allein für Bad Berleburg

Fuhrmann erinnert an den Regionalplan-Entwurf der Bezirksregierung Arnsberg. Darin war eine Gesamtfläche für Windkraftanlagen im Stadtgebiet von etwa 1120 Hektar ausgewiesen. Und auf diesen potenziellen Windkraft-Flächen hätten sich Projektierer bereits ihre Standorte gesichert. „Nach unserer Kenntnis liegen derzeit beim Kreis Siegen-Wittgenstein 140 Anträge für Windkraftanlagen im gesamten Kreisgebiet vor – 70 davon für das Stadtgebiet von Bad Berleburg“, berichtet der Bürgermeister.

Stiftung für Nachhaltigkeit gründen

„Einerseits forcieren wir unser bereits langfristig eingeleitetes Planverfahren, andererseits befinden wir uns aktiv in Gesprächen mit potenziellen Investoren. Wir wollen, dass die Menschen vor Ort nachhaltig von der Energiewende profitieren. Entscheidend ist die Wertschöpfung vor Ort. Und wir sind als Stadt Bad Berleburg in Sachen lokaler Wertschöpfung schon aus unserem Selbstverständnis heraus auf dem richtigen Weg – das gilt auch und gerade mit Blick auf die laufenden Gespräche in Sachen Windkraft. Wir wollen dabei alle Akteure mit einbeziehen – die Menschen vor Ort, Vereine, Institutionen und Unternehmen. Konkret geht es darum, einen Bürgerstrom zu etablieren, um allen Menschen vor Ort einen Zugang zu nachhaltiger und zugleich günstiger Energie zu ermöglichen. Wir wollen eine Nachhaltigkeitsstiftung gründen, um gemeinsam Antworten und Lösungen für aktuelle und zukünftige Fragen der Energiegewinnung und der Umsetzung der kommunalen Nachhaltigkeitsstrategie zu finden.“ Mit diesem Kurs rennt er auch bei der SPD in Bad Berleburg offene Türen ein, den genau dies fordern die Genossen seit Monaten.